Black Hills und Crazy Horse

Nach unserer Nacht auf dem vom Ort kostenlos zur Verfügung gestellten Camping in Lovell galt unser Fokus den Black Hills. In der Gegend von Lovell gibt es ein Wild Mustang Sanctuary, das Infozentrum liegt gleich ausserhalb des Ortes, doch das Sanctuary selbst ist weit entfernt und die wildlebenden Pferde ziehen sich weit in die Berge zurück, wodurch Sichtungen in der grossen Sommerhitze eher selten sind. So machen wir uns direkt auf den Weg nach Osten und stellen bald fest, dass das Gebiet hier (ganz im Gegensatz zum Yellowstone Valley bei Wapiti westlich von Cody) steintrocken und flach ist. Kein Stausee, Flusstal aus Sandstein oder Sagebusch Bewuchs, nur verlassene Weiden, Hitze und ärmliche Holzhäuser. Dazwischen mal ein Dorf das sich mehr schlecht als recht ins richtige Licht rücken möchte. Wir fahren durch den südlichen Teil von Bighorn Mountains und sind erstaunt wie abrupt sich das Landschaftsbild ändert, denn plötzlich wird es wieder grüner und auf der Passhöhe auf knapp 3000 MüM weht ein angenehm kühler Wind. Dann kommen wir wieder runter nach Buffalo, einem netten kleinen Städtchen und wundern uns im Anschluss ab den Namen für Flüsse und Rinnsale die wir queren.  Da gibt es zum Beispiel erst den Crazy Woman Creek und kurz danach den Dead Horse Creek. Was für eine Motivation musste der Namensgeber gehabt haben, diese Gewässer so zu nennen? Ist erst seine Frau ausgetickt und am Ende sein Pferd verreckt, weil es im Creek kein Wasser mehr gab? Wir werden es nie herausfinden, aber die Hitze lässt einem einige Fantasien durch den Kopf gehen. So kühlen wir uns in einem Supermarkt ab und stellen fest, dass hier viele wie Amish People gekleidet sind (oder das was wir damit verbinden). Interessanterweise sind diese in einfache, aus der Zeit gefallene Kleidung gehüllten Menschen aber nicht mit Pferdewagen unterwegs, sondern scheinen tatsächlich in einfachen Campervans auf Urlaubsreise zu sein. Vielleicht sind es Mennoniten? Auf alle Fälle ein spezieller Anblick.

 

In der Nähe des Devils Tower, dem heiligen Berg der Lakota deren massive Lavasäulen die Umgebung um fast 400 Meter überragen und der wie ein von einem riesigen Bär zerkratzter Baumstrunk wirkt, erreichen wir die Staatsgrenze zu South Dakota und kurz danach die Black Hills. Bei Spearfish zweigen wir von der R14 auf die R14a (Scenic Byway) ab und fahren durch den gleich ein paar Grad kühleren Spearfish Canyon. In Lead führt eine Frau ihren Hund und ihre... äh, ja, es ist eine nicht eben kleine Schildkröte, an der Leine spazieren. Ok, es ist heiss und die Schildkröte ist nicht zu langsam unterwegs, trotzdem sieht das Dreiergespann lustig aus; Hund voraus, Frauchen mit zwei Leinen in der Mitte und Schildkröte hinten. In Leads geht es dann auf die R385 und quer durch die Blackhills Richtung Mount Rushmore. Die Strecke führt an kleinen Seen und Skiresorts vorbei. Wir sind erstaunt wie viele Motorradfahrer auf Harleys unterwegs sind und auf den für Motorradfahrer durchaus geeigneten Strassen ohne Helm fahren. Wie wir später erfahren, ist es je nach Staat erlaubt mit oder ohne Helm zu fahren, genau wie es in einigen Staaten Vorschrift ist vorne und hinten ein Nummernschild anzubringen, in anderen Staaten braucht es jedoch nur ein Schild. Und wenn nun so ein Motorrad mit Zulassung eines Staates ohne Helmpflicht auf Reise geht, dann gelten noch immer die Regeln des Staates der Zulassung. Es kommen uns an dem Nachmittag gefühlt 1000 Motorradfahrende entgegen, Harley Typen in Leder, mit Stirnband und langen Bärten, welche bei der Fahrt hochklappen und ihnen fast die Sicht nehmen. Des Rätsels Lösung liegt in Sturgis. 1876 gegründet ist es heute eine Mountain and Ranch Town mit ca. 7000 Einwohnern und einem jährlichen Highlight: für eine Woche Anfang August wird es zur City of Riders, hunderttausende Biker finden den Weg nach Sturgis und fahren dann die beliebtesten Strecken der seit 1938 durchgeführten Sturgis Motor Cycle Rallye ab. Trotz allem finden wir aber etwas abseits im National Forest ein schönes, ruhiges Plätzchen für die Nacht.

 

Nun aber zurück zu den klassischen Highlights der Region: Mount Rushmore und Crazy Horse Memorial. Mount Rushmore zeigt 4 Präsidenten der Vereinigten Staaten (George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln. Von 1927 bis 1941 haben 400 Arbeiter die Gesichter der Präsidenten in den Berg gehauen. Eigentlich waren Büsten geplant, aber wegen des 2. Weltkrieges gingen die finanziellen Mittel aus und danach wurde die Vollendung der Figuren nie finanziert. Interessanterweise waren ursprünglich ganz andere Abbilder geplant, nämlich Helden des Westens wie Chief Red Cloud, Buffalo Bill, Lewis & Clark sowie Sioux Krieger, doch der Staat Dakota konnte die Finanzierung nicht aufbringen und so griff Präsident Calvin Coolidge 1927 dem Projekt unter die Arme, allerdings mit der Auflage, die geplanten Abbilder zu ändern. Heute gilt der Ort als Symbol eines freien und hoffnungsvollen Amerika.

 

Uns jedoch weitaus mehr fasziniert hat das Crazy Horse Memorial, beziehungsweise die passionierte Geschichte dahinter. 1939 fragte Lakota Chief Henry Standing Bear den Bildhauer Korczak Ziolkowski, welcher vorher auf der Baustelle Mount Rushmore gearbeitet hatte, an, ob er ein Denkmal für die First Nation der USA errichten könnte. Mit den Worten "My fellow chiefs and I would like the white man to know, the red man has great heroes also." überzeugte er den Bildhauer. Die historische Figur Crazy Horse soll hier vor allem symbolisch für einen Chief sprechen, welcher nie ein Treaty (Vertrag, meist zur Abtretung von Land) unterzeichnet hat und somit den Geist seines Volkes verkörpert. Crazy Horse Memorial ist das Grösste noch immer in Arbeit befindliche Steinmetz Projekt der Welt. Einmal fertig soll Crazy Horse auf seinem Pferd sitzen und mit dem Finger ins Land hinunter zeigen. Diese Geste soll die Antwort von Crazy Horse darstellen, als er gefragt wurde: "Where are your lands now?" Die Antwort: "My lands are where my dead lie buried." 1876 waren die Black Hills auch Schauplatz der Schlacht, in welcher General Custer und seine 200 Soldaten am Little Big Horn von Sitting Bull, Crazy Horse, Big Foot und deren Krieger vernichtend geschlagen wurde.

 

Im Sommer 1926 zum 50. Jahrestag der Schlacht am Little Big Horn fand als Medienereignis ein „Versöhnungsfest“ auf dem ehemaligen Schlachtfeld statt, zu dem Historiker und in den Reservaten lebende Häuptlinge als Gäste eingeladen wurden. Ein Spezialgast war der (im Gegensatz zu den meisten Lakota) frei in Kanada lebende Enkel von Sitting Bull. 1926 war fast nichts über die Schlacht selbst bekannt, da sich die Lakota in Schweigen hüllten. Vom Enkel Sitting Bulls erhoffte man sich aus Anlass des Jahrestages einige Einzelheiten zum Verlauf. Tatsächlich jedoch war sein Auftritt in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit ein Desaster für die Veranstalter, das in der Presse keinen Widerhall fand. Der Enkel legte eine Anzahl von Dollarscheinen auf das Rednerpult und sagte folgendes: „Die weissen Männer, die mich hierher geladen haben, haben mich gebeten, einige versöhnliche Worte zu sagen. Ich kann den weissen Männern, die von mir für Dollars versöhnliche Worte zu hören wünschen, solche Worte nicht sagen. Damit würde ich das Andenken meines Grossvaters schänden. Ich gebe das Geld zurück. Es liegt hier. Wer es haben will, kann es sich nehmen. Das sind die Worte eines freien Lakota, der in Kanada wohnt und sein Leben mit seiner Hände Arbeit verdient.“ Zwischen 1999 und 2003 wurden endlich im Little Big Horn Battlefield National Museum auch Denkmäler für gefallene Indianerkrieger enthüllt. Die Schlacht am Little Big Horn bleibt von besonderer Bedeutung, weil sie ein Fanal in der sonst eher schleichend betriebenen Vernichtung der nordamerikanischen Urbevölkerung darstellt und für das Selbstbewusstsein der nordamerikanischen Prärieindianer hat der Sieg eine über Generationen anhaltende, prägende Wirkung.

 

1948 begannen die Arbeiten am Memorial, mit einem Budget von 174 USD und einem handbetriebenen Bohrer um die Sprenglöcher zu setzten. Später wurde eine Treppe mit 741 Tritten gebaut, an dessen Fusse ein Kompressor installiert wurde, um den Bohrer mit Energie zu versorgen, doch dieser Kompressor war so alt, dass der Bildhauer mehrmals täglich die Treppe hoch und runter rennen musste, um den Kompressor neu zu starten. Unter solch harten Bedingungen arbeitete er, sofern es das Wetter zuliess, täglich und alleine an diesem Mammut Projekt. Später gründete er eine Familie und während die Jungs auf der Baustelle mithalfen, unterstützen die Mädels die Mutter bei den administrativen Arbeiten zur Finanzierung des Projektes. Die Ehefrau hat über den Tod ihres Mannes hinaus für die Stiftung gearbeitet und die Mehrzahl der 10 Kinder ist noch heute in das Projekt involviert. Einer der Meilensteine der Arbeit war 1998, als das Gesicht der Statue fertig gestellt wurde. Wenn die ganz Statue einmal fertig ist, soll sie 170 Meter hoch und knappe 200 Meter lang sein. Als Vergleich: Das fertiggestellte Gesicht ist fast 1/3 höher als die Gesichter am Mount Rushmore (18 vs. 27 Meter). Derzeit liegt der Fokus darauf, die Hand, Schulter und Mähne des Pferdes heraus zu arbeiten. Nun aber das Faszinierendste: es arbeiten nach wie vor nur wenige passionierte Menschen am riesigen Steinbruch, die Stiftung lehnt nämlich bis heute jede staatliche Finanzierung ab, um unabhängig zu bleiben, und finanziert sich nur über private Spenden und Eintrittsgelder. Ein Lebenstraum, eine Lebensaufgabe, Hingabe über Generationen hinweg. Wirklich beeindruckend!

 

Nebst der Baustelle selbst gibt es auch ein kulturelles Begegnungszentrum, wechselnde Ausstellungen und ein kleines Museum. Die Stiftung fördert aber auch die Ausbildung der indigenen Bevölkerung und ist dabei eine Universität aufzubauen. Inspirierend. Am selben Abend lernen wir noch über einen anderen Bewohner der Prärie: das Black Fooded Ferret. 1970 dachte man es sei ausgestorben, fand dann aber 1981 in Meteetse 18 Tiere, welche nun die Stammtiere eines erfolgreichen Aufzucht- und Wiederansiedlungprogramms sind. Die Black Fooded Ferrets (Schwarzfussiltis / ein Frettchen) ernähren sich fast ausschliesslich von Präriehunden, und als diese in der Prärie als vermeidliche Konkurrenz der Bauern stark dezimiert wurden, verschwand auch das süsse schwarz/weisse Frettchen, welches durch seine schwarze Augenbinde unverkennbar ist. Leider bekamen wir im neuen Revier der Frettchen nur Diabilder von ihm zu sehen, welche uns die Rangerin zeigte, die den Abendvortrag in der Arena des ruhigen, schön gelegenen und nicht überfüllten Elk Mountain Campground im Wind Cave Nationalpark hielt. Umso zahlreicher konnten wir aber die Präriehunde beobachten und Markus erhaschte zu seinem Unmut auch einen Blick auf eine Prairie Rattlesnake. Die hat aber nicht wie erwartet mit ihrem Schwanz Geräusche gemacht, sondern den Weg schnell verlassen, um sich im hohen Präriegrass zu verstecken. Wenn sie da bleibt, ist gut, dachten wir uns, und genossen einen sonnigen, nicht zu heissen Abend auf dem kurzgeschnittenen Grass unseres Plätzchens und konnten sogar mal wieder in Ruhe den Wassersack für eine willkommene Badehosen-Dusche nutzen.