Cape Breton

Nach unserer ersten Nacht auf Cape Breton, im Nordosten von Nova Scotia nieselt es noch immer, manchmal regnet es auch und die Wolken hängen tief. Ein Kanadier spricht uns an und gibt uns gerne Tipps für die Besichtigung der Dörfer und Strände entlang des Ceilidh Trail. So fahren wir nach Port Hood und dort für ein frühes Mittagessen in ein Restaurant, welches dem "Nova Scotia Chowder Trail" angeschlossen ist. Ein unerwartet modernes Ambiente, aber gute regionale Küche. Draussen hört es langsam auf zu regnen und wir fahren der Küste entlang durch West Mabou Harbour und dann weiter nach Glenville. Markus freut sich schon seit längerem darauf, die einzige Rare Single Malt Whisky Destillerie Kanadas zu besuchen. Nach schottischem Vorbild wird hier auf Nova Scotia das exklusive Getränk hergestellt. Wir kommen gleich rechtzeitig zur Führung und können die Destillerie Glenora besuchen. Hier wird "Glen Breton" hergestellt und nebst der Führung durch die Destillerie gibt es auch ein Pub, wo eine Ceilidhs Band musiziert und man die Erzeugnisse verkosten kann. So kommt Markus dann auch zu seinem Flight (Verkostungsset). Hier, wie an der gesamten Küste des Ceilidh Trails wird die Gaelic Kultur und Sprache gelebt.

 

Während unserer Tour lernen wir einige bekannte und einige neue Dinge über den Single Malt Whisky. Hier wird die traditionelle Kupferkessel Herstellung angewendet und drei Zutaten verwendet: Gerste, Hefe & Wasser. Zubereitung und Zutaten sind wie beim Single Malt Scotch, doch Scotch darf nur heissen, was aus Schottland stammt, daher heisst es hier Single Malt Whisky. Die Aromen sind ausgewogen aber mit Feuer und einer Tendenz zu Karamell, Erika, Honig und Ingwer sowie Untertönen von getoastetem Holz und Torf. Farblich je nach Lagerzeit von goldgelb bis bernsteinfarben. Neu für mich war die Tatsache, dass gekeimte Gerste auch "green malt" oder "malted barley" genannt wird (grüner Malz). Dieser wird etwa 25cm dick auf Maschendrahtgittern ausgelegt und darunter glüht mit etwa 5m Abstand ein Torf Feuer. Während dem Trocknungsprozess im typisch schottischen Gebäude, das eine spezifische Pagodenform aufweist, nimmt die Gerste den berüchtigten, rauchigen Torfgeruch an, welcher schottischen Whisky so unverwechselbar macht. Je nach Fässern, welche danach verwendet werden (z.B. Sherry Fässer vs. Rotwein Fässer) nimmt das Endprodukt seine spezifische Farbe und Geschmacksnote an. An der Küste Schottlands werden zum Beispiel auch die Türen der Lagerräume bei Stürmen gegen das Meer hin geöffnet, damit die Fässer den so spezifischen Geschmack von Seewasser (Seaspray) sowie Algen annehmen und an das Endprodukt abgeben können (gut bekannt bei Isle of Sky, Talisker). Dann folgen natürlich Jahre der Lagerung in den Fässern, single cask by single cask. Mich fasziniert das Handwerk hinter dem Produkt, und Markus hebt zudem hervor, dass das Entwickeln eines neuen Produkts unglaublich lange, manchmal eine Generation lange dauert, da das neue Endprodukt oft erst nach 20 - 25 Jahren fertig ist und sich erst dann zeigt, ob es so geworden ist, wie man es wollte, bzw. ob sich eine Neuerung wie gewünscht auswirkte. Diese Dauer aber impliziert auch einen ganz anderen Arbeitsstil, dieses Handwerk hat mit Tradition und Musse zu tun und Hektik oder unüberlegte Schnellschüsse sind hier fehl am Platz. Was das Endprodukt zudem verteuert ist der "Angel Share" (Verdunstungsverlust). Nach 20 Jahren ist die Hälfte des Fasses verdunstet. Hier weitere Fakten zu Unterschieden und Fertigungsprozessen, wie sie uns erklärt wurden:

 

Herstellungsprozess von Single Malt Whisky (from malted barley and from one distillery only)

  1. Malting Barley / Gerste keimen lassen: aus Gerstenstärke wird Zucker. Gerste wird am Boden ausgelegt, mit Wasser genässt und beginnt zu keimen. Während dieses Prozesses muss es regelmässig gewendet werden, damit es nicht zu faulen beginnt.
  2. Kiln Building / Prozess im pagodenartigen Räucherhaus: Die gekeimte Gerste (grüner Malz) wird hier über Torffeuer getrocknet, der Rauch dringt in die Gerstenkörner ein und stoppt die Gärung.
  3. Grist Mill / Mühe: Hier wird das Zuckermehl von den Hülsen getrennt.
  4. The Mash House / Weiterverarbeitung: Das Mahlgut wird in einem Masche Fass eingeweicht und verrührt, das heisse Wasser löst den Zucker und das Zuckerwasser sickert in den nächsten Bottich, während die festen Stoffe aufgefangen und später zu Tierfutter verarbeitet werden.
  5. The Wash House / Vergärung: Das Zuckerwasser wird abgekühlt, bevor es ins Waschbecken fliesst. Hier wird Hefe zugefügt, was die Flüssigkeit zu 9% Alkohol vergärt. Dieses Alkoholwasser kann so aber noch nicht gereift werden und muss daher noch destilliert werden.
  6. The Still House / Destillation: Der Destillierungsprozess separiert das Wasser vom Alkohol. Im Kupferkessel wird das 9% Alkoholwasser zum Kochen gebracht, da Alkohol vor dem Wasser kocht (also unter 100°C), steigt auch als erstes der Alkoholdampf auf und kühlt zu flüssigem Alkohol ab. Nach der ersten Destillation ist aus 9% schon 22% Alkohol geworden. In einem zweiten Destillationsprozess wird dieser auf 70% erhöht.
  7. Maturing Whisky / Reifeprozess: Eichenfässer werden nun mit der Flüssigkeit namens "New Make" befüllt. Jedes Fass wird nummeriert und zur Reifung eingelagert. Dieser Spirit muss nun für mindestens 3 Jahre gelagert werden, bevor das Produkt Whisky genannt werden darf. 

Weitere Informationen zu Unterschieden zwischen den Whisky Sorten dieser Welt:

  • Etwa die Hälfte der traditionellen Whisky (Scotch, Irish, Canadian & American) sind Scotch, aber nur 3.5% rare single malt Scotch.
  • Single Malt Scotch besteht aus gekeimter Gerste und lagert durchschnittlich zwischen 5 und 21 Jahre in einem genutzten Bourbon oder Sherry Fass. Er hat einen rauchigen, torfigen Geschmack, ist unvermischt und nach traditioneller Methode in einer einzigen Destillerie hergestellt.
  • Blended Scotch: Das ist eine Mischung aus verschiedenen Single Malt und/oder Getreide Whisky, welcher für mindestens 3 Jahre gelagert wurde.
  • Irish Whisky: wird aus verkeimter und unverkeimter Gerste, Korn und Roggen hergestellt. Irish Whisky werden in der Regel 3x destilliert und lagern 9 Jahre in bereits genutzten Sherry, Bourbon oder Brandy Fässern.
  • Kanadischer Whisky: wird seit 1830 gebraut und die Tradition wurde von schottischen Einwanderern eingeführt. In der Regel ein vermischtes (blend) Produkt aus Korn, Roggen, Gerste und für 6 - 8 Jahre in Eichenfässern gelagert.
  • Amerikanischer Whisky: Hier sind 4 Typen zu unterscheiden. Der bekannteste ist der "American Blended" und enthält mindestens 20% Bourbon. Der "Bourbon" besteht hauptsächlich aus Korn und wird in neuen, verkohlten Eichenfässern gelagert. Der "Tennessee" ist Bourbon, welcher durch Holzkohle gefiltert wurde und so einen milderen Geschmack bekommt. Der "Rey" ist ein harter Whisky welcher zu mindestens 51% aus Rogge besteht.
  • Weitere Länder sind in die Produktion von Whisky eingestiegen, wie überall hat auch hier China viele der traditionellen Destillerien aufgekauft, doch einige der besten der weltweit ausgezeichneten Single Malt Whisky kommen interessanterweise aus dem Land des Sake, aus Japan.

Nach dem Besuch der Destillerie fahre ich uns zu einem Übernachtungsplätzchen am Margaree Harbour. Bei weiterhin betrüblichem Wetter ist auf dem abgeschiedenen Parkplatz unterhalb des Leuchtturms kaum Betrieb und wir verbringen hier eine ruhige Nacht, lauschen den Wellen hinter den Dünen und blicken auf die entfernten Lichter der Hafenanlage. Unter der Bettdecke lese ich noch ein paar Seiten im über 100jährigen Klassiker "Anne of Green Gables", welcher auf amüsant altmodische und dennoch flüssig zu lesende Art das Leben der Weisen Anne Shirley erzählt. Ein fiktiver Roman welcher auf Prince Edward Island spielt und auf blumigste Art die Schönheit und Liebe zu diesem Land widerspiegelt: "Rich sienna colored soil nourishes luminous green pastures and shores are lined with rose and golden sand, a patchwork of lush rolling fields, tidy gabled farmhouses and seaside villages." Anne of Green Gables ist für die Atlantik Provinzen Kanadas sowas wie Heidi für uns Schweizer. Am nächsten Morgen klart das Wetter auf und erlaubt uns einen kurzen Strandspaziergang... und irgendwie sieht hier die Landschaft ähnlich aus wie im Roman von Lucy Maud Montgomery. In Cheticamp begrüsst uns die Sonne und da dieses Dorf erst 1949 durch eine Strasse erschlossen wurde, hat es sich seinen Arcadian Charme erhalten, wobei die überraschend grosse Steinkirche Eglise St. Pierre hervorsticht. Man erwartet in so einem kleinen Dorf einfach keine Kirche dieses Ausmasses, dafür wirken die weissen Holzhäuser wunderbar herausgeputzt und das Wasser im Hafen ist spiegelglatt. Kein Lüftchen weht und die Temperaturen sind überraschend mild. In einer Bäckerei bekommen wir ein gutes französisches Croissant und gestärkt machen wir uns auf, den berühmten Cabot Trail, welcher hier beginnt, zu erkunden.

 

Der Cabot Trail schlängelt sich entlang des Cape Breton Highlands Nationalpark welcher mit seinen 950 km2 einen speziellen ökologischen und landschaftlichen Bereich am nördlichen Ende von Nova Scotia schützt. Spektakuläre Ausblicke über steile Klippen und den unendlich wirkenden Atlantik, sowie tiefe Flusstäler, kleine Seen, Moorlandschaften und fast 400 Meter hohe, meist bewaldete Highlands bilden eine spezielle Symbiose. Wir nehmen uns Zeit für die Fahrt, halten bei den Aussichtsplattformen, den Informationswegen und geniessen ein Picknick. Am Nachmittag ist es schon fast sommerlich warm und das klare Meerwasser glitzert verlockend unter den Klippen. Wir lassen es uns nicht nehmen den bekannten Skyline Trail zu besuchen, welcher sich als landschaftlich reizvollen, 8km langen Spaziergang entpuppt. Angeblich soll es in diesem Gebiet Luchs, Kojote und sogar Schwarzbären geben, doch wir sehen nur ein paar Wildhühner, welche sich von unserer Anwesenheit wenig beeindruckt zeigen. An einem Moor blühen noch vereinzelt fleischfressende Pflanzen und Orchideen. Beides mag merkwürdig klingen und erstaunt angesichts des rauen Klimas, doch auch in der Schweiz gibt es ja Kannenpflanzen und Venusfliegenfallen sowie den Frauenschuh und andere Orchideen. Hier heisst eines der Insekten fressenden Pflänzchen "Pitcher Plant" und lockt oben mit einer schönen, braunroten Maroni-grossen Blüte und unten mit dem tödlichen Kelch, welcher an sich schon fast als Magen dieser Pflanze bezeichnet werden kann. In diesem mit Verdauungssekret gefüllten Kelch rutschen die Insekten und kommen nicht mehr raus. Andere Pflanzen wie die "Sundew" haben klebrige Blätter, die wie Fliegenpapier funktionieren (Insekten bleiben kleben), worauf die Pflanze die Blätter einrollt und das Insekt verdaut. Naja, Mücken hat es auch jetzt noch genug, sollen die Pflanzen bloss genug davon essen. Aber nicht nur das ist ein Kraftakt für die Pflanzen die in diesen kargen Gegenden leben, das Produzieren einer Blühte ist für die Orchideen hier im Norden eine Höchstleistung, manchmal dauert es 14 Jahre um so ein kleines Prachtexemplar hervorzubringen, um sich am Ende fortzupflanzen. In einem der Teiche schwimmt auch wieder eine "Common Loon", eine schön gefärbte Ente, die mich schon fasziniert hat, als ich sie in den Kanadischen Rockies das erste Mal war genommen habe. Sie ist schwarz/weiss gefärbt und hat ein zebragestreiftes Halsband sowie schachbrettartige Federn am Oberkörper. Angeblich kann dieser elegant schlanke Vogel bis 100 Meter tief tauchen, isst Frösche, Insekten sowie Pflanzen und hat es sogar zum Status eines Nationaltieres gebracht. Dieser Vogel ist auf der kanadischen 1 Dollar Münze abgebildet, weswegen die Kanadier ihre 1 Dollar Münze auch "Loonies" nennen.

 

Gegen Abend finden wir auf dem "Hideaway Campground" in der Nähe von South Harbour, leicht erhöht über einer schönen Bucht und mit Blick auf die Aspy Bay bzw. den Atlantik ein schönes Plätzchen und aus einer werden zwei, drei und weitere Nächte. Von hier lässt sich die Gegend prima erkunden und gleichzeitig so herrlich entspannen. Das Wetter wurde täglich besser und wärmer, richtiges Sommerwetter mit Badetemperaturen und das Meerwasser war viel weniger kalt als erwartet, sogar Markus ging schwimmen. Wir verbrachten wirklich schöne, ruhige und friedliche (kaum Mücken) Tage hier, aber auch eine leichte Melancholie mischte sich ein. Vor rund 11 Monaten haben wir beide zusammen mit Baby Bobil unsere Reise durch Süd- und Nordamerika in Uruguay gestartet und nun verbringen wir hier die letzten Tage dieser Reise, bevor wir Baby Bobil ab Halifax zurück nach Europa verschiffen werden. Wie schnell die Zeit verging, wie sehr wir uns an unser Zuhause auf 4 Rädern gewöhnt haben, wie viel wir sehen und erleben durften. Was für ein Glück wir doch haben, und wie schade, dass diese Reise sich schon dem Ende zuneigt.

 

Während unserer Zeit am äussersten Ende von Nova Scotia, besuchen wir unter anderem Meat Cove, am äussersten Ende von Cape Breton, Far North sozusagen und schon fast mit Blick nach Neufundland, obwohl, wir können nur bis St. Paul Island sehen. Neufundland ist rund 6 Stunden Fahrt mit der Fähre entfernt. Hier ist der blanke Fels nur mit minimalem Bewuchs bedeckt, doch selbst hier gibt es einen Campingplatz für kleine Camper Vans und Zelte, sowie ein Restaurant mit gutem Angebot an Seafood sowie eine geschützte Kiesbucht. Hier gehe ich dann auch zum ersten Mal schwimmen und bin überrascht wie warm sich der angeblich kalte Atlantik anfühlt, das Wasser ist klar, die Tagestemperaturen hochsommerlich und wir geniessen Badeferien im Herbst an einem dafür ungewöhnlichen Ort. In den kommenden Tagen finden wir verschiedene kleine Buchten mit Sand oder Kiesstrand aber immer klarem, herrlich blauen Wasser, manchmal aber auch raue Felsen an denen sich unter hohen Klippen die Wellen brechen. Besonders gefallen haben uns die Klippen von White Point, aber auch das Schauspiel der Wellen, welches wir noch lange bewunderten, nachdem unser Glacé schon längst verspeist war. Ein wunderbarer Anblick wie sich die brechenden, weiss schäumenden Wellen vor dem unendlichen, bis zum Horizont reichenden Blau des Atlantik abzeichnen. Ein Leckerbissen für das Auge.

 

Einen Leckerbissen der kulinarischen Art gibt es auf unserem Campingplatz. Der Besitzer hat nämlich eine eigene Austernfarm. Obwohl an der Westküste (beim Golf von St. Lawrence) und im Speziellen um Mabou herum davon abgeraten wird Muscheln zu essen, sind die Gewässer hier an der Nordspitze klar und rein. Uns wird erklärt, dass offensichtlich übermässiger Gebrauch von Dünger am Golf zu Gewässerverunreinigung führt, hier im Norden und um die Aspy Bay dieses Problem jedoch nicht besteht, denn einerseits ist dieses Gebiet vom Nationalpark umschlossen und andererseits gibt es am Nordende der Insel keine Landwirtschaft. Zudem, so erklärt uns der Besitzer, während er die frischen Austern gekonnt knackt, auslöst und auf ihren Hälften auf dem Teller drapiert, bringe der Atlantik gutes, sauberes aber auch nährstoffreiches Wasser in die Bucht.

 

Austern leben Vorzugsweise in Gezeiten Zonen wo die permanente Bewegung des Wassers stets frisches Plankton heranführt. Daher sind Flussmündungen ein idealer Lebensraums. Austern akkumulieren Umweltgifte, daher werden die Gewässer rund um Austernzuchten auch ausgesprochen genau kontrolliert. Das man tote Austern nicht essen soll ist allgemein bekannt, sie müssen beim Öffnen der Schale noch leben, sonst droht Vergiftung. Um ausreichend Nährstoffe zu filtern pumpen Austern bis zu 240 Liter am Tag durch ihren Körper. In Europa mussten ja bereits viele Austernregionen wegen den Gewässerbelastungen schliessen, am Mittelmeer ist die Zucht fast zum Erliegen gekommen. Die meisten Austern in Europa stammen heute aus Frankreich, wobei es sich dabei interessanterweise um die Pazifische Felsenauster handelt. Fines de Claire ist dabei die Standardqualität (diese Austern haben mehrere Wochen lang in sauberen Klärbecken gelegen und haben einen sehr reinen, neutralen Geschmack), Huitres Sauvages sind sehr grosse Austern, welche sich nicht zum Schlürfen, sondern zum Kochen eigenen. Während in Europa mittlerweile die Pazifische Felsenauster eher Standard ist, gehört die Belon Auster zu den Europäischen Austern, sie klebt nicht an Felsen, sondern lebt im Schlick des Belon Flusses und gilt als Delikatesse. Europäische Austern weisen eine eher flache, symmetrisch runde Schalenform auf und beide Schalenhälften sind ähnlich geformt. Die Pazifische Auster hingegen weisst eine vielmehr bauchige, unsymmetrische und längliche Schalenform auf, eine Schalenhälfte ist unverkennbar bauchiger, die andere flach wie ein Deckel. Die Schale ist grob, schuppig und zerfurchen. Die Amerikanische Auster der Ostküste (Atlantik) wiederum gehört in die gleiche Kategorie wie die Pazifische die in Europa angebaut wird. Während die Europäische Auster schon seit Jahrtausenden auf dem Speiseplan von einfachen Küstenbewohnern wie auch Adelshäusern stand, ist die viel einfacher zu kultivierende Pazifische Auster erst seit den 70ern in Europäischen Küstengewässern beheimatet. Generell wird gesagt, dass man Austern nur in den Monaten mit "R" essen soll (September bis April), das kommt daher, dass die Austern im Sommer laichen und somit verändert dies die Konsistenz des Fleisches, zudem wirken sie weisslich. Doch bei Pazifischen, im Gegensatz zu den Europäischen Austern, dauert diese Periode nur wenige Tage und Austernfarmer mit dem notwendigen Fachwissen, können den Markt das ganze Jahr über mit guter, wohlschmeckender Qualität versorgen.

 

Wie ich später herausfinde, sind Austern interessanterweise zweigeschlechtlich, die Pazifische Auster wächst als Männchen heran, ab dem zweiten Jahr wandelt sich ein Teil der Population in Weibchen und bleibt dann in der Regel auch weiblich. Um die Angelegenheit bei Europäischen Austern zu beschreiben braucht man den (auch für mich neuen) Begriff "konsekutiv rhythmische Hermaphroditen", was nichts anderes bedeutet, als dass die Tierchen ihr Geschlecht immer wieder während ihres Lebenszyklus ändern. Der Anteil an Männchen oder Weibchen ist selten ausgewogen und ändert sich mit Umweltfaktoren und Nahrungsangebot. Zur Befruchtung kommt es im offenen Meer, Eier und Sperma werden zeitgleich abgegeben. Innerhalb von 48h schlüpfen die Larven im offenen Meer und bilden innerhalb von 2-3 Wochen eine hauchdünne Schale, Wimpern und einen winzigen Fuss sowie ein primitives Auge aus, welches zwischen hell und dunkel unterscheiden kann. Nach weiteren 3 Wochen (die Larven sind dann ca. 0.3 Millimeter gross) suchen sie einen geeigneten Untergrund, verankern mit dem Fuss und verwandeln sich in eine Muschel. Während dieser Metamorphose wird die ortsfeste Schale bauchiger, die obere Schale flacher und aus Fuss, Auge und Wimpern bilden sich die Kiemen und übrigen Weichteile. Viele Tiere, wenn sie die Zeit als Larve überlebt haben, verenden bei dieser Metamorphose, doch die überlebenden Austern erreichen nach etwa 2 Monaten eine Grösse von 1 - 1.5 cm. Wie schnell die Austern danach wachsen hängt mit dem Nahrungsangebot zusammen. Nach ca. 3 - 4 Jahren erreichen sie die 8 - 14cm, welche für den kulinarischen Verzehr von Interesse sind. In warmen asiatischen Gewässern wachsen sie schneller. Pazifische Austern können bis zu 3.5kg wiegen, 30cm lang und bis zu 30 Jahre alt werden. Die Schale der Tiere schliesst sehr dicht und sie können daher bis 14 Tage ausserhalb des Wassers leben, ohne auszutrocknen. Das Fleisch enthält wenig Fett und Kohlenhydrate, dafür viele Vitamine (A, B1, B2, B3, B12, D & E) und Mineralstoffe. Perlen finden sich nur in Perlenaustern, nicht in kulinarischen Austern, welche zum Verzehr geeignet sind. Geschmacklich sind sie salzig, frisch und haben eine Prise Meerwasser. Beisst man und schlürft die Auster nicht nur, so kommen weitere Aromen, sogar eine Art Nussgeschmack zum Vorschein. Man kann die Austern nature, mit Zitrone oder einer Marinade geniessen, und dazu ein gutes Glas lokalen Weissweins trinken. Das machen wir und geniessen die nicht zu grossen, aber viel Fleisch aufweisenden, ausgesprochen schmackhaften Austern nicht nur an einem Abend.

 

An einem der Tage wollen wir in der Bucht SUP (stand up paddle) ausprobieren. Ganz in der Nähe des Campingplatzes gibt es einen Vermieter. So spazieren wir dorthin, müssen dann aber enttäuscht feststellen, dass wir unnötigerweise mit wasserdichtem Sack und in Badehosen aufgetaucht sind, der Vermieter macht grad selbst eine private Tour und ist erst in ein paar Tagen zurück. So spazieren wir der Strasse, welche bald zu einem Weg wird, entlang und erreichen von dort aus einen der schönsten Strände die wir seit langem gesehen haben. Der Strand liegt an der South Harbour Bay und fasziniert beim zweiten Besuch noch wie beim ersten. Traumhaft schöner, mehrere Kilometer langer, feinsandiger Strand und kaum andere Besucher. Herrlich zum Spazieren und Seele baumeln lassen. Hier kann man richtige Badeferien in unberührter Natur machen und wir geniessen es. Längere Spaziergänge machen wir auch an der Ostküste des Nationalparks (z.B. auf den Middle Head) oder bei Ingonish Beach. Als perfekten Abschluss unseres Cape Breton Aufenthaltes gönnen wir uns bei herrliche wärmender Abendsonne nochmals einen grossen Teller Austern auf der Terrasse des Inhabers unseres Campingplatzes, notabene für nur 16 CHF.