Icefields Parkway

Am Morgen früh geht es als erstes Richtung Icefields Parkway, der ultimativen Strasse durch das gewaltige, von urzeitlichen Gletschern geschliffene und gestaltete Panorama von erschlagender Schönheit und gewaltigem Ausmass. Leider ist derzeit die Zufahrt zum Edith Cavell See wegen Renovation geschlossen, doch die 93a, die kleine Schwester der berühmten Strasse, hat ebenfalls ihre Reize und führt unter anderem an den Zusammenfluss von Wirlpool & Althabasca River, unweit der in früheren Jahrhunderten im Frühjahr und Herbst genutzten Fuhrt über den Althabasca River. Damals wanderten die Pferde Konvoys  weiter über den Altabasca Pass und hinunter durch das Columbia River Tal Richtung Pazifik. Jetzt im Sommer ist der Wasserstand jedoch viel zu hoch um den Fluss zu queren, dafür gibt es heute Brücken, wie bei den Althabasca Falls, wo die 93a wieder in die 93, den Icefield Parkway, mündet. Diese Fälle sind zwar nur 23 Meter hoch, aber dennoch sehenswert, denn gleich nach den Fällen quetschen sich unglaubliche Wassermassen durch eine enge, kleine Schlucht. Dank hohen Temperaturen ist die Schneeschmelze gewaltig und so sind auch die Sunwapta Falls rund 30 km südlich einfach schön anzusehen. Die Tangle Creek Falls wiederum zeigen sich dann zwar in schönstem Licht, sind aber nicht so speziell.

 

Kurz vor der Passhöhe ist das Columbia Icefield Center erreicht - was für ein Riesenrummel, fast schon erschreckend. Im Filmsaal bietet der Film "Through Ice and Time" erholsame Ruhe. Der ausgezeichnete Kurzfilm kommt ganz ohne Text aus und berührt durch seine Bilder. Nach dem Film entfernen wir uns bald möglichst vom Rummel, nicht aber vorher noch einen letzten Blick auf die Ausläufer des 325km2 grossen Eisfeldes, welches sich jedoch dem Blicke aus dem Tal weitgehend entzieht, zu werfen. Der milchige Gletscherwasser führende Althabasca River ist einer der Quellflüsse des Mackenzie River, welcher nach über 4000km ins Polarmeer strömt. Der North Saskatchewan River fliesst an dieser Wasserscheide in die östliche Richtung und sein Gletscherwasser fliesst nach knapp 2500 km als Nelson River in die Hudson Bay, nachdem er im Lake Winnipeg in Manitoba seinen Namen ändert. Auf der Westseite des Icefield fliessen die Gletscherbäche in den Columbia River und somit nach rund 2000km in den Pazifik, bei Astoria, wo wir vor wenigen Wochen noch waren. Mich faszinieren solch fassbare geographische Grössen und gleichzeitig unfassbaren Distanzen. Man müsste diese Flüsse per Kanu bereisen, der natürlichen Flussstrasse folgend.

 

Kurz nach dem Stopp im Icefield Center erreicht man den Sunwapta Pass auf 2035 MüM. Angeblich kann es hier auch im Sommer schneien, doch wir schwitzen ab der ungewöhnlichen Hitze. Mit dem Pass ist auch die Grenze zum Banff Nationalpark erreicht. Plötzlich entdecken wir im weit mäandernden, milchigen Fuss eine Elchmutter mit Kalb. Was für ein gewaltiger Anblick, wenn auch leider sehr weit entfernt. Mir fällt ausserdem auf, dass die Tannen hier extrem spitz und nicht dreieckig sind, sondern eher wie mit grüner Weihnachtslametta umwickelte Grillspiesse wirken. Nach dem Pass jedoch, bekommen die Tannen nicht nur die uns vertraute Form, sondern sehen auch massiv gesünder aus. Wie wir später erfahren sind daran die "mountain pine beatle" schuld, welche vor allem im Jasper Nationalpark fast 50% der Tannen befallen haben, weswegen diese auch so krank und braun wirken. Der Käfer befällt die Bäume, isst die innere Rinde und fördert einen tödlichen Pilzbefall, welcher sich äusserlich durch die rot-braunen Nadeln und gräulichen Stämme zeigt. Kein schöner Anblick. Man nimmt an, dass die rapide Zunahme des Käfers einerseits mit dem Klimawandel (zu warme Winter = zu wenig Käfer sterben) zusammenhängt, anderseits aber auch mit zu starker Brandkontrolle, denn durch Feuer "befreit" sich die Nadelbaumpopulation ebenfalls von den Käfern. Schön zu sehen, dass das Panorama hier auf der Seite von Banff nicht beeinträchtigt, dafür aber schlicht grossartig ist. Markus meint nur: "War John Muir eigentlich mal hier? Dieses Panorama übertrifft klar das des Yosemite."

 

Bald ist Saskatchewan River Crossing erreicht und wir zweigen von der 93 auf die 11 ab und sind kurze Zeit später ausserhalb des Nationalparks und auf Crown Land (öffentlichem Grund und Boden, ähnlich wie in den USA die Gebiete des National Forest). Hier finden wir direkt am Fluss ein wunderschönes Plätzchen mit Traumpanorama, ohne Moskito, dafür mit Sonnenschein und angenehmer Briese. Wir sind nicht alleine hier, aber die anderen Camper sind weit verteilt. Trotzdem kommt unser kanadischer Nachbar vorbei, sucht das Gespräch und fragt dann erstaunt, wie wir denn dieses Plätzchen gefunden hätten, sonst wären hier nur Einheimische wie er. Also schon fast ein Geheimtipp, aber eben nur fast. Wir verbringen einen wunderbaren Abend und eine ruhige, gute Nacht hier - umgeben von der gewaltigen Bergwelt der kanadischen Rockies.