Siem Reap und die Tempelanlagen von Angkor

Nahe den berühmten Tempeln von Angkor liegt Siem Reap und bietet alle touristischen Annehmlichkeiten die man von so einer Kleinstadt (notabene über 100'000 Einwohner) erwarten kann. Wir erreichen unser Ziel nach einer langen Fahrt, welche uns in einem Tag von Kampot nach Phnom Penh (dort hatten wir 3 Stunden Aufenthalt und Zeit in einem guten vegetarischen Restaurant Mittag zu essen) und weiter nach Siem Reap führte. Rund 12 Stunden dauerte die gesamte Fahrt, gebucht mit der professionell funktionierenden Busgesellschaft Giant Ibis. Am Busbahnhof in Siem Reap werden wir vom Hotel Fahrer abgeholt, der uns in unsere schöne Unterkunft etwas ausserhalb des Trubels bringt. Wir haben uns bewusst für ein etwas besseres und abgelegeneres Hotel entschieden, trotz allem aber zahlen wir einen sehr anständigen Preis und können so die Annehmlichkeiten der Hotelanlage mit Pool mit der Besichtigung der Tempelanlagen verbinden. Wir sind generell auf unserer Südostasienreise sehr positiv überrascht über die Sauberkeit und glücklich über die Abwesenheit komischer Krabbeltiere in unseren Zimmern. Das Hotel Angkor Elysium Suite ist erst 4 Jahre alt, dank den üblichen Baummängeln könnte man die Zimmer aber viel älter schätzen. Dennoch sind sie sauber, modern eingerichtet und riesig, also kann ich das Pool Tuch zur Yogamatte umfunktionieren und problemlos im Zimmer meine Übungen machen. Ich muss zugeben, ich vermisse regelmässigen Sport, doch in den zwei Tagen, welche wir zur Besichtigung der Tempelanlagen nutzen, kommen wir trotz TukTuk immerhin auf über 22km zu Fuss.

 

Hellgrüne Reisfelder umgeben die Aussenbezirke der Stadt, Zucker Palmen schiessen in die Höhe und spiegeln sich in den teils feuchten Feldern. Die Landschaft ist wirklich schön, eine Steppenlandschaft mit Hügelketten in der Ferne und asketischen Langohren Kühe (wie in Afrika) die ihr spärliches Futter widerkauen. Wir haben den selben Fahrer wie am Vortag und staunen über seine sich selbst beigebrachten Sprachkenntnisse. Nebst Englisch spricht er auch Japanisch (witzig, wie wir drei komisch dreinschauten, als er sich mit Markus auf Japanisch unterhielt) und weitere asiatische Sprachen, allerdings kein Chinesisch. Das lehnt er strickt ab und erzählt uns auch warum. Chinesische Touristen werden hier als Invasion ungehobelter und unkultivierter Trampel empfunden und der wirtschaftliche Ausverkauf korrupter Beamter an China wird in der Bevölkerung nicht gutgeheissen. Tim (so nennt er sich) ist etwa so alt wie wir, erzählt, wie er seine Eltern an die Rote Khmer verlor, als Weise aufwuchs und dann beim Militär eine Arbeit fand. Die Bildung dort ist wohl nicht so gut, denn erst vor 5 Jahren, als er die Stelle im Hotel als Gärtner und Fahrer offeriert bekam, lerne er TukTuk- und später auch Autofahren. Er empfindet die neue Stelle als ein Geschenk, denn er war froh, einen Ausstieg aus dem Militär gefunden zu haben und nun seine Töchter gar auf internationale Schulen schicken zu können. Es war wirklich sehr interessant sich zwischen den Besichtigungen und bei Erfrischungsstopps mit ihm zu unterhalten und mehr über die aktuelle Situation und Lebensumstände im Land zu erfahren.

 

Am ersten Tag kauften wir unseren Mehrtagespass und besichtigten die etwas weiter entfernten Anlagen der "grossen Tour" und am zweiten Tag durften wir feststellen, dass die Besichtigung der "kleinen Tour" viel umfangreicher war. Gross bzw. klein bezieht sich hier also nur auf die Strecke, die man im TukTuk sitzend herumgefahren wird, und nicht auf die Zeit die man für die Besichtigungen braucht. Wir starten am späteren Vormittag, denn die Tour soll erst zum Sonnenuntergang enden. So fahren wir mit einem ersten Blick auf Angkor Wat daran vorbei und halten auf Wunsch am Phnom Bakheng. Dieser Hinduismus Tempel (verehrt wird Shiva) wurde 907 n.Chr. geweiht und liegt auf einem Hügel. Leider steht der Tempel derzeit unter Renovation, doch die gute, wenngleich auch nicht umwerfende Sicht vom Hügel ermöglicht einen ersten Eindruck der Grösse der Anlagen. Die Tempel, die seit 1992 zum UNESCO Weltkulturerbe zählen, liegen auf einer Fläche von etwa 400km2 verteilt, wobei die berühmtesten am nächsten bei Siem Reap liegen. Vom Hügel aus können wir auch auf den West Baray sehen, ein inzwischen fast ausgetrockneter, künstlich angelegter Wasserspeicher, aber mit rund 1700ha dennoch das grösste Reservoir von Angkor. Zusammen mit dem Ost Baray stellte dieses Reservoir im alten Angkor die Versorgung mit Wasser für Bewässerung der Felder und die Bedürfnisse der Stadtmenschen sicher, die hier vor über 1000 Jahren lebten.

 

Als nächstes fahren wir durch die Tempelstadt Angkor Thom hindurch und bewundern das schöne, mit vier grossen Gesichtern dekorierte nördliche Tor, durch welches wir uns dem Preah Khan Tempel nähern. Dieser Tempel wurde 1191 buddhistisch geweiht und wurde dem Vater des Königs gewidmet. Man geht davon aus, dass die Herrscher hier gewohnt haben, bevor Angkor Thom fertiggestellt wurde. Nach dem Umzug diente es als grosses Kloster und buddhistische Universität. Umgeben von einer Stadtmauer lebten die Bewohner im äusseren Bereich, während der innere Tempelbereich den Herrschern vorbehalten war. Hier befindet sich auch ein zweistöckiges Gebäude in dem sich der Legende nach das heilige Reichsschwert befand, welches von Generation zu Generation weitergereicht, später aber gestohlen wurde. Uns haben vor allem die schönen Abbildungen von Tempeltänzerinnen oberhalb der Türen und in den Türrahmen gefallen. Je weiter man in das Innere des Tempels vordringt, umso enger und verzweigter werden die Galerien und Gänge, welche alle reich verziert sind. Sehr faszinierend und schön zugleich.

 

Weiter geht die Fahrt zu einem wunderschönen See in dessen Mitte das Bauwerk Neak Pean thront. Neak Pean ist kein Tempel, sondern ein kleines Monument, welches wie ein schöner Brunnen angelegt und in der Mitte einer nur über eine Holzbrücke erreichbaren Insel erbaut wurde. Der kleine Tempel Ta Som, den wir als nächstes besuchen, ist ein ruhiger, weniger frequentierter Tempel, gefällt uns jedoch sehr gut. So gibt es hier schön herausgearbeitete Details zu betrachten und einige Mauern sind von Bäumen umwachsen, was schöne Fotomotive abgibt. Wir lassen uns Zeit, den schmucken Tempel auf uns wirken zu lassen und müssen am Ende sagen, das auch dieser kleine Tempel seinen ganz speziellen Charme hatte.

 

Nähert man sich dem East Mebon, so ist es heute schwer vorstellbar, dass er Mittelpunkt eines 7.5km x 1.8km grossen künstlichen Sees (dem East Baray) war. Der See ist heute komplett ausgetrocknet, doch noch sind die kleinen Landungsstege erkennbar, welche den Tempel von allen vier Seiten her zugänglich machten. Der letzte Halt des Tages ist am Pre Roup Tempel geplant. Wir steigen die steile Treppe zur oberen Terrasse hinauf. Das Abendlicht beleuchtet das Mauerwerk auf eine wunderbare Weise, doch die Anzahl der Menschen, die sich hier oben drängen, um zuzusehen wie die Sonne hinter den Bäumen untergeht, lässt uns kurzentschlossen umdrehen, um noch ein Stücklein weiter zu fahren, wo wir weitaus ruhiger, am Ufer des Srah Srang Sees sitzend, dem roten Ball zusehen können wie er untergeht.

 

Nach einem guten Abendessen im Hotel grüssen wir auf dem Flur wieder die vielen kleinen, niedlichen TicTic (Hausgeckos) bis wir TOCTOC sehen. Erst glauben wir an ein Schattenbild, doch dann erkennen wir oben im Winkel des Treppeneingangs einen riesigen Gecko, viel grösser als die anderen, viel, viel grösser. Er scheint von der gleichen Art zu sein, wirkt aber wie Godzilla unter den Geckos und ist irgendwie nicht mehr so süss. Aber wir sind dennoch froh, dass sich auch dieser darum kümmert die Anzahl der Insekten zu limitieren, offensichtlich sehr erfolgreich. Am nächsten Tag geht es früh los und wieder erwartet uns unser sprachgewandter TukTuk Faher. Er sagt: "Suasadai. Sok sabai?" (Hallo. Wie geht es?) und wir stammeln ein unbeholfenes "Kniom Sok Sabai" (Mir geht es gut) hervor. Wir bewundern wie er sich Sprachen selbst beibringt, während wir uns kaum die einfachsten Worte merken können.

 

Als erstes fährt er uns zum Angkor Wat. Der Tempel wurde in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts vom König Suryavarman II in Auftrag gegeben und ist der Verehrung Vishnu (Hinduismus) gewidmet. Die Stadt, die ein Tempel ist, ist wohl das grossartigste Monument, das je in Kambodscha erbaut wurde und kann definitiv mit allen grossen Bauwerken der Welt mithalten. Von der harmonischen Komposition der riesigen Anlage bis zu den feinsten Details seines Reliefs, ein wahres Meisterwerk. Mehrere 10'000 Menschen sollen hier einst gelebt haben und heute gibt es hier wohl etwa genau so viele Touristen. So schaffen es Markus und ich am Ende auch nicht ganz auf die höchsten Türme, welche auch die Staatsflagge zieren, denn wir haben keine Lust über eine Stunde anzustehen, dafür widmen wir der Anlage an sich, sowie den äusserst beeindruckenden Wandreliefs umso mehr Zeit. Der pyramidenförmige Staatstempel im Zentrum der Anlage ist umgeben von mehreren Einfassungen auf verschiedenen Stufen. Die jeweiligen Könige versuchten (ähnlich wie im alten Ägypten) ihre Vorgänger immer wieder zu übertreffen, mit Angkor Wat als Höhepunkt. Innerhalb der Stadtmauern befinden sich weitere Tempel, oft zur Verehrung der Vorfahren sowie buddhistische Klöster (vor allem als der Hinduismus nicht mehr die vorherrschende Glaubensrichtung war). Grosse Seen, Wassergräben und Brücken sind weitere Zeugen dieser Zeit, doch von Palästen und Wohnstätten, welche hauptsächlich aus Holz gebaut wurden, sind keine Spuren mehr vorhanden.

 

Wir verbrachten fast 3 Stunden in Angkor Wat, bestaunten die grossartige Architektur und in meinem Fall vor allem die wundervollen steinernen Apsaras. Mehrere 1000 dieser Figuren schmücken die Wände und Säulen, jede für sich bis ins feinste Detail herausgearbeitet. Apsaras sind in der hinduistischen und in Teilen der buddhistischen Mythologie halb menschliche, halb göttliche Frauen, die im Palast des Gottes Indra leben. Einen besonderen Stellenwert erhielten Apsaras in der Mythologie der Khmer. Meist tanzen diese Figuren mit nach aussen gerichteten Knien und halten Lotusblüten und andere schöne Gegenstände in ihren Händen. Die Figuren sind äussert fantasievoll und individuell gestaltet, mit unterschiedlichen Gewändern, Schmuck, Körperhaltungen, Frisuren und Gesichtsausdrücken. Allesamt sehen klassisch schön aus und so wird auch die Tradition des höfischen Tanzes in Kambodscha Apsara Tanz genannt. Dieser anmutige Tanzstil hatte wohl viel Einfluss auf die heute im Westen eher bekannte, thailändische Tanzkunst.

 

Die dritte Einfassung umschliesst den inneren Tempelbereich und ist als offene Galerie angelegt, welche von einem Gewölbedach geschützt wird. An der Innenwand befinden sich die berühmten Flachreliefs, welche mit einer Höhe von 2 Metern und einer Länge von über 500 Metern alle vier Seiten der Einfassung bedecken und wundersame und fantastische Geschichten erzählen. Hier toben Schlachten, man sieht Streitwagen und Kampfelefanten sowie Söldner aus Thailand (welche sich durch anders herausgearbeitete Gesichtszüge, Schnurrbärte und Frisuren von den anderen Figuren abheben). Es werden Szenen aus dem Ramayana (hinduistische Legende) dargestellt und königliche Prozessionen abgebildet. Die Darstellung von "Kirnen des Milchozeans" ist wohl das berühmteste Relief und erstaunlich gut erhalten. Der innere Tempelbereich ist pyramidenförmig angelegt und führt über mehrere Terrassen, welche von kreuzförmigen Gängen unterteilt sind, nach oben. Auch hier faszinieren unterschiedlichste Apsaras, Säulen und verzierte Fensterstürze. Über eine steile Treppe erreicht man schliesslich die Dritte Terrasse und der von vier Ecktürmen umgebene Hauptturm. Daher sieht die berühmte Silhouette von weitem immer aus, wie nur aus 3 Türmen bestehend.

 

Am späteren Vormittag fahren wir durch das eindrückliche Südtor in die ehemalige Tempelstadt Angkor Thom, nördlich von Angkor Wat. Diese Anlage ist im buddhistischen Stil erbaut und der Staatstempel Bayon ist dabei der herausragendste Tempel der Anlage. Angkor Thom war über 250 Jahre lang Hauptstadt des Khmer Reiches. Auf das Südtor hinzu führt eine gewaltige Steinbrücke, welche von zwei Balustraden gesäumt ist. Eine Reihe mit 54 Dämonen auf der rechten und eine mit 54 Göttern auf der linken Seite ziehen an einer gewaltigen Naga Schlange (symbolisch an die Geschichte vom "Kirnen des Milchozeans" erinnernd). Durch das gewaltige Gopuram (23 Meter hohes, mit vier riesigen Gesichtern geschmücktes Eingangstor) drängen sich heute viele Autos, Mopeds und TukTuks, um in die alte Hauptstadt zu gelangen und Güter sowie Touristen zu transportieren. Zur Besichtigung des Tempels Bayon benötigt man gut und gerne 2 Stunden, doch auch hier wuselt es von Tourgruppen, welche sich durch die engen Gänge und die steilen Treppenaufgänge drängen. Trotz allem ist auch dieser Tempel äusserst beeindruckend. Vorallem die unzähligen grossen, lächelnden Steingesichter (welche in alle vier Himmelsrichtungen schauen) an den Seitenwänden der Türme faszinieren uns.  

 

Nach einer kurzen Erfrischungspause im Schatten grosser Bäume machen wir uns zu Fuss auf zu den Baphuon und Phimeanakas Tempel, welche stärker zerfallen und weniger schön dekoriert sind als die Tempel, die wir vorab besichtigt haben. Sie sind jedoch in einer schönen, weitläufigen Gartenanlage mit kleinen Wasserbecken eingebettet und werden von der Elefanten- und Königsterrasse flankiert. Speziell die Elefantenterrasse weist wunderschöne Reliefs mit unterschiedlichen Szenen auf, welche jedoch im Vormittagslicht am Vortag um einiges besser zur Geltung kamen als heute. Bereits ist es Nachmittag, als wir den kleinen hinduistischen Tempel Ta Keo erreichen. Es war immer ein unvollendeter Tempel und daher fehlen hier auch die dekorativen Elemente, welche die anderen Tempel so faszinierend machen.

 

Weitaus besser hat uns daher der bereits recht in Mitleidenschaft gezogene Tempel Ta Prohm gefallen. Er befindet sich noch fast im selben Zustand in dem ihn die französischen Entdecker vorgefunden haben. Eingestürzte Gänge, von herabgefallenen Steinen versperrte Wege, wurzelumrankte Mauerwerke - Romantik pur. Erstaunlicherweise verteilen sich die Besucher dieses kleineren Tempels erstaunlich gut, so dass man auch mal für einen Augenblick alleine mit den alten Mauern ist. Dieser Tempel wurde als Filmkulisse für einen der Abenteuer von Lara Croft genutzt und hat so eine gewisse Bekanntheit erlangt. Im Gegensatz zu den meisten grossen Tempeln der Angkor Zeit ist Ta Prohm nicht einem Hindu Gott gewidmet, sondern buddhistisch geweiht. So sehen wir auch hier wieder buddhistische Mönche auf Urlaub und beim Selfies machen. Der Abschluss des Tages bildet am späteren Nachmittag der Tempel Banteay Kdei, wo wir sicher nochmals eine Stunde verbringen, denn dieser Tempel ist, ähnlich wie die kleinen Tempel am ersten Tag, stiller und wirkt im Abendlicht äusserst romantisch. Es ist ein flacher, fast ebenerdiger Tempel, welcher 1946 vom Dschungel befreit und sanft restauriert wurde, wodurch er sich eine schöne, verwunschene Atmosphäre erhalten hat.

 

Zurück in Siem Reap ist es schon am Eindunkeln und wir danken unserem Fahrer mit einem herzlichen "Okun" für die tolle Fahrt über die zwei Tage hinweg. Die Innenstadt von Siem Reap konzentriert sich vor allem um den Psar Chas, den Alten Markt, und das alte französische Quartier, wo sich die meisten Restaurants befinden. Hier essen wir vier Freunde ausnahmsweise mal nicht landestypisch, sondern libanesisch zu Abend. War sehr lecker. Mit dem kostenlosen Shuttle vom Hotel kommen wir auch am nächsten Tag problemlos in die Innenstadt, wo wir unseren Ausflug nach Battambang und die Weiterreise nach Thailand organisieren. Den Rest unserer zwei Erholungstage verbringen Jeannine, Adi, Markus und ich dann aber hauptsächlich im und am sehr grosszügigen Pool, in dem man problemlos Bahnen schwimmen und die gewaltigen Eindrücke der Tempelanlagen verdauen kann.