Neujahr 2016

Einmal den Norden im Winter erleben, den feinen Schnee, die trockene Kälte, Polarnacht und Dämmerlicht. Was liegt da näher als dies per Hundeschlitten zu machen? Wir fanden eine Möglichkeit dazu in der Nähe von Kittilä in Finnland. Dort bietet ein Hunde Kennel einen Grundkurs im Hundeschlittenfahren (Musher sein und selber ein Hundegespann führen) in Kombination mit einer geführten Tour von Wildnis Hütte zu Wildnis Hütte. Als Zusatz erkundet man am letzten Tag einen anderen Teil der Umgebung  mit dem Motorschlitten. Zugegeben, von unserer Warte aus wäre dieser Zusatz nicht notwendig gewesen, aber die Hundeschlitten Tour von einfacher Blockhütte zu Blockhütte überzeugte, zumal sie über die Neujahrstage stattfand.

Wir landeten bei warmen --6 Grad und reisten eine Woche später mit einer tollen neuen Erfahrung im Gepäck und kalten --36 Grad wieder ab. Kälte und Lichtverhältnisse waren eine Herausforderung, auch für meine Kamera. Trotz allem haben wir ein paar Fotos mitgebracht, welche hoffentlich eine Ahnung davon geben können, wie faszinierend der hohe Norden im Winter sein kann.

Die Tour überzeugte durch eine gute Leitung und tollen Teamspirit. Der Tag begann damit, dass wir den Holzherd in der Hütte einfeuerten und Wasser aufsetzten. Wasser für das Porridge und den Kaffee zum Frühstück, aber auch für die Katzenwäsche drinnen (Plumpsklo war draussen). In jeder Hütte hat es gekennzeichnete Eimer mit frischem Trinkwasser (aus dem Eisloch am See) und Schmutzwasser, welches man an einer speziell gekennzeichneten Stelle ausserhalb der Hütte abgiessen mussten. Während der eine Teil der Gruppe die Hütte in einen passablen Zustand versetzte, war ein anderer Teil der Gruppe damit beschäftigt den Hundekot mit einer Schaufel einzusammeln (wie im Pferdestall). Dann wurden die Schlitten gepackt. Die Hunde waren noch an den Bäumen gesichert, wurden aber langsam unruhig. Das Bepacken und Eingeschirren der Hunde geschah trotz Kälte in der Regel mit weniger Schichten Kleidung am Körper, denn die Anstrengung brachte einem zum Schwitzen und im Anorak konnte man sich gar nicht mehr bewegen. Die nach Obdachlosenheim und feuchtem Hund riechende Überkleidung war aber gegen die Kälte und beim stundenlangen Stehen und gelegentlichen Mitstossen des Schlittens sehr praktisch. Das Eingeschirren der Hunde war ein Kraftakt, und musste schnell geschehen, die Hunde sind in dieser Phase extrem unruhig, springen, bellen, und verheddern sich. Man muss die Spannseile des Nachtlagers zwischen den Bäumen einsammeln, gut darauf achten, dass der Schneeanker hält und irgendwann nimmt das Gebell einen ohrenbetäubenden Level an, dann heisst es auf den Schlitten stehen, denn nun wollen die Hunde rennen, sie reissen an den Schlitten, man zwängt sich noch in den Anorak, und während man noch die Überhandschuhe richtet, geht es los, manchmal noch mit gesetztem Schneeanker. Sobald jedoch alle Hundegespanne in Bewegung sind, wird es ruhig und die wunderschöne Landschaft gleitet an einem vorbei.

Nach ein paar Stunden wird in Kolonne gehalten, um das in der Brusttasche des Anorak mitgeführte, halb gefrorene Eingeklemmte zu essen und ein paar warme Schluck Tee aus der Thermoskanne zu sich zu nehmen. Nachdem man alle Pfoten seiner 4-beinigen Freunde kontrolliert hat und sie ihre kleine Portion Trockenfutter gegessen haben geht es weiter. Lange dauerte die Mittagspause nie, die Hunde wollen bald möglichst weiter, necken sich gegenseitig, beissen an den Leinen (Markus Leithund hatte die blöde Angewohnheit die Leinen durchzubeissen) verheddern sich erneut. 

Kommt eine andere Gruppe Schlittenhunde entgegen heisst es die Schlitten in den Graben fahren und dort umschmeissen und sich mit aller Gewalt in die Hundeleinen legen, damit sie sich nicht mit den anderen, vorbeifahrenden Hunden verheddern, denn sie legen einen wirklichen Rudeltrieb an den Tag und verbellen die vorbeifahrenden Hunde.

Nach weiteren Stunden kommt man im Verlaufe des Nachmittages bei der neuen Hütte an und zum Erstaunen aller wird es still, die Hunde wissen instinktiv, dass das Tagesziel erreicht ist. Man kann die Hunde in aller Ruhe ausgeschirren und an den eben gelegten Übernachtungsketten zwischen den Bäumen festmachen. Dort graben sie sich sofort eine Kuhle, in welcher sie die Nacht über schlafen. Man legt die Zugleinen säuberlich vor dem Schlitten aus (die gefrieren in der Nacht und man könnte diese nicht mehr korrekt richten am Morgen) und entlädt den Schlitten. Jeder Hund bekommt einen gefrorenen Mocken Fleisch zugeworfen, den er erstaunlich schnell verschlingt. So wird der Schlitten täglich auch leichter, denn man führt die Hunde- und eigene Nahrung mit sich mit. 

In der Hütte heisst es dann als erstes Feuer machen, damit es warm wird (Ess/Schlafbereich ist im gleichen Zimmer, es gibt eh nur ein Zimmer in der Blockhütte). Es wird Suppe aufgesetzt, sozusagen ein zweites, diesmal aber warmes Mittagessen. Die Ämtchen werden in der Gruppe verteilt erledigt: Holz hacken, Wasserloch aufhaken und Wasser holen, Sauna einheizen... Ja, das ist das beste überhaupt: jede Blockhütte hat auch eine Sauna und das ist gleichzeitig auch das Badezimmer. Nach einem Saunagang wäscht man sich draussen mit dem Schnee, und wenn die Sauna etwas grosszügiger ausgestattet ist, hat der Holzofen auch einen Wasserbehälter aus welchem man heisses Wasser ablassen und mit dem Eiswasser vermengen kann. Mit so einem Kessel lauwarmem Wasser kann man sich dann sogar (Überluxus!) die Haare waschen. Später, wenn alle in der Sauna waren, hängt man die Hundegeschirre in die Sauna (damit sie am kommenden Morgen weniger steif gefroren sind) und es wird gemeinsam Abendessen zubereitet. Nach dem Abendessen kann man die Führerin auf ihrem Rundgang begleiten, auf welchem sie das Befinden aller Tiere kontrolliert, oder einfach auf gut Glück nach Nordlichtern Ausschau halten. Der Abend geht bei Kerzen- und Paraffinlampenschein zu Ende, bevor man in den kuschligen Schlafsack kriecht.  

Das Hundelenken ist per se nicht schwierig, jedoch sind die Touristenhunde (entgegen den Leithunden der Führerin) eher aufs Rennen und weniger auf Kommandos getrimmt. Einfluss nehmen kann man nur durch Kufeneinsatz (Gewichtsverlagerung), Bremsteppich, -Kralle und Schneeanker. Und bloss nie den Kontakt mit dem Schlitten verlieren. Sollte es einem vom Schlitten schmeissen weil der Schlitten aus der Bahn kommt, dann heisst die Regel: festhalten und Schnee fressen! Ansonsten sind die Hunde mitsamt Schlitten weg - da hilft kein Rufen und Winken... und im hohen Schnee ist man aufgeschmissen, nix mit hinterher Rennen. Obwohl ich den Schlitten nach einer engen Kurve im Wald noch halten konnte, als es mich hinunterwarf und den Schlitten sogar umwerfen konnte (so stoppt er im Schnee und die Hunde können ihn nicht mehr wegziehen), sass mein Schneeanker nicht fest genug als ich den Schlitten wieder aufstellte. So konnten die Hunde mir den Schlitten aus den Händen reissen, der Schneeanker fasste nicht mehr und Hunde und Schlitten waren weg. Ich kämpfte mich aus einer hüfthohen Schneeschicht und kann nur von Glück reden, dass Markus hinter mir fuhr und mich seine Hunde auf seinem Schlitten mitnehmen konnten, bis wir zu meinem Schlittengespann aufschlossen, welches mittlerweile von der Führerin gestoppt wurde. Aber ein zweites Mal passiert einem das nicht mehr, jetzt weiss wie wichtig das Kontrollieren des Sitzes des Schneeankers ist und, dass man sich bereits beim Aufstellen des Schlittens quasi schon aufs Losfahren gefasst machen muss. In unserer kleinen Gruppe hat es fast jeden mindestens einmal geschmissen, und ich blieb auch nicht die Einzige, die den Kontakt zum Schlitten verlor.

Was uns am Meisten faszinierte war das Dämmerlicht der Polarnacht (oberhalb des Polarkreises geht die Sonne im Winter ja nicht auf). Es ist nicht immer dunkel, für ein paar Stunden am Tag reflektiert der Schnee ein Licht, welches von der hinter dem Horizont versteckt scheinenden Sonne herrührt. Dieses Licht verzaubert und gibt der ganzen Schneelandschaft eine besondere Stimmung, wenn einem der Fahrtwind ins Gesicht bläst und nur das Knirschen des Schnees unter den Kufen und den Pfoten der rennenden Hunde zu hören ist.