Von den Bergen in die Hauptstadt

Erst wurden wir in Luang Prabang im Hotel abgeholt und mit einem Tucktuck, mit welchem noch andere Touristen eingesammelt wurden, bis in ein Wohnquartier ausserhalb der Stadt gefahren. Dort hiess es umsteigen in einen Minivan. Das Gepäck wurde abenteuerlich, aber mit Plastikplane gut geschützt, auf dem Dach befestigt und der Minibus bis zur Maximalanzahl der Passagiere voll beladen. Markus stiess etwas an die Grenzen des ihm zur Verfügung stehenden Platzes, doch auf dem Klappsitz konnte er wenigstens seine Beine in den freien Bereich bei der Schiebetüre strecken, Adi hingegen stiess einmal sogar mit dem Kopf an der Decke an, als der Van ungebremst über eine Bodenwelle hüpfte. Ansonsten verlief die 4-stündige Fahrt besser als erwartet, trotz halsbrecherischer Überholmanöver (es scheint als wenn die Laoten genau wie die Kolumbianer durch den Berg und um die Kurve herum sehen könnten), schlechter Strasse und absolut inexistenten Stossdämpfern.

 

Unser Ziel ist Nong Kiao am Oberlauf des Nam Ou. Bis vor wenigen Jahren war der Fluss Ou von der Mündung mit dem Mekong in der Nähe von Luang Prabang schiffbar, doch nun wird hier von den Chinesen ein riesiges Wasserkraftwerk gebaut, um es genau zu nehmen, sogar deren zwei. Was die Bevölkerung davon hat, ist noch nicht ganz klar, da nun aber der Transport auf dem Fluss nicht mehr möglich ist, wurde eine Strasse gebaut (bzw. an der wird noch immer gebaut) und verbindet nun Nong Kiao in den laotischen Bergen mit der Aussenwelt. Wer will kann von hier mit den regulären Booten der Einheimischen noch weiter den längsten Binnenfluss hinauffahren. In der Umgebung können auch verschiedene Höhlen besucht werden, von denen viele während dem Krieg von der lokalen Bevölkerung als Schutzbunker genutzt wurden. Uns reichte jedoch schon der Anblick der rostigen Bomben, welche als Mahnmal aufgestellt sind, um zu erahnen, wie dramatisch die Situation gewesen sein musste. Hier im Norden sieht man nebst der laotischen Fahne auch immer wieder die kommunistische mit Sichel und Hammer. Laos war französische Kolonie, doch seit 1954 unabhängig, deswegen aber noch lange nicht geeint. Im Norden kommunistisch, im Süden eher kapitalistisch geprägt, bauten die kommunistischen Kräfte ihre Macht im Norden immer stärker aus und der Süden wurde von Frankreich militärisch beraten. Im Berggebiet zwischen Laos und Vietnam verliefen verschiedenste verschlungene Pfade, auf welchen sich die kommunistisch geprägten Guerillakrieger bewegten und Nachschub organisierten. Als Folge dessen führte die USA von 1964 bis 1975 ein damals geheimer Krieg in der Region. Mehr als 200000 Tote und ein schweres Trauma sind die Folge eines Krieges, welche die USA erst 1970 zugaben, überhaupt zu führen. Die USA bombardierte die Gegend um Nong Kiao schwer, und noch heute finden sich Blindgänger, die ihre Opfer fordern. Etwas, das man in der friedlichen Umgebung, die sich uns präsentiert, kaum erwarten würde.

 

Wir hatten für zwei Nächte ein süsses Bungalow direkt am Fluss gebucht. Auf Stelzen gebaut und in eine schöne Gartenanlage eingebettet, hat man von der privaten Terrasse einen freien Blick auf den Fluss, die Brücke und das Dorf Nong Kiao auf der anderen Flussseite. Schroff und eindrucksvoll umrahmen die steilen Karstberge das Flussufer und das verschlafene Dorf an der Mündung des Houay Houn in den Nam Ou. Auf den höchsten Berg des Ortes (Phadeng Peak / 1564m) führt ein kleiner, verschlungener Wanderweg und nach etwas mehr als einer Stunde erreicht man den Gipfel mit einer herrlichen Rundsicht. Der Aufstieg führt über teils rutschige Stellen, Steine und Wurzeln, und durch einen dichten Urwald, gibt aber immer wieder schöne Ausblicke auf die Umgebung frei. Oben angelangt genossen wir die tolle 360° Rundsicht über die sanften, bewaldeten Hügel, Flusstäler mit Reisfeldern und Gemüsegärten sowie Karstfelsen auf der anderen Seite des Flusses. Den Rest der Zeit genossen wir den Blick von unseren Terrassen, machten Yoga, lasen ein Buch und liessen uns laotische Spezialitäten im Restaurant auftischen. Auch das Bungalow selbst lud zum Entspannen ein und war mit Himmelbett (Moskittonetz) und überraschend heisser Dusche ausgestattet. Überhaupt waren wir froh, dass es eine heisse Dusche gab, auch über die zweite Decke auf dem Bett und den kleinen Heizstrahler daneben waren wir nicht unglücklich, denn hier in den Bergen kann es in der Nacht recht frisch werden. Die Umgebung und der Blick auf den ruhigen Fluss ist Erholung pur.

 

Die Rückfahrt von Nong Kiao nach Luang Prabang war ähnlich holprig wie die Hinfahrt, doch wir konnten auch die wechselnden Szenen entlang der Strasse gut beobachten. Während die einen den Acker noch mit Ochsengespann bearbeiten, rennen in grösseren Ansiedlungen geschäftige Herren mit Smartphone von Geschäft zu Geschäft, westlich gekleidete Frauen machen ihre Einkäufe in grossen, offenen aber gut bestückten Einkaufshallen und Jugendliche fahren teils zu dritt auf ihren Mopeds Slalom um die Schlaglöcher in der Strasse. Da noch die Woche der Hmong Jahresfeierlichkeiten ist, sieht man auch viele dieser Ethnien in ihren bunten Trachten. Es scheint aber auch die Woche der Hochzeiten zu sein und so sind direkt am doch sehr staubigen Strassenrand viele Kunstblumengirlanden aufgehängt, Plastiktorbogen in Herzform durch welche rote Teppiche führen und runde Tische, mit Tischtuch, kitschiger Deko und meist auch Bierflaschen in der Mitte, so dass sich alle gleich bedienen können. Einige Gäste sind schon eingetroffen und je nach Familie in Tracht oder aber in schöne Abendkleider gekleidet, was in dieser staubigen Umgebung irgendwie grotesk wirkt. Im Bus plapperten derweil die Frauen, die sich alle in den vorderen Bereich des Minibusses gequetscht hatten und machten quasi ihre eigene Party. Sie schienen sich alle zu kennen und futterten gemeinsam Maku Nüsse, welche hier im Urwald wachsen und offensichtlich sehr schmackhafte und nährstoffreiche Samen enthalten, welche jedoch nur aus der Nuss zu bekommen sind, indem man zwei Nüsse unaufhörlich aneinanderschlägt.  

 

Es ist interessant das Leben entlang der holprigen Strasse zu beobachten, stimmt aber manchmal auch traurig, denn einigen recht imposanten und neu wirkenden Bauten finden sich ärmliche Behausungen, es ist schmutzig, staubig und stinkt immer mal wieder wie wenn jemand das Feld frisch gedüngt hätte. Hühner, Hunde und Ziegen rennen genau wie die Kinder kreuz und quer über die Strasse, Mopeds fahren zwischen entsetzlich qualmenden Lastwagen und die Luftqualität nimmt stetig ab. Traurig stimmt uns auch, die Problematik mit dem Müll zu sehen. Achtlos wird alles weggeworfen, da wo es liegen bleibt, bleibt es dann auch liegen und Plastik verrottet ja bekanntlich nicht. Aber vermutlich ist nur uns dies bekannt und wir fragen uns wo das hinführen wird. Wissen wollen wir es nicht unbedingt, manchmal sehen wir auch wie Müll verbrannt wird, was dabei für Giftgase entstehen, wollen wir uns genauso wenig vorstellen, wie was alles in den Boden und am Ende ins Grundwasser sickert. Schade, dass diese Entwicklung auch vor diesem Land nicht Halt macht. Die schnatternden Frauen im Bus scheinen sich an der Müll Problematik auch nicht zu stören, oder nehmen diese auch gar nicht war, denn leider werden während der Fahrt weiterhin die Plastikverpackungen von Chips und anderen Fressalien einfach aus dem Fenster geworfen.

 

Im Bus können wir dann auch noch eine Szene beobachten, welche an eine Seifenoper erinnert und für die man keinen Untertitel braucht. Eine der schnatternden, sehr herausgeputzten und in Lederjacke gekleideten Frauen spielt ständig mit ihrem Smartphone oder macht Selfies, wenn sie nicht grad telefoniert. Dazwischen wird gequatscht und gelacht und dann wollen sie Musik abspielen. Der Busfahrer hat einen kleinen runden Lautsprecher, welcher seine Energie aus der Steckdose des Zigarettenanzünder bezieht. Durch das Holpern hüpft nicht nur der kleine, runde Lautsprecher stetig herum, auch die Stromversorgung fällt immer wieder aus. Die Lederjacken-Dame sucht dann Titel aus (schönster Lao Pop, oh Herz/Schmerz), die Kassiererin verbindet dann das Smartphone per Bluetooth auf die Lautsprecherbox und alle (ausser den anderen Reisenden) freuen sich über die Musikbeschallung, bis das Gerät wieder aussteigt und die Verbindung neu aufgebaut werden muss. Irgendwann beginnen sich Chauffeur und Kassiererin (welche offensichtlich eine Freundin der Lederjacken-Dame ist) zu zanken und im letzten Moment schnappt sich die Kassiererin noch die Lautsprecherbox, bevor der Chauffeur das Stromkabel völlig entnervt aus dem Fenster wirft. Dann ist erst mal saure Stimmung, doch die heitert sich bald wieder auf, als weitere Frauen, ebenfalls herausgeputzt, einsteigen. Es scheinen sich alle zu kennen, die Musik läuft jetzt direkt vom Handy und die volle Frauenpower richtet ihre Aggression mehrfach gegen den Chauffeur. Einmal fängt dieser fast eine Kopfnuss ein, als er mal wieder nicht rechtzeitig einem Schlagloch ausweichen kann und alle durchgeschüttelt werden. 

 

Nach einer guten Nacht in Luang Prabang (wieder im Hotel Jasmine: jasmineluangprabanghotel@gmail.com) und einem laotischen Fondue (unten dämpft das Fondue Chinoise und oben brutzelt der Tischgrill) werden wir am nächsten Morgen mit extra frühem Frühstück überrascht und dann von der Busgesellschaft abgeholt. Das scheint hier zum Standard zu gehören, anstelle einen nicht zu findenden Treffpunkt mit dem Bus zu suchen, wird man in der Unterkunft abgeholt. Diesmal stellt sich aber heraus, dass der Minivan, der uns abholt, auch der ist, der uns in die Hauptstadt Vientiane bringen soll. 1975 wurde die Monarchie abgeschafft und die Laotische Demokratische Volksrepublik ausgerufen. Der Machtwechsel in Vientiane bedeutete für Laos in vielerlei Hinsicht eine Zäsur, erstmals seit 20 Jahren befand sich das Land im Frieden und die Teilung des Landes wird aufgehoben. Leider wird das Versprechen der Regierung, einem laotischen Weg zu folgen nicht erfüllt, dafür mit Traditionen wie der Monarchie oder dem Buddhismus als Staatsreligion gebrochen und viele Repräsentanten des alten Regimes fliehen über den Mekong, um Umerziehungslagern zu entkommen. Eine marode Wirtschaft und die Kollektivierung der Landwirtschaft sind weitere Probleme mit denen Laos zu kämpfen hatte. Mit dem "neuen Denken" wurde in den 90-ern der schleichende Übergang von Plan- zu Marktwirtschaft eingeleitet, doch das Entwicklungsgefälle zwischen Stadt und Land nimmt weiter zu. Wirtschaftlich geriet Laos in die Abhängigkeit von Thailand, wird aber 1997 Mitglied der ASEAN, was ein Ausweg aus der wirtschaftlichen Isolation bedeutet. Ein Generationenwechsel prägte die Wahlen von 2016, doch am Anspruch der Partei auf Alleinherrschaft wird nicht gerüttelt. Vielmehr wird den Vorbildern Vietnam und China nachgeeifert, die gegenwärtig erfolgreich Wirtschaftswachstum mit autoritärer Herrschaft kombinieren. Doch unter der Oberfläche brodelt es, nicht alle Laoten sind glücklich über den drohenden Ausverkauf des Landes an Vietnam und China. Während die vietnamesische Holzindustrie illegal laotische Wälder abholzen lässt, sind chinesische Bergbauunternehmen im ganzen Land aktiv und suchen nach Bodenschätzen. Teilweise wird auch von Aggressionen gegen chinesische Bergbauunternehmen berichtet, welche sich vor allem entlang der Verbindungsstrasse von Luang Prabang nach Vang Vieng häufen sollen. Zum Glück bekommen wir davon aber nichts mit, wir schaukeln und holpern in unserem Van durch die Gegend, schrauben uns immer höher die Strasse hinauf und gelangen auf Passhöhe an eine Aussichtsterrasse, wo ein Verpflegungs- und WC Stopp eingelegt wird. Hier befinden wir uns auf rund 1880MüM und geniessen die frische Luft und Sicht über das Wolkenmeer, welches sich uns hier präsentiert.

 

In  Vang Vient hielt der Van plötzlich an. Erst hiess es aussteigen, dann sitzenbleiben, dann doch aussteigen. Wir bekamen unser Gepäck und durften auf einem Bänkli im Schatten Platz nehmen, wo wir erklärt bekamen, dass hier das Fahrzeug gewechselt werde und die Fahrt in die Hauptstadt in ungefähr einer Stunde weitergehen soll. Nach einer Stunde fuhr dann eine Art Golfwagen mit drei Sitzreihen vor und wir nahmen mit anderen Reisenden zusammen Platz. Markus und ich waren im Wägeli, aber Jeannine und Adi wurden angewiesen zu warten, das Wägeli werde in 5 Minuten zurück kommen. Wir fuhren dann auf einen riesigen Parkplatz wo schon einige grosse Busse warteten und wurden an einen der Busse verwiesen, wo wir unser Gepäck im Gepäckfach verstauen und dann einsteigen durften. Wie bisher bei jeder Fahrt in Laos hatten wir kein Ticket, man wird einfach immer weitergereicht und hofft, dass keiner nach einem Fahrschein fragt. Hat bisher auch gut geklappt, denn zumindest hatten die Busfahrer irgend eine Liste mit Namen, doch hier herrschte das Chaos. Ich tippte ein SMS an Adi, von wegen, der Bus sei voll (Markus und ich ergatterten die letzten Plätze), dass daneben aber noch jede Menge Busse stehen würden und wir uns daher wohl am ehesten wieder an der Busstation in Vientiane sehen würden. Was wir zu dieser Zeit noch nicht ahnten war, dass der Golfwagen nicht wie versprochen 5 Minuten später wieder bei Jeannine und Adi und den anderen wartenden Reisenden vorfahren würde, sondern eine geschlagene Stunde später. Nachdem einige laotische Reisende sich beschwerten, wurden sie zwar abgeholt und zum grossen Parkplatz gefahren, doch inzwischen war da natürlich kein Bus mehr. Nach einer weiteren Stunde auf dem staubigen Parkplatz fuhr dann aber (hier wird alles ad hoc organisiert) doch noch ein Bus vor und brachte Jeannine und Adi ebenfalls in die laotische Hauptstadt. Inzwischen hatten wir das Zentrum erreicht und durften nach 2x vier Stunden Busfahrt aussteigen. Zu unserer Überraschung verriet uns Maps.me, dass wir keine 350 Meter von unserer Unterkunft entfernt waren. Wir freuten uns über das saubere und schöne Zimmer in einer ruhigen Nebenstrasse, aber noch viel mehr über das Wiedersehen mit unseren Freunden, welche einige Stunden später auch eintrafen.

 

Vientiane entpuppt sich trotz über 800^000 Einwohner als relativ ruhige Stadt, schmiegt sich an eine 12km lange Biegung des Mekong und besteht hauptsächlich aus zweistöckigen Ladenhäuser und 60-er Jahre Bauten, wobei auch hier ein Bauboom zu spüren ist. So entstand unlängst eine einfache, aber nette Promenade am Fluss, ein kleiner Stadtpark in dem ein Nachtmarkt stattfindet und es wird auch die allgemeine Infrastruktur ausgebaut. Natürlich bringt die Bautätigkeit auch negative Folgen wie aufkommendes Verkehrschaos und Immobilienspekulation mit sich. Zwischen den Grossbaustellen und älteren Häusern finden sich auch einige Tempelanlagen, aber das eigentliche Zentrum besteht nur aus zwei grösseren und einigen kleineren Strassen, welche vom Mekong Ufer her abzweigen. Hier haben sich verschiedene Restaurants und Kaffees angesiedelt und wir geniessen den französischen Einfluss auf die Kaffeekultur erneut, nebst leckeren Pain au Chocolat gibt es Baguette, Croc Monsieur und Quiche Lorraine. Wir verbringen einen gemütlichen Tag und packen danach unsere Sachen flugzeuggerecht, denn morgen geht es mit der Lao Air nach Hanoi in Vietnam.