Fahrt zum & Zeit im Jasper Nationalpark

Auf der Fähre von Vancouver Island zum Festland treffen wir auf einen Süddeutschen, welcher Verwandte in der Schweiz hat, selbst aber seit über 30 Jahren in Kanada lebt. Man merkt, dass er gerne deutsch spricht, es ihm aber auffallend schwer fällt. Als ehemaliger, mittlerweile pensionierter Holzfäller gibt er uns gute Tipps für "off the beaten track" Routen und erwähnt auch wieder die Log Roads. Zudem macht er uns aufmerksam auf die Seite Graveltravel (mit coolen Tipps für Offroad Tracks, so auch dem TCAT - 15'000km Trans Canada Aventure Trail) sowie das Backroad Mapbook, ein Strassenatlas der anderen Art. Diese Atlanten gibt es für unterschiedliche Gebiete Kanadas und sie werden auch an Tankstellen verkauft. Wir haben einen angeschaut und würden so einen Atlas durchaus kaufen, wären wir länger in einem bestimmten Gebiet unterwegs. Dieser Atlas gibt nicht nur wertvolle Tipps zum Thema Camping, Hiking, Paddling und Fishing Locations, sondern zeigt auch alle offiziellen Tracks und Backroads auf, welche auf einer regulären Strassenkarte nicht verzeichnet sind. 

 

Von West Vancouver (Horseshoe Bay), wo die Fähre anlandet, fahren wir direkt in die Berge, Richtung Whistler. Es sind unglaublich viele Reisende unterwegs und die Autobahn, welche stark an die Walensee Autobahn erinnert, kann daher auch mit dem Verkehrsstau mithalten, den man von unserer Autobahn ins Bündnerland her kennt. Es scheint, als wenn alles in die Berge will und es ist heiss. Die Landschaft entlang der Sea to Sky genannten Strasse 99 ist schön und Pemberton scheint weniger überlaufen als Whistler, welches wir umfahren. Inmitten dieser erstaunlich warmen, wenn nicht schon fast zu heissen Berglandschaft finden sich viele Badeseen und alle Parkplätze platzen aus den Nähten. Am Cayoosh Creek, irgendwo noch oberhalb von Lilloonet, finden wir an einer Forststrasse ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen, doch während es hier kaum Touristen hat, wimmelt es von Moskitos. Auf der anderen Seite der Küstenkordilleren ist Lilloonet, ein kleines sympathisches Dörfchen, schnell erreicht. Wir steuern die "Bun Dance Bakery" an und werden nicht enttäuscht: selbstgemachte Köstlichkeiten, guter Kaffee, herrlich frisches, richtiges Brot und ein wirklich hübsch mit Antiquitäten gestalteter, heller Raum zum Verweilen. Preiswert, sympathisch und gut.

 

Man kann sich kaum vorstellen, dass Lillooet, welches heute 2500 Einwohner zählt, zur Zeit des Goldrausches 1858 eine der grössten Städte nördlich von San Francisco war. Diese Ortschaft liegt an Mile 0 der Cariboo Wagon Road, welche während des Goldrausches eine wichtige Verbindungsstrasse war, und so heissen auch die darauffolgenden Städte irgendwie speziell: 47 Miles House (heute Clinton) lag genau 47 Miles von Lillooet. Weitere Roadhouses entstanden entlang der Strecke, so das 70 Miles House, 100 Miles House und 150 Miles House. Diese Orte heissen auch heute noch so und somit machte mich Markus verwundert auf ein Plakat aufmerksam: "In 70 Miles gibt es einen Lebensmittelladen... aber warum rechnen die Kanadier denn nun wieder in Meilen, die haben doch schon seit einigen Jahrzehnten das Metrische System eingeführt?" Nun, der Laden war schnell erreicht, 5km später fuhren wir in die Ortschaft 70 Miles House und fanden dort auch tatsächlich ein Wildwest Haus mit Veranda wo wir Verpflegung kaufen konnten. Die kleine Ansiedlung von Häusern lag schnell wieder hinter uns, doch auch hier, wie schon den gesamten Vormittag, scheint es jede Menge "Selbstmörder Hühner" zu geben. Ständig spazieren diese Wildhühner über die Strasse, aber sie würden kein bisschen schneller rennen, wenn ein Auto kommt, im Gegenteil, und wenn dann die andere Seite erreicht ist, dreht die ganze Hühnerfamilie wieder um, nur um anschliessend mitten in der Strasse stehen zu bleiben und einem blöd anzuschauen. Zum Glück ist auf dieser Strasse nicht viel Verkehr und so können wir auch für jede Hühnerfamilie halten und warten, bis die dann endlich wissen, in welche Richtung sie gehen wollen. Aber ehrlich, dieses Hühner Verhalten ist doch lebensmüde. Wir fahren weiter via Pavilion, Cache Creek und Lone Butte bis Little Fort und von dort wieder auf den TCH (Trans Canada Highway).

 

In der Nähe von Blue River finden wir einen guten Rastplatz für ein Abendessen (wir sind in Bärenland unterwegs und denken uns, es ist besser das Fleisch auf dem Rastplatz zu braten, als an unserem Übernachtungsplatz) und fahren danach noch ein Stück weiter Richtung Jasper Nationalpark. Und plötzlich bremst ein entgegenkommender Lastwagen ebenso abrupt, wie der Lastwagen vor uns. Dann sehen wir auch warum: ein ausgewachsener Schwarzbär kreuzt die Autobahn - unsere 4. Bärensichtung. Ein stattliches Exemplar, welches aber so schnell verschwunden ist, wie es aufgetaucht ist. Am Nordende des Kinbasket Lake finden wir dann ein wirklich schönes Übernachtungsplätzchen auf einer erhöhten, unbewaldeten Landzunge über dem See. Wiedermal führte uns eine Log Road zu diesem Plätzchen, doch hier sind wir nicht alleine. Zum Glück verteilen sich die Camper auf dem weiten Areal gut, wir schauen Fischern zu, die im Licht der untergehenden Sonne an der Flussmündung ihr Glück versuchen, während sich das Bergpanorama im See spiegelt und den schönen Abend ausklingen lassen. Herrliches Plätzchen... Am nächsten Morgen geniessen wir die friedliche Stimmung über dem See und die Tatsache, dass es keine lästigen Mücken gibt. Dafür wundern wir uns über eine spezielle Grille, welche wir "Knackfrosch" nennen. Wenn dieser Grashüpfer durch die Luft springt, sieht er aus wie ein Zitronenfalter, flattert schmetterlingshaft aber total unkoordiniert knapp über dem Boden herum und knackt dabei wie ein Spielzeug Blech-Knackfrosch.

 

Zurück auf der Hauptstrasse ist der Mount Robson Provincial Park bald erreicht. Der Mount Robson (3954m) ist der höchste Berg der kanadischen Rocky Mountains und sein schneebedeckter Gipfel bietet ein imposantes Bild. Als einer der schönsten Wege wird der Berg Lake Trail genannt, 21km durch das Tal der 1000 Wasserfälle und wieder zurück. Klingt gut, doch wie wir erfahren, ist nur noch 1 Backcountry Campsite verfügbar und auch nur noch für heute Nacht. Heute noch unsere Rucksäcke zu packen und dann nach 21km Fussmarsch auf einem zugewiesenen Platz von 3x3 Meter zwischen anderen Zelten zu übernachten überzeugt uns irgendwie nicht so recht, vom Yosemite Nationalpark in Kalifornien haben wir das anders kennen gelernt. Das man hier auch im Backcountry ein Erdquadrat zugeteilt bekommt, auf welchem man sein Zelt aufzustellen hat, nimmt irgendwie die ganze Flexibilität und den Reiz des "alleine unter den Sternen campen". Ausserdem wollen wir die Schönwetterperiode, welche in wenigen Tagen kippen soll, nutzen um die Nationalpärke entlang des Icefield Parkway zu erkunden. Also fahren wir über den Yellowhead Pass nach Jasper und somit auf 1131MüM über die Staatsgrenze von BC nach Alberta. Die Staatsgrenze ist auch Zeitzonengrenze und so "verlieren" wir unsere erste Stunden auf dem Weg nach Osten. Im Dorf Jasper holen wir uns im Touristenbüro einige Infos und erfahren wo wir duschen (Gemeindezentrum) und wo wir übernachten können, denn der 780 Plätze zählende Riesencamping "Whistlers" ist ebenso ausgebucht wie alle anderen Campings im Nationalpark. Zum Glück bietet der Ort Jasper einen "Overflow Campground", defacto einen riesigen Kiesparkplatz wo man für 15 CND über Nacht stehen und das Plumpsklo nutzen darf.

 

Nachdem wir nun wissen, wo wir übernachten können, spazieren wir durch Jasper und geniessen eine erstaunlich gute Steinofenpizza auf der Dachterrasse eines netten Restaurants. Doch wie überall in Nordamerika, ist die Bedienung zwar freundlich, aber kaum hat man den letzten Bissen auf der Gabel, kommt diese daher gerannt, fragt, ob man noch Nachtisch möchte, und sagt man nein, landet im selben Moment die schon ausgedruckte Rechnung auf dem Tisch. Mit gemütlich austrinken ist nichts, plaudern und sitzenbleiben erst recht nicht. Auch egal, denn wir möchten die schönen Nachmittags- und Abendstunden nutzen, um einige der Höhepunkte des Parks zu besuchen. Der Maligne River fliesst aus dem Maligne Lake in den scheinbar abflusslosen Medicine Lake. Doch das Wasser versickert in Karsthöhlen und kommt erst kilometerweit später wieder an die Oberfläche. Dies führt dazu, dass der Medicine Lake jeden Herbst austrocknet, da zu wenig Schmelzwasser zufliesst und zu viel Wasser durch die Karsthöhlen abfliesst. Wir jedoch sehen ihn gefüllt im schönsten Sonnenlicht und da es so heiss ist, baden jede Menge Leute im kalten Bergsee.

 

Für mich etwas befremdlich ist der Anblick des toten Holzes um den See herum, ganze Wälder die bei meinem Besuch 2012 grün leuchteten, sind nun schwarz und abgebrannt. Bäume, die aussehen wie in den Boden gesteckte, angekohlte Streichhölzer. Irgendwie deprimierend und doch blüht das Leben am Boden im wahrsten Sinne des Wortes: Grünes, saftiges Gras und rosa Kissen voller Fireweed, Buschröschen gleich blühen diese als erstes nach einem Waldbrand. Am 1. Juli 2015 schlug ein Blitz ein und 9 Tage lang loderte das Feuer im Untergrund bevor das Feuer am 9. Juli in der Nähe des Medicine Lake ausbrach. Extreme Trockenheit verhinderte, dass das Feuer vom Boden her bekämpft werden konnte und erst um den 20. Juli herum war das Feuer unter Kontrolle, fast 10km2 Wald war zerstört. Im Gebiet leben auch Karibus, doch obwohl diese geschützt und extrem kälteangepasst sind, nimmt ihre Population rapide ab. Die grössten Huftiere in der Gegend sind Moose (Elch), Elk (Wapiti), Caribou (Karibu) und Mule Deer (Hirsch). Ein Elch bringt etwa 450kg auf die Waage, ein Hirsch eben mal 120kg, doch alle tragen sie beeindruckende Geweihe. Eigentlich tragen nur die Männchen Geweihe, bis auf die Karibu, da kann auch das Weibchen ein einfaches Geweih tragen. Leider sehen wir keine Huftiere, dafür eine Braunbär Mutter mit 2 Jungtieren. Ein Riesenstau auf der Strasse und lauter Touristen, die aussteigen und Fotos machen. Das sollte man ja nicht, schliesslich ist es für den Bär nicht gut, sich so an Menschen zu gewöhnen und für die Menschen nicht ungefährlich, vor allem da ein Muttertier unberechenbar reagieren kann, wenn sie vom Rummel genug hat. Ich komme mir aber trotzdem irgendwie blöd vor, wie ich da versuche mit dem Tele aus ungünstiger Position ein Bild zu machen. Die Kleinen sind aber auch super süss zu beobachten.

 

Am Maligne Lake angekommen ist es uns zu heiss, auf den Bald Hill zu wandern, statt dessen geniessen wir das laue Lüftchen am malerischen See. Auf der Rückfahrt nochmals ein Schwarzbär, diesmal ganz Nahe an der Strasse und nur von einem Gebüsch versteckt. Hier beobachten wir, wie sich eine asiatische Touristin gefährlich nahe dem Bär nähert, das Handy in der Hand, aber den Bären eindeutig nicht im Blick, schaut sie suchend herum - wir können nur den Kopf schütteln. Aber für uns ist es somit der 8. Bär den wir sehen. Ob wir noch einen Grizzly zu sehen bekommen? Wir besuchen auf der Rückfahrt bei schönem Abendlicht noch den Maligne Canyon und nächtigen dann auf dem vorab erwähnten Overflow Camping, recht ungemütlich, da wir das Dach nicht hochklappen wegen allfällig neugieriger Bären, die unser Essen im Wagen riechen und uns dann interessiert einen Besuch abstatten könnten. Wir denken, die Gefahr von einem Bären besucht zu werden, ist in einem von Touristen stark frequentierten Gebiet grösser, als irgendwo abseits, aber man weiss ja nie. Trotzdem schlafen wir gut und sind am kommenden Tag früh wach, wir wollen ja den Icefields Parkway befahren, bevor die Touristenströme eintreffen.