Vancouver Island - Surfer Paradis

Bei durchzogenem Wetter, welches sich bei zunehmender Entfernung zu Victoria immer mehr verschlechterte, fuhren wir der Küste entlang durch kleine Ansiedlungen, Sooke, Shirley und Port Renfrew. Nicht sehr touristisch und bei unserer Durchfahrt auch vom Wetter nicht verwöhnt, gibt die Küste den Blick frei über die Juan de Fuca Strait rüber nach Amerika. Nebst Hardcore Surfer in Neoprenanzügen haben sich hier auch einige Kleinstbetriebe angesiedelt und so kann man Kunsthandwerk bewundern, Selbstgebrautes verkosten (bring your own growler = bring Deinen eigenen Bierbehälter) und Leckereien aller Art geniessen. In Shirley hat ein ziemlich abgedrehter, nicht mehr ganz junger ausgewanderter Südafrikaner ein kleines Café mit dem findigen Namen Shirley Delicous laufen, welches nebst vielen Süssigkeiten und Kaffeekreationen auch Sandwiches und Suppen anbietet und an einem gewöhnlichen, regnerischen Montag erstaunlich gut besucht ist. Für die Nacht ziehen wir uns in den Wald zurück, finden unweit einer Forststrasse eine kleine Abzweigung, welche hinter einen Felsen am Fluss führt. Eine nicht eben vertrauenswürdig wirkende Hängebrücke überspannt den Fluss und das Schild "Betreten auf eigenen Gefahr" baumelt erschreckend schief am Brückenkopf. Wir betreten hier gar nichts, aber verbleiben im Bobilchen, denn es schüttet inzwischen wie aus Eimern. Das neue Buch ist interessant, der warme Tee und die Decke aus Ecuador wärmen und wir haben es schön kuschelig im Bobilchen.

 

Am nächsten Tag holpern wir der Forststrasse (Log Road) entlang, sehen den Cowichan Lake bei Regen durch die dichte Vegetation schimmern und stellen fest, dass nicht alle Orte auf Vancouver Island so sonnenverwöhnt sind wie Victoria. Die Fahrt zieht sich und ab und an kommt uns ein grosser Lastwagen mit jede Menge geladener Holz Tremmel entgegen. PWs dürfen diese "Log Roads" nutzen, es gibt sogar einfache Camps entlang dieser Strassen und sie sind bei Outdoorfans beliebt, da sie abseits der Touristenpfade verlaufen und Gebiete erschliessen, in welche man sonst nicht vordringen kann. Die Holzlastwagen haben Vortritt, doch das ist auf den breiten Kiesstrassen kein Problem. Wenn sie im Konvoi unterwegs sind, dann gibt der vorderste den folgenden Lastwagen per CB Funk durch, dass da mal wieder ein Zivi unterwegs ist. Und schon sind wir mal wieder beim Thema: CB Funk ist das Mass aller Dinge, Mobile ist nur was für Städter (und zu denen gehören wir). Die Forststrassen führen durch ursprüngliches Waldgebiet, aber die Narben, welche die Holzfirmen hier hinterlassen, werden nur notdürftig mit schnellwachsendem Holz aufgeforstet und dementsprechend traurig wirken gewisse An- und Ausblicke.

 

Bei Port Alberni ist die Hauptstrasse no 4 wieder erreicht und das Wetter bessert sich. Entlang der Strasse findet sich ein schöner Rastplatz, direkt am Fluss, mit Picknicktischen, Toiletten und Abfalleimern, sogar fliessendes Wasser (nicht Trinkwasser) und gratis Wifi gibt es hier. Wir kochen uns ein leckeres Abendessen, geniessen die Sonne und suchen im Internet ein paar Infos. Am Ende unserer Recherche steht fest: Die Fähre zum Festland kostet rund 100 CHF, von Port Hardy am Ende der Insel, bis Bella Coola an einem Fjord weiter nördlich schon 700 CHF und weiter in den Norden fast das 3fache. Nein, auch diese Küstenfahrt (Inland Passage) setzen wir auf unsere "Bucket List" für kommende Urlaube, vielleicht in Kombination mit einer Alaska Reise und ohne Auto. Auch Vancouver Island ist definitiv eine weitere Reise wert, aber mit regulärem Ferienbudget und nicht mit Weltreisebudget. Es erhärtet sich der Wunsch, in Zukunft mal Aktivurlaub zu machen, Tauchlizenz auffrischen, Yoga Retreat, SUP auszuprobieren, vielleicht einen Surf Kurs zu machen, im Seakajak die Küstenlinie zu erkunden und anschliessend in einem schönen Kaffee die Seele baumeln zu lassen. Am kommenden Tag zu einer Grizzly Tour mit Wasserflugzeug Anreise und Fotosafari in einer Backcountry Lodge starten, und die letzten Tage eines ausgedehnten Urlaubs den Sonnenunterganges von der Terrasse des eigenen Strandbungalow geniessen oder von der Terrasse eines Restaurants mit regionalen kulinarischen Köstlichkeiten. All das wäre möglich auf Vancouver Island, aber eben mit einem ganz anderen Budget.

 

Egal, die Spaghetti die Markus gekocht hat schmecken gut, der Sonnenschein auf unserem Picknick Tisch ist ebenso wärmend wie in einem Luxusrestaurant und zu unserem Glück finden wir auch noch ein schönes Plätzchen für die Nacht (auf dem Rastplatz ist das Übernachten untersagt). Von der Hauptstrasse zweigt ein Weg ab, dieser führt nach einer Weile über eine bescheidene Erdstrasse und zu einem kleinen Wasserfall. Dieser Ort ist nicht nur recht mückenfrei, sondern auch wunderbar friedlich, die Abendsonne glitzert durch das lichte Blätterwerk und das Rauschen des Wassers ist nicht nur schön anzuschauen, sondern auch herrlich zum Einschlafen. Um genau solche Momente geht es auf dieser Reise, darum solche Augenblicke und Ausblicke geniessen zu dürfen. Glücklich machen nicht die schönen Dinge die man haben könnte, sondern die, welche man erkennt und wahrnimmt, und diese Wahrnehmung macht glücklich, noch glücklicher, wenn man sie mit einem geliebten Menschen teilen kann.

 

Während unserer Zeit auf Vancouver Island besuchen wir auch den Pacific Rim Nationalpark. Hier lösen wir die Jahreskarte für alle Parks in Kanada (was sich bereits ab dem Besuch von 5 Parks bzw. 5 Tagen lohnt). Allerdings stelle ich dann fest, dass hier das Infomaterial dünn gesät ist. Entgegen den Nationalparks in der USA gibt es hier keine Broschüre und auch in den Visitor Centers weniger Information. Im Pacific Rim Nationalpark wird in erster Linie der Küstenabschnitt der Long Beach zwischen Ucluelet und Tofino geschützt, bzw. für Touristen zugänglich gemacht. Unter Schutz stehen aber auch der südliche, nur über den West Coast Trail zu Fuss und mit Reservation (teilweise über ein Jahr im Voraus zu buchen) erreichbare Teil sowie die nur per Kajak erreichbaren Fjorde und vorgelagerten Inseln. Interessant wäre auch ein Besuch der Hot Spring Cove Tofino (allerdings nur im Rahmen einer gebuchten Tour erreichbar) sowie ein Tauchgang. Jacques Cousteau nannte die Gewässer rund um Vancouver Island einmal "Emerald Sea" und wertete diese als eines der besten Gebiete weltweit für Kaltwassertauchen. Die Wilde Küste zeigte sich uns in mildem Sonnenschein und lieblich gegen den dichten Küstenregenwald gekuschelt. Ein schöner Anblick und seit 1959 durch eine Küstenstrasse erschlossen. Zu jener Zeit wurde diese Gegend zu einem Mekka für Aussteiger, Surfer und Hippies, doch 1970 mussten diese Kommunen der Gründung des Nationalparks weichen. Ein wenig dieser Lebenseinstellung hat sich aber im Dorf Tofino erhalten. Slogan des Dorfes: Half the pace - twice the pleasure. Wir folgen der Aufforderung der Broschüre "explore the shore" und machen einen ausgedehnten Spaziergang durch den mit Farnen und dichter Vegetation bewachsenen Regenwald bis zur Schooner Cove. Ein schöner Strand, feinsandig und mit vorgelagerten, dicht bewachsenen Inseln, Schwemmholz am Strand und Weisskopfadler in der Luft.

 

Im Visitor Center gibt es nebst einer interessanten Ausstellung über die Fauna und Flora auch Informationen über die hier wohnhaften Nuu-chah-nulth Menschen. Jäger der Meere, welche über Jahrtausende mit der Natur in Einklang lebten. 7 der 15 First Nations überlebten die Ankunft des weissen Mannes und leben heute in rund 22 kleinen Ansiedlungen innerhalb des Parkes, bzw. 9 davon an der Parkgrenze. Sie werden aktiv in Aministration und Informationsprogramme des Nationalparks eingebunden. Interessanterweise sind die Texte im Informationszentrum alle 3-sprachig abgefasst: in der Sprache der First Nation, Englisch und Französisch. In Tofino schlendern wir entlang der Hauptstrasse geniessen den Blick auf die Bucht und ein gutes Essen (mal wieder "locally sourced") mit frischem Fisch im Lokal "Shed Can". Ein selbstgemachtes Eis gibt es später im Chocolate Tofino. Lokale Geschmacksorten und selbstgemachte Schokolade werden hier in Handarbeit täglich frisch zubereitet. Wir finden diese Initiativen und Kleinstbetriebe super sympathisch und Einstellung und Lebensstil hier gefallen uns gut. Natürlich darf auch ein Besuch in einem süssen kleinen Buchladen mit grossartiger Auswahl nicht fehlen... Wir philosophieren so vor uns hin, wie gerne wir selbst so ein kleines Geschäft aufbauen würden, fragen uns aber gleichzeitig, ob wir davon leben könnten. Selbiges gilt für ein Camping mit kleinem Café/Shop mit regionalen Produkten und Handwerk, wo man für den kommenden Morgen frische Brötchen bestellen kann. Eine Gästetafel am Abend für Gäste die sich einen Tag vorher einschreiben und für die, die nicht mit dem eigenen Wohnwagen oder Zelt unterwegs sind, zwei, drei schöne, einfache aber geschmackvoll eingerichtete Cabins… Eine schöne Lage mit individuell abgetrennten Sites, den Amenities die Reisende wirklich brauchen (Campers Kitchen, Cosy Shelter mit Bücherecke, Wifi, Strom, ein sauberer Sanitätsblock und gute Duschen). Hmmm… träumen darf man ja.

 

Am Strand beim Visitor Center beobachten wir Surflehrer mit den Kiddis, früh übt sich, was mal ein Surferboy oder ein Surfergirl werden will. Irgendwie erinnert der Anblick an den Skiunterricht bei uns in den Bergen. Die Begeisterung und der Ehrgeiz der Kiddis ist ansteckend. Wir jedoch müssen für die Nacht wieder aus dem Park raus, die gesamte Umgebung ist ausgebucht oder sinnlos überteuert. Ein Vorgeschmack auf die kommenden Wochen, wo wir fortlaufend gegen die Hochsaison ankämpfen müssen. Aber wir kennen ja ein gutes Plätzen im Wald beim Wasserfall... Am kommenden Tag wechseln wir von der West zur Ost Küste der Insel. Da wir uns aber entschlossen haben, die 700km Umweg zum Nordende der Insel zu sparen (da wäre Port Hardy und die Fähre gen Norden), fahren wir Richtung Nanaimo, wo die Fähre nach Vancouver ablegt. In Qualicum gibt es einen etablierten lokalen Markt und die Gelegenheit per Skype auf einem Campingplatz in Nanaimo anzurufen. Ich verstehe den guten Herrn am anderen Ende der Leitung kaum, spricht er mit Indischem oder Asiatischen Akzent? Auf alle Fälle verspricht er mir, auf den Namen Sonja einen Platz zu reservieren, fragt aber weder nach Kreditkarte noch sonstigen Details. Wie wir dann dort ankommen, finden wir an der Büro Türe am Eingang einen Zettel auf dem steht: Sonja soll auf Platz 18 fahren und der gute Besitzer würde dann später vorbeischauen. Gesagt getan, doch was auffällt war der gepflegte Blumengarten und die akribisch abgetrennten Parzellen. Alles da, was man braucht und bis der gute Herr (wie sich herausstellte ein extrem redseliger, älterer Koreaner) auftauchte, hatten wir schon 2 Waschmaschinen Wäsche gewaschen und waren selber frisch geduscht. Praktisch aber auch schön und so entschliessen wir uns noch eine Nacht zu bleiben und einfach die Sonne und den Garten zu geniessen, eine Flasche Wein zu öffnen und den Grill zu nutzen. Am Tag darauf geht es dann mit der Fähre aufs Festland.