Yoho, Banff und die Geschichte der Treaty 7

Nach einer guten Nacht und einem sonnigen Frühstück am Saskatchewan River fahren wir zurück zum Icefield Parkway 93. Als erstes bewundern wir die weite Ebene, durch welche sich der Saskatchewan River windet und das herrliche Panorama dahinter. 1200km seien es bis zum Lake Winipeg. Vor langer Zeit wohnten hier Stoney First Nation, Indigene, denen dieses Gebiet heute noch heilig ist, da sie es als vom "Creator" zugewiesen betrachten, also sozusagen ihr "heiliges Land" darstellt. Eine tiefe Luftfeuchtigkeit und starke Winde belassen diese Gegend auch im Winter fast schneefrei und so treffen sich im Winter in dieser Ebene zwischen den Bergen alle grossen Wildtiere. Diese Tiere nutzen auch den unverbauten "Horse Pass" als Verbindung zwischen verschiedenen Habitaten, ein natürlicher Pass durch den Continental Divide. Zu Fuss wäre dies eine 26km lange backcountry Wanderung.

 

Wir fahren weiter zum Bow Summit auf 2088m und machen einen kurzen Spaziergang zum Peyto Lake Viewpoint. Die Sicht ist toll, aber die Anzahl Besucher beängstigend. Vor 6 Jahren, zur gleichen Jahreszeit, hatte es gefühlt nicht halb so viele Besucher. Aber es ist ja eine weltweite Tatsache, dass die Bevölkerung rasant und in beängstigendem Masse zunimmt, und daher nur logisch, dass proportional dazu auch die Zahl der Touristen steigt. Vor 20 Jahren ist man eine Weile vor dem Eifelturm in Paris oder der Sagrada Familia in Barcelona angestanden, heute muss man Wochen, wenn nicht Monate im Voraus ein Zeitfenster für den Besuch vorreservieren. Als Cheryl Strayed das Buch "Wild" schrieb, welches 2014 als Film in die Kinos kam, war selbst auf dem Weitwanderweg PCT noch nicht viel los, heute bekommt man auch hier nur noch durch das Glück des Loses eine Bewilligung: 2013 wurden 1979 Bewilligungen ausgestellt, 2017 waren es bereits 6069. Soviel zum Thema Wildnis und den neuen, immer strengeren Regeln die aufgestellt werden müssen, um diese zu schützen und die Nutzung weiterhin möglich zu machen. Das ist ja das selbe mit der S-Bahn bei uns, vor 20 Jahren fand man problemlos auch in den Stosszeiten noch einen einzelnen Sitzplatz, doch inzwischen ist dies kaum mehr denkbar, der Stau am Gubrist ist inzwischen so normal wie der Kaffee zum Frühstück. Im Jahre 1800 überschritt die Weltbevölkerung das erste Mal eine Milliarde Menschen, innerhalb des 20. Jahrhunderts hat sie sich fast vervierfacht. 1974: 4 Milliarden, seither alle 12 Jahre eine Milliarde mehr, 2020 werden es 8 Milliarden sein. Diese Verdopplung geschah, seit Markus und ich auf der Welt sind, und es sind nicht nur Zahlen, nein wir können diese Zunahme förmlich spüren und durch eigene Erfahrungen belegen. Erschreckend. Wir versuchen diese Gedanken abzuschütteln und uns wieder den grossartigen Panoramen um uns herum zuzuwenden, die Besuchermassen auszublenden. In Lake Louise misslingt dies leider erneut. Natürlich ist eine Bewilligung für eine Wanderung mit Übernachtung im Zelt nicht mehr zu bekommen und selbst der "Overflow Parking" platzt aus allen Nähten, so dass sogar die Zahlungsumschläge ausgehen und wir dafür gratis auf dem Sardinenbüchsen-Asphalt stehen dürfen.

 

In den Randstunden am frühen Morgen und späten Nachmittag ist es zum Glück nicht ganz so voll und so wollen wir die Stunden vor dem Sonnenuntergang noch für den Besuch der Takakkaw Falls nutzen. 254m ergiesst sich hier das Wasser in beeindruckender Art über den Felsen. Eigentlich sind es 4 Fälle über 384m, was 7x höher als die Niagara Fälle ist. Vor 6 Jahren bin ich vom Emerald Lake über den Yoho Pass hierher gewandert. Es war eine wirklich schöne Wanderung, auf dem Pass lag noch Schnee und es hatte kaum Leute. Jetzt ergiesst sich die Blechlawine der geparkten Autos kilometerweit oberhalb und unterhalb des eigentlichen Parkplatzes. Trotzallem verdienen die Fälle den Namen Takakkaw (Cree für "es ist grossartig"). Der Yoho Nationalpark verdankt seinen Namen ebenfalls einem Ausdruck der Cree, Yoho bedeutet soviel wie "awe / Ehrfurcht bzw. awe-inspiring / Achtung gebietend". Wir geniessen die Abendsonne am Emerald Lake und machen einen schönen 1.5h Spaziergang um den türkisfarbenen Bergsee. Die meisten Touristen sind schon wieder abgereist und so können wir uns für den Anblick der "Natural Bridge" weiter unten im Tal Zeit nehmen. Da bricht der Fluss durch eine Steinwand und bildet somit eine natürliche Brücke, die an einen durchbrochenen Staudamm erinnert. Im letzten Tageslicht fahren wir zurück auf den Overflow Parking und treffen dort auf ein sympathisches Schweizerpärchen, seit langen wieder einmal Reisende, die mit Schweizer Nummer fahren. So tauschen wir uns aus und erfahren, dass sie USA und Kanada für 9 Monate bereisen und im Oktober ab Halifax wieder verschiffen werden. Sie sind mit einem Campervan unterwegs und haben ebenfalls festgestellt, dass Nordamerika riesig ist und auch 9 Monate sehr eng bemessen sind, die USA und Teile Kanadas zu bereisen. Hier der Link zur Webseite von Monika und Pascal: Link

 

Am nächsten Morgen geht es früh los, wir wollen zu den ersten gehören, die zum Lake Louise hochfahren (ab 8 Uhr am Morgen wird der Parkplatz dort für PWs gesperrt, weil voll und man muss dann den Shuttlebus nehmen). Dank unserem frühen Start begegnen wir auf der ersten Hälfte des 16km Loop (650 Höhenmeter) via Mirror Lake, Lake Agnes, Big Beehive und Plain of Six Glaciers (historisches Teehaus) und zurück dem Fluss und Seeufer entlang, kaum anderen Wanderern. Nach der Pause im Teehaus jedoch ist es schon späterer Vormittag und wir sind wieder auf einer Ameisenstrasse voller Wanderer unterwegs. Die Aussicht vom Big Beehive ein paar Stunden vorher hatten wir aber noch ganz für uns. Ein toller Blick über den Icefield Hwy, der ab dem Dorf Lake Louise wieder zur 4-spurigen Autobahn wird, und auf die weiten, wilden Berge dahinter. Der Blick fällt auch auf den idyllischen Bergsee Lake Agnes und den Lake Louise, den angeblich meistbesuchten Bergsee der Welt. Vor langer Zeit war dieses Gebiet nur per Zug erreichbar, um 1900 wurde das Grandhotel, ein Teehaus und weitere Infrastruktur angelegt, so dass die Touristen zu Fuss oder hoch zu Ross die Gegend gepflegt bereisen konnten. Seit 1902 gehört dieses Gebiet zum wenige Jahre zuvor begründeten Banff Nationalpark, dem ältesten Nationalparks Kanada. Mit den Touristen kamen auch die Schweizer Zugingenieure und Schweizer Bergführer ins Gebiet, um die erlesene Clientelle in die Berge zu begleiten.

 

Zurück am Parkplatz entscheiden wir uns direkt nach Canmore zu fahren, um dort zu duschen (im Nordic Center, Warme Duschen: 5 Minuten für 1 CND). Gegen Abend fahren wir dann aber die kurze Strecke nach Banff zurück und spazieren durch das sehr touristische aber schön gestaltete Dorf mit Fussgängerzone. Begeistert hatte ich Markus von einem bzw. zwei Geschäften erzählt, deren Verkaufsware mich schon vor 6 Jahren begeistert hatten: "Rocks and Gems Canada". Eine solche Ansammlung von Gesteinen und Fossilien haben wir noch nirgendwo gesehen. Wie wir erfahren ist dieser Familienbetrieb seit den 70ern im Geschäft, kauft in Kanada aber auch weltweit ein und besucht jährlich die Grösste Messe Nordamerikas für Fossilien und Edelsteine, welche in Tucson, Arizona, stattfindet. Die Auswahl im Geschäft ist gewaltig, von bezahlbaren Ammoniten Anhängern über Megalodon Zähne bis zu wunderbaren und unbezahlbaren versteinerten Kunstwerken, welches jedes Museum eifersüchtig machen würde... wäre aber auch ein echter Hingucker so als Wandbild in unserem neuen Wohnzimmer. Blöderweise müssten wir dann noch irgendwo so um die 40'000 CHF auftreiben für ein versteinertes Crinoids-Paar (urzeitliche Seelilien), welches wie ein in Stein gemaltes Blumenbild wirken. Wir bleiben fasziniert vor einer kunstvoll herausgearbeiteten Steinplatte mit Agoniatite und Orthoceras stehen. Wäre "nur" 7000 CHF... für ein 350 Millionen Jahre altes Meisterwerk der Natur. Oder für ein Aquarium voller wie Marmor wirkender Orthoceras. Auch Dinosaurier Eier könnten erstanden werden, diese jedoch sind mit einem Ausfuhrverbot belegt, alle anderen Kunstwerke, so erklärt uns der vor Begeisterung sprühende Verkäufer, könnten weltweit versandt werden, um Zertifikate und Verzollung würden sie sich kümmern. Weiter erfahren wir, dass Rohsteine im Wert von über 1000 CHF eines speziellen Ausfuhrzertifikates bedürfen, jedoch als Schmuckstück gefasst weltweit exportiert werden können. Nun, bei unserem Budget bleibt es beim Windowshopping, allerdings mit einem Gefühl wie bei einem Museumsbesuch, wir bewundern faszinierende Meteoriten, bunte Mineralien, schöne Schmuckstücke und immer wieder die wunderbar geschliffenen und herausgearbeiteten Fossilien. Anders als in einem Museum darf man hier das eine oder andere Stück auch anfassen - tolle Sache, und Markus kann sich kaum lösen von einem Megalodon Zahn, welcher als Halskette gearbeitet ist. Nun, gut... ist ja bald sein Geburtstag.

 

Dass der über 1000 Plätze aufweisende Tunnel Mountain Campground ausgebucht ist, ist klar, aber wir haben auch keine Lust gegen Entgelt eine weitere Nacht auf dem Overflow Parking zu stehen, das geht auch gratis bei Walmart. So fahren wir nach Cochrane und können auch bedenkenlos das Dach für die Nacht aufgeklappt lassen. Frühstück gibt's am nächsten Morgen bei Tim Hortons vis à vis des Walmart, wo tatsächlich andere Camper im Pyjama hineinspazieren, zur Toilette gehen und auf dem Weg zurück noch einen Kaffee abholen. Wir fahren in einen Vorort von Calgary (der Cowboy Stadt Kanadas) und finden dort den "North Hill Auto Service". Ein Familienbetrieb und NAPA angeschlossen. Uns bzw. Bobilchen wird professionell geholfen, ausserdem sehr verständnisvoll angeboten, die Arbeiten noch am selben Nachmittag auszuführen. So konnten mit etwas Recherche alle benötigen Teile innert kürzester Zeit aufgetrieben werden, darunter das hier in Nordamerika eher unbekannte Motorenöl und die Filter für unseren Diesel Toyota. Gegen 15.30 Uhr fahren wir zufrieden von dannen. Klar, der Service war nicht billig, aber nun wissen wir, das es unserem Bobilchen gut geht, aber auch, was wir zurück in der Schweiz genauer unter die Lupe nehmen müssen. Bis zum Ende der Reise sollten wir nun aber gerüstet sein, Bobilchen wurde geschmiert und geölt, Ölwechsel, Treibstofffilterwechsel, allgemeine Kontrollen... wir sind echt froh und begeistert von diesem Betrieb.

 

Auf der Strecke zurück vom schon fast im Flachland liegenden Calgary, kommen wir den Rocky Mountains schnell wieder näher. Kurz vor dem Abzweiger in die R40 schauen wir noch im Chiniki Cultural Center vorbei. Das Essen ist der Erwähnung kaum wert, aber die kostenlose Ausstellung war sehr interessant und führt einem mal wieder die Ungerechtigkeiten vor Augen, welche an der indigenen Bevölkerung begangen wurden. Hier wird die Geschichte der Chiniki, Stoney, Nakoda und Treaty 7 First Nations erzählt.

 

Die erwähnten First Nations waren Nomaden, die sich vom Überfluss, der ihnen die Natur bot, ernährten. Fischen, Jagen, Sammeln und mit dem Rhythmus der Jahreszeiten herumziehen, um die gebotenen Ressourcen zu nutzen ohne sie auszunutzen. Die Nakoda First Nations (Wesley, Chiniki & Bearspaw) sind mit den Sioux in der Kontinentsmitte verwandt und vermutlich vor rund 400 Jahren nach Norden gezogen. Ihr traditionelles Land liegt seither östlich des Great Divide und wird vom Althabasca River bis zur amerikanischen Grenze begrenzt. Die Nakoda wurden von den europäischen Einwanderer "Stony" genannt, da sie traditionell ihr Essen auf heissen Steinen zubereiteten. Das grosse Gebiet der Nakoda wurde von drei Gruppen (Bands) bewohnt, wobei jede ihr eigenes Gebiet hatte: die Wesley nördlich (North Saskatchewan & Althabasca River) die Bearspaw südlich in den Rocky Mountains im Bereich des Glacier Nationalparks und die Chiniki vom hochalpinen Wald bis hinunter zum North Saskatchewan. Bei den Chiniki waren nur Männer Anführer, Frauen jedoch Berater. Meist waren dies die Ältesten, welche wegen ihrer Lebenserfahrung geschätzt wurden. Sie haben ein Verständnis für das Universum und die Natur in welcher sie leben aufgebaut und haben darin überlebt. Ihnen wurde mit Respekt begegnet und je weiser die Entscheidungen, umso mehr wurden deren Anweisungen befolgt. Führungsrollen waren somit nur halb-erblich, denn wenn dumme Entscheidungen gefällt wurden, blieb ein Anführer nicht lange in der Führungsposition. Heutige Geschicke werden von einem Ältestenrat gelenkt.

 

Jagen war nie dazu da, Trophäen zu erbeuten. Vor einer Jagt gab es eine Zeremonie und nach einer erfolgreichen Jagt mussten sich die Jäger ebenfalls an ein festgelegtes Ritual halten, dazu gehörte es auch dem Creator zu danken und die Beute mit den Wildtieren zu teilen. Es wurden alle Teile des Teres genutzt, vom Fleisch über die Knochen für Werkzeuge und Häute für Kleidung, Bettdecken, Schuhe und Tipi Überzüge. Es wurden auch viele Vögel gejagt, der Adler galt aber als heilig und wurde nur im Ramen spezieller Zeremonien erlegt. Bevor gegen 1750 Pferde nach Nordamerika kamen, waren Hunde als Zugtiere ausgebildet worden. Die Menschen begaben sich von Siedlungsgebiet zu Siedlungsgebiet zu Fuss, doch die Hunde zogen die Schlitten mit Habseligkeiten der jeweiligen Familie. Die Umstellung auf Pferde brachte Veränderung mit sich, die Jagt Techniken veränderten sich und es konnten weitere Distanzen zurückgelegt sowie schwerere Güter transportiert werden. Die Mobilität der Bands vergrösserte sich.

 

Während der Jagt und Sammelzeit waren sie unterwegs, doch am Ende dieser Zeit kam man zusammen um zu feiern, dem Creator zu danken und mit der ganzen Verwandtschaft zu teilen. Das war auch die Zeit alte Freunde wiederzusehen und neue zu machen. Solche Rituale dienten der Stabilität und Kontinuität von Saison zu Saison, von Jahr zu Jahr. Für die Menschen die über weite Teile der Landschaft verstreut lebten, bedeuteten diese Rituale auch Zugehörigkeit zu einer Nation. Spiritualität war kein Fremdwort und der Adler wurde als Botschafter des grossen Geistes oder Creator angesehen. Die Spiritualität dieser Nations begründet sich im Glauben, dass der Creator ein höheres Wesen ist, ein Mysterium. Er hat alles geschaffen und ist in allen Dingen erkennbar. Schon Kindern wird das Wissen um den Creator / Great Spirit in die Wiege gelegt und es lernt über die Natur und die Wichtigkeit, alle Dinge des Creators zu respektieren. Doch nur wenigen war es vorbehalten von einem Medizinmann oder einer Medizinfrau zu lernen. Diese Erlesenen lernten nicht nur den Ältesten, sondern auch ihren Träumen und Visionen zuzuhören. Diese Visionen werden als natürliche Kraft in unserer natürlichen Welt angesehen und als Geschenk des Creators.

 

Eine der einschneidensten Veränderungen in der Kultur der indigenen Bevölkerung geschah, als der Fellhandel aufkam. Nun konnte man etwas eintauschen und so wurden mehr Tiere gejagt als für den Eigengebrauch notwendig war, was das Verhältnis der Menschen zur Natur nachhaltig veränderte. Ausserdem erhielten sie nicht nur Waffen, Kleidung und andere Tauschgüter, sondern vor allem auch europäische Krankheiten. Während jedoch 2/3 aller indigenen Menschen innert kürzester Zeit starben, waren die Nakoda Bands durch ihre abgelegenen Gebiete in den Bergen besser geschützt. Traditionen wurden hier hochgehalten und verbanden. So überlebten die Nakoda Bands und lebten mit Nachbarn wie den südlichen Cree in Frieden und Freundschaft und diese Freundschaft half auch gegen die kriegerischeren Völker wie den Blackfoot (Niitsitapi). Als die Europäer jedoch das Land besiedelten und die Chiniki, Bearspaw und Wesley First Nations zusammen in ein kleines Gebiet gepfercht wurden, blieben ihnen nur noch ihre Werte und den Respekt für die anderen Nationen, sowie gemeinsame Traditionen, um weitere Angriffe auf Ihre Kultur abzuwehren.

 

1880 wurden Reservate geschaffen und Gesetzte erlassen, welche die Rechte der indigenen Bevölkerung ausserhalb dieser Reservate drastisch beschnitten, Gesetze welche Jahrzehnte später von der südafrikanischen Apartheitsregierung übernommen wurden. Mit dem sogenannten Treaty 7 Vertrag wurde den Nakoda First Nations ein Gebiet zugewiesen, welches gleich auf der anderen Seite des Flusses der Blackfoot lag, was logischerweise zu Spannungen führte. Zudem gab es Falschübersetzungen und so glaubten die Nakoda First Nation, das jeder ihrer drei Nationen ihr eigenes, limitiertes Gebiet erhalten würde, doch am Ende waren alle zusammen in ein viel zu kleines Gebiet eingewiesen worden. Zudem wurden sie im Glauben gelassen, dass sie einen Friedensvertrag und keine Kapitulation unterzeichnen würden. Erst 1946 konnte ein kleines Landstück gekauft werden, damit einige der Bearspaw sich dort niederlassen konnten, weitere Ländereien konnten später dazugekauft werden, aber Jagdrechte oder Bildungsprogramme, welche versprochen wurden, wurden nie ausgegeben. In den knapp 100 Jahren seit der Reservatsgründung ging vieles an Tradition und Fähigkeiten, Wissen und Spiritualität verloren.

 

Ein Reservat zu verlassen war nur mit einer speziellen Erlaubnis des Indian Agent möglich. Diese Regel dauerte bis 1947 an und das Wahlrecht erhielten die indigenen Menschen in Kanada erst 1960. Heute wird gar vermutet, dass die Nakoda Nations zusammen in das kleine Gebiet gestopft wurden, damit der liebe Referent John McDougall (welcher ihnen auch den Treaty 7 als gutes Geschäft verkaufte) alle 3 Nationen "unter Kontrolle" hatte und bekehren konnte. In den lokalen Schulen wo sie internatsartig untergebracht waren, gingen Kinder indigener Familien nur halbtags zur Schule, damit sie nachmittags ihre Bildungskosten abarbeiten konnten. Erst in den 1950ern konnten Kinder bei ihren Eltern zu Hause wohnen bleiben und gleichzeitig zur Schule gehen und erst 1969 wurde das Internatssystem "Weisen Heim" abgeschafft. Indigene Kinder absolvierten in der Regel jedoch nur 8 Schuljahre, denn um auf eine Highschool gehen zu können, musste man eine Bewilligung haben das Reservat zu verlassen. 1984 wurde die erste Highschool im Reservat eröffnet und kurz danach der Zugang zu höherer Bildung am College Süd Albertas geöffnet. Dies wird von den First Nations sehr begrüsst, denn Bildung, wenn auch hauptsächlich in mündlicher Form , schon immer zur Tradition gehörte. Lehrer waren die Eltern sowie die Ältesten einer Band. Seit neustem gibt es nun auch spezielle kulturelle Kurse an diesen Hochschulen. Die Sprache der Nakoda hat zum Glück überlebt und wird als wichtigstes Kulturgut gesehen. Dies ist vor allem John Laurie zu danken, welcher die Sprache 1950 dokumentierte und als Schriftsprache festhielt. Doch wie sieht die Zukunft dieser Menschen aus? Die Überlebenden selbst sehen das interessanterweise folgendermassen:

 

In all der Zeit seit Anbeginn der Zeit (notabene mehrere 10'000 Jahre gemäss akribischer, mündlicher Überlieferungen) haben die Menschen der Berge (wie sie sich selbst nennen) gelernt zu verstehen, wer ihr Schöpfer ist und gelernt, all seine Kreaturen zu respektieren sowie dem Schöpfer dankbar zu sein für seine grosszügigen Geschenke. Sie lernten diese Geschenke zu nutzen, nicht nur um zu überleben, sondern um gut, nachhaltig und in Harmonie mit der Kreation zu leben. Dieses Wissen wiederum ist ein Geschenk und so sehen sie es als ihre Pflicht und Verpflichtung gegen über dem Schöpfer, dieses Wissen in die kanadische Gesellschaft einfliessen zu lassen. Umso wichtiger ist es, dass sie ihre eigenen Geschicke in die Hand nehmen und auf ihrem Land für ein gutes Auskommen, sinnvolle Arbeit und ein gutes Bildungssystem sorgen, welches ihre eigene Kultur und Sprache einbindet, aber von Albertas Universitäten ohne Hindernisse akzeptiert werden. Nur so kann der neuen Generation die besten Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden und sich das Potential der First Nations optimal entfalten. Dies ermöglicht beste Entwicklungsmöglichkeiten beider Nationen, native & non-native, zum Besten aller Menschen in Kanada. Ich finde diese Einstellung einfach grossartig und hoffe das beste für diese in den letzten 150 Jahren so gebeutelten Menschen, ein "Silver Lining on the Horizon".

 

Bald biegen wir in die R40 (nicht die argentinische R40, an welche wir uns sofort durch die Zahl erinnert fühlen), eine schöne Strasse und fürs Auge ein Traum. Im schönsten Abendlicht wirken die umliegenden Berge wie aus Knetmasse geformt, die einzelnen Gesteinsschichten wie gefaltet. Entlang der Strasse rennt ein Kojote der mich anschaut, mir ganz direkt in die Augen schaut, und danach im Wald verschwindet. Kurz darauf taucht eine Herde Bighorn Sheep auf, welche wie beim Alpabzug die Strasse quert. Kein Nationalparkgebiet, aber Tiere die mehr Abstand halten und in grösserer Zahl zu sehen sind. Die kleinen Jungtiere wirken wie Lämmer und hüpfen ebenso froh herum. Kananaski Country heisst es hier und uns gefällt es ausgesprochen gut. Leider sind auch hier alle Campgrounds voll und das freie Stehen ist in diesen Naturreservat untersagt. Erst als wir auf die Forestry Trunk Road einbiegen, finden wir entlang der Ostflanke der Rockies eine erste Möglichkeit über Nacht zu stehen. Nach dem Pass auf 2200MüM (der höchsten Passstrasse Kanadas) liegt dieser Platz wieder etwas tiefer und am Cat Creek, einem weit mäandernden Fluss, welcher im Abendlicht schön glitzert. Den Bärenspray wie üblich griffbereit, entschliessen wir uns das Dach hochzuklappen und schlafen bald zu den Geräuschen der Nacht ein.