Weihnachten in Sa Pa

Nach einer kurzen Nacht in Hanoi werden wir gegen 7 Uhr vom Transferbus des SaPa Express am Hotel abgeholt. Kurze Zeit später wechseln wir vom Minivan in einen Sleeper Bus (obwohl es eine Tagesfahrt ist). Ein interessantes Erlebnis, allerdings für einen von uns vieren etwas unbequem. Markus musste sich im menschlichen Origami-Falten üben, denn die modernen Liegebetten sind für kleine Asiaten und kurzgewachsene Menschen im Allgemeinen gemacht. Jeannine und ich mochten die Tatsache, dass man auf der knapp 6-stündigen Fahrt die Beine hochlagern konnte. Mit modernen Bussen verbindet SaPa Express seit rund anderthalb Jahren die Hauptstadt mit dem ehemals verschlafenen Bergdorf, welches vor allem für seine Reisterrassen bekannt geworden, inzwischen aber auch bei einheimischen Erholungssuchenden beliebt ist.

 

Draussen regnet es, doch der Service und die Effizienz dieses modernen Buses überrascht mich positiv. Die Landschaft zieht an mir vorbei und ich schaue immer wieder für längere Zeit von meinem Buch auf und in die trübe Landschaft hinaus. Obwohl wir uns auf der gut ausgebauten Hauptroute nach China befinden, kann ich Bauern beobachten, welche im Regen die mit abgetretenen Erdwällen umgebenen, mit Wasser gefüllten, rechteckigen Felder pflügen. Teils wird vor den Pflug ein Wasserbüffel gespannt, teils von Hand gepflügt und Setzlinge gesteckt. Friedhöfe befinden sich auf leicht erhöhten Erdwällen, oberhalb der natürlichen Tümpel und Wasserreservoirs und der teils braunen und teils bereits frisch bepflanzten Reisfelder. Die meisten tragen den typisch geflochtenen, kegelförmigen Strohhut, der offensichtlich nicht nur vor Sonne sondern auch vor dem Regen schützt.

 

Langsam hört es auf zu regnen, wird hügeliger und in der Ferne sind höhere Berge zu erkennen. Ein breiter Fluss fliesst im Tal und wir fahren an strohgedeckten Bauernhäusern vorbei, vor welchen nun, nach dem Regen, die Ernte zum Trocknen ausgelegt wird. Papaya Bäume und Bananensträucher wachsen an den Hängen um die Höfe und dann fahren wir durch ein modern wirkendes Dorf, mit oft zweistöckigen, typisch schmalen Häusern mit eindrücklicher Fassade und Balkon oder Dachterrasse. In Hanoi verstehe ich, dass man schmale, in jede noch so kleine Baulücke passende Häuser baut, doch hier verstehe ich nicht ganz, warum auch die einzeln stehenden Häuser nie breiter sind als ein Zimmer und nur die Frontfassade schön verputzt und teils mit verschnörkelten Keramikelementen verziert ist. Irgendwann, knapp vor dem chinesischen Grenzgebiet, biegen wir von der Hauptstrasse ab und kommen ins Seitental, dem Sapa Valley, durch welches sich die Strasse in unzähligen Serpentinen in die Höhe windet. Der Blick wird frei auf die treppenartig angelegten Reisterrassen, welche an den steilen Berghängen den Reisanbau ermöglichen.

 

Nach einer herzlichen Begrüssung in dem unerwartet schönen und professionell geführten Hotel (Gem Sapa Hotel, Winterangebot zu weniger als 25 CHF für ein Doppelzimmer inklusive reichhaltigem Frühstück) begeben wir uns für eine erste Erkundung auf den Ham Rong Berg, der sich über der Stadt mit schön angelegter See Promenade erhebt. Ein Spaziergang führt hinauf, über zahlreiche verschlungene Wege, vorbei an einem Orchideenwald und Blumengärten, Picknickplätzen, kitschigen Hollywood Schaukeln und schönen Steinformationen. Eine Aussichtsterrasse am höchsten Punkt bietet eine schöne Sicht auf die Stadt und Umgebung. Da dieser Stadtpark als Touristenattraktion gilt, haben wir einen Eintritt von rund einem Franken zu entrichten, welcher sich allemal lohnt. Leider bleibt uns an diesem Tag der Blick auf den Fan Si Pan, den mit 3143 Metern höchsten Berg Indochinas, verwehrt.

 

Sa Pa ist für seine vier Jahreszeiten an einem Tag bekannt, so ist es am Morgen meist kühl und frühlingshaft, tagsüber sonnig und sommerlich warm, am Abend neblig und herbstlich und in der Nacht kalt wie im Winter. Somit freuen wir uns sehr über unseren Hot Pot, den wir im Hotelrestaurant essen konnten. Frisch zubereitet gab es erst Lachs Sashimi mit Gemüse und lokalen Gewürzen im Reispapier gerollt und anschliessend ein Chinesisches Fondue, welches hier eben Hot Pot genannt wird. Wir haben gelernt, dass man das Reispapier Sashimi wohl in Soya Sauce dünken darf, die Speisen die im Hot Pot gebadet haben jedoch in einer typisch vietnamesischen Sauce, welche vorzüglich schmeckt, zu schwenken haben. Zudem lernen wir, dass die Reisnudeln nie in den Hot Pot geworfen werden dürfen, da diese sonst zerfahren und den Geschmack der Brühe verfälschen, in welcher Gemüse und Fisch gekocht wird. Man schöpft sich einen Teil der Suppe in ein Schüsselchen und erst dort kommen die zum sofortigen Verzehr gedachten Nudeln hinein. Ganz anders, als wenn man harte Nudeln verwendet, welche erst noch gekocht werden müssen. So verbringen wir einen ersten lustigen und lehrreichen Abend mit gutem Essen in SaPa. Die super sympathischen und herzlichen Gastgeber im Hotel erklären uns in seidenfeinem Englisch und mit viel Humor alle Feinheiten und Gepflogenheiten der vietnamesischen Küche und kredenzten uns auch recht viel vom lokalen, mit Weihnachtsgewürzen verfeinerten Zimt-Reiswein.

 

SaPa liegt auf 1200 bis 1800 MüM und mausert sich derzeit grad zum St. Moritz Vietnams. Es hat sich in den letzten 2-3 Jahren offensichtlich stark verändert, und der dörfliche Charakter weicht langsam dem eines Touristenmagneten in den Bergen. Angehörige der ethnischen Minderheiten, die in der Umgebung wohnen (hauptsächlich Schwarze Hmong und Rote Dzao) versuchen Touristen im Zentrum ihre Handwerkskunst zu verkaufen. Schwarze Hmong erkennt man an ihrer Schwarzen Kleidung, inklusive schwarzer Beinkleidung, und die Roten Dzao an ihren roten Kopfbedeckungen, welche irgendwie an eine Mischung aus Kopftuch (geschlungen wie ein Badetuch um nasses Haar) und einer Weihnachtsmütze erinnert. Im Zentrum von Sa Pa wird derzeit viel gebaut, doch bereits schmücken eine kleine Grünfläche zwischen zwei noch im Bau befindlichen Strassen, ein offenes Amphitheater und eine Steinkirche den Dorfkern.

 

Wir haben eine kleine Wanderung (eher ein ausgedehnter Spaziergang) zur Besichtigung der berühmten Reisterrassen im Muang Ho Tal, südöstlich und unterhalb von Sa Pa gebucht. Diesen Spaziergang hätten wir sicher auch ohne Führung machen können, doch wir waren am Ende froh über den inkludierten Transfer über die dreckige und staubige Strasse zurück nach Sa Pa. Die Reisfelder sind abgeerntet und daher sieht man derzeit viele Nutztiere darin grasen, von Enten über Wasserbüffel bis Ziegen. Somit sind die Terrassen nicht strahlend grün sondern Dreck braun. Trotz allem grenzen die grün bewachsenen Ränder die einzelnen Terrassenstufen optisch gut ab und das Ganze ergibt ein schönes Gesamtbild. Der Spaziergang führt durch die Dörfer Linh Ho, Lao Chai und Ta Van. Der Eintritt (ja man macht hier mit allem Geld) in die einzelnen Dörfer ist in der Tour ebenfalls inbegriffen, doch vor allem die Hmong Frauen sind überaus eifrige Händlerinnen, Kleidung, Silberschmuck und Maultrommeln sowie Täschchen und andere Handwerksware versuchen sie einem auf sehr aufdringliche Art zu verkaufen. Und reagiert dann mal ein Tourist auf eine dieser Händlerinnen, in der Hoffnung, sie danach los zu werden, kann er sicher sein, dass darauf hin 5 neue auf Englisch auf ihn einreden und fragen, warum er denn nicht von ihnen kaufen wolle. Eine Händlermafia, vermutlich sogar mit Zuhälter im Hintergrund. Trotz teils schöner Ware stellt es uns bei diesem Ansturm ab und wir sind höchst unmotiviert irgend etwas zu kaufen, dabei haben uns einige Frauen sogar den ganzen Weg lang begleitet und immer wieder gezeigt, welch schöne Flechtarbeiten sie aus einfachen Gräsern vom Wegrand herstellen können.

 

Zurück im Hotel genehmigen wir uns eine Dusche und gehen dann hinunter zur Hotel-Weihnachtsparty, zu welcher wir eingeladen wurden. Keinen Rappen mussten wir für die Spiesschen vom Grill, den Salat oder die Maiskolben bezahlen, welche aufgetischt wurden, eine äusserst nette Geste des Hotels. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass es sich nicht um eine Weihnachtsfeier im eigentlichen Sinne, sondern eher um eine Party der Angestellten handelte, zu welcher die wenigen Gäste, die über die Festtage im Hause wohnten, ebenfalls eingeladen wurden. Reiswein wurde reichlich ausgeschenkt und die Musikanlage bis zum Anschlag aufgedreht und zwar nicht mit weihnachtlichen Klängen, sondern mit Vietnam-Technopop und Karaoke Gedudel. Ach herrje, aber lustig war es irgendwie doch und zum Glück sind wir hier nicht in Argentinien und kurz nach 9 Uhr wurden die Musikboxen wieder ausgeschaltet und verstaut. Wer wollte konnte dann noch in einer lokalen Disco weiterfeiern. Markus und ich verzogen uns aber zwecks privater Weihnachtsparty aufs schöne Zimmer und verbrachten den Restabend zwar ohne materielle Geschenke oder Schnee, dafür mit schöner Sicht über den beleuchteten See von Sapa und dem schönsten Geschenk überhaupt: unserer Liebe.

 

Am ersten Weihnachtstag begrüsst uns die Morgensonne mit voller Intensität und ein Blick hinauf in die Berge bestätigt: heute kann man auch den Gipfel des Fan Si Pan sehen. Kurzentschlossen machen wir uns nach dem Frühstück gleich auf zur Bahnstation der SunWorld Bahnen, welche den Berg seit 2016 mit einer Gondelbahn erschlossen haben. Der Spass ist nicht billig (rund 33 CHF pro Nase), aber den Preis absolut wert, vor allem bei solch herrlichem Prachtwetter wie heute. Wir nutzen somit die Gunst der Stunde und fahren von der Sun Station im Zentrum von Sa Pa mit einer Zahnradbahn rund 1.7km über einen Viadukt und zwei Tunnel zur Muong Hoa Talstation. Für uns Schweizer ist sowas nichts ungewöhnliches, doch für Asiaten soooo romantisch. Überhaupt wurde das gesamte Bahnhofsgebäude schon fast auf kitschige Art im Art Déco Stil angelegt, Wandgemälde zeigen Damen aus den 20-er und man könnte fast annehmen, dass die Bahn schon eine hundertjährige Tradition hat. Sehr Europäisch und mit einem Hauch Pariser Chic. Die Muong Hoa Talstation wiederum ist sehr schön angelegt und um zur Talstation der Gondelbahn zu gelangen, spaziert man durch schöne Gartenanlagen mit romantischen Herzen, Rosenbeeten und Hollywood Schaukeln sowie einer Aussichtsterrasse über die Reisfelder im Tal. Hier beobachten wir auch viele Brautleute, welche ihre Fotos in an Prinzessinnenkleider erinnernden Brautkleidern machen. In Asien werden die Fotos meist schon einige Wochen vor der Hochzeit gemacht, damit das Hochzeitsalbum des Paares, welches an die Hochzeitsgäste als Gastgeschenk übergeben wird, rechtzeitig fertig wird.

 

Mit der Gondelbahn, welche in Zusammenarbeit von Sun Group mit Doppelmayer und Garaventa sowie CWA Schweiz erbaut wurde, geht es nun auf den Berg. Gleich zwei Einträge ins Guinnessbuch der Rekorde schaffte diese Bahn, denn es ist die längste non-stop 3-Seilige Gondelbahn der Welt (6292 Meter lang) und weisst den grössten Höhenunterschied einer solchen auf (1410 Meter). Oben angelangt weht ein schon fast stürmischer, sehr kalter Wind, doch die Aussicht ist atemberaubend schön. Wir sehen hinüber zum Thac Ba Wasserfall (Silberfall) nordwestlich von Sa Pa sowie dem Deo Tram Ton Pass, eine Wetterschneide und gleichsam mit 1900MüM höchster Pass Vietnams. Viele Treppenstufen führen über verschiedene Aussichtsplattformen und vorbei an kleinen Tempeln, Pagoden und einem riesigen Buddha hinauf zum Gipfel auf welchem die vietnamesische Flagge (angeblich aus einer extra starken Stoffqualität) weht. Hier gibt es auch kleinere Flaggen, mit welchen man Selfies machen kann und diese werden auch rege genutzt. Die Fotoapparate und Mobile Phones klicken unaufhörlich, aber nicht zu unrecht, denn die 360° Rundumsicht über die bewaldeten Berggipfel und weit in die Täler mit braunen Flüssen hinein, ist überwältigend. Die schönen Bauten (Torbögen, Tempel und Pagoden) und Gartenanlagen auf dem Weg zum und vom Gipfel wirken für einmal nicht kitschig, sondern irgendwie weltentrückt, vor allem wenn Nebelschwaden vom Wind über die Bergrücken gepeitscht werden und die Pagoden im Himmel zu schweben scheinen.

 

Der Besuch des Fan Si Pan kann mit dem Besuch des Jungfraujochs verglichen werden, sowohl von der Weitsicht als auch von der Symbolik her, auch wenn es hier keine schneebedeckten Gipfel oder Gletscher zu sehen gibt. Definitiv ein Highlight unserer bisherigen Vietnam Reise. Wir geniessen auch die Sicht auf der Rückfahrt mit der Gondel, welche über unberührte Wälder und schöne Reisterrassen schwebt. Zurück im Dorf genehmigen wir uns auf dem Balkon eines Kaffees im Zentrum eine heisse Schokolade und einen leckeren Apfelkuchen. Noch einen weiteren sonnigen und erholsamen Tag verbrachten wir in SaPa, bevor wir uns auf den langen Weg zurück in die Hauptstadt und weiter nach Tam Coc in Zentralvietnam machten. Am Ende haben wir also schönere Weihnachtstage verbracht, als anfänglich gedacht. Trotz allem freuen wir uns  darauf, kommende Weihnachten zu Hause im Kreise unserer Familien zu feiern, mit allem was zu einem schöne klassischen Fest gehört: Samichlaus Tag mit Mandarinen und Nüssen, stimmungsvoller Adventszeit, Guäzli backen, Adventskranz und Adventskalender basteln, schön dekoriertem Baum und geselligem Essen in gemütlicher Runde, Weihnachtsmusik und Weihnachtsgewürzen in der Luft. Ach ja, und vielleicht sogar ein wenig Schnee...

 

Euch allen wünschen wir von Herzen eine entspannte Festtagszeit und einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches Neues Jahr voller schöner Momente. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Euch allen im neuen Jahr.