Washington & Olympic Nationalpark

Erneut queren wir die grosse Brücke von Astoria in Oregon nach Washington auf der anderen Seite des Columbia River. Der kleine Abstecher nach Seaview lohnte sich jedoch nicht wirklich und ausserdem zogen sich die Wolken auch wieder zu, nur um wenig später, als wir den Rand des Olympic Nationalparks erreichen, der Sonne wieder Platz zu machen. Wir fahren auf einer ersten Erkundung des Parks zum Lake Quinault und besuchen die angeblich grösste Fichte der Welt (Spruce Sitka Tree). Hier sind Baumrekorde ja nicht selten, sofern sie nicht den Holzfällern zum Opfer gefallen sind. Knapp 60 Meter hoch ist die 1000 Jahre alte Fichte mit ihrem 18 Meter umfassenden Stamm. Rund 3.5 Meter Regen fallen hier angeblich übers Jahr verteilt und so gedeihen hier nebst der Fichte auch andere Rekordhalter: Rote Zedern (Tuja), Douglas Kiefern und Hemlock Tannen. So wundert es nicht weiter, dass dieses von der First Nation Quinault verwaltete Gebiet auch den Namen "Valley of the Rainforest Giants" genannt wird. Es gibt kürzere und längere Spaziergänge durch diesen Regenwald, welcher in gemässigtem Klima und nicht in einer tropischen Zone wächst. Irgendwie erinnert vieles an Patagonien, speziell an die Wälder im Chilenischen Süden. Von den Bäumen hängende Flechten, grosse Farne und weiche, dichte Mooskissen prägen den Wald. Natürlich freuen wir uns, dass es heute im Regenwald nicht regnet, sondern die Sonne die Überhand gewinnt. Es ist sogar windstill und somit warm genug für ein Glacé am Seeufer. Im Rain Forest Village gäbe es nebst einem einfachen RV Park auch ein paar schöne Blockhäuser zur Miete, diese sind uns allerdings zu teuer und Elektrizität, Dusche und Waschgelegenheit konnten wir ja unlängst in Astoria geniessen, so suchen wir uns für die Nacht ein nettes Plätzchen ausserhalb des Parks an einer Forststrasse mitten im kräftigen Grün des dichten Waldes und dennoch nicht weit des Beach no.3 bei Kalaloch.

 

Der Olympic Nationalpark ist riesig. Fast 4000km2 gross, umfasst er fast die ganze Halbinsel, ist von drei Seiten vom Meer umspült und war in der Eiszeit auf der vierten durch Gletscher vom Festland getrennt. Daher beherbergt dieses Gebiet eine Menge endemischer Pflanzen und Tiere. Keine Strasse und nur wenige Wanderwege führen durch diese Wildnis, eine einzige Ringstrasse, die R10, führt um den Park herum und von ihr zweigen ein paar Stichstrassen in das eine oder andere Tal ab. Während das Zentrum unter Schutz steht, sind nur Teilabschnitte der Küste geschützt. Interessant ist auch, dass hier nicht nur Überlieferungen indigener Kultur, sondern 8 First Nations überlebt und den Sprung in die Moderne mehr oder weniger unbeschadet geschafft haben. Hier leben in selbst verwalteten Gebieten die Makah, Ozette, die vorher genannten Quinault und die Elwah, um nur einige zu nennen. Auch die Quileute leben hier und wenn ich nun noch die Namen "La Push" und "Folks" dazumische, leuten bei einigen vielleicht schon die Glocken. Ja, es gibt sie wirklich, diese First Nation und diese Ortschaften, auch Blutsauger gibt es hier, allerdings glitzern sie nicht im Sonnenlicht, meiden dies aber ebenfalls und stechen ganz schön frech zu. Wir besuchen den Strand, machen einen ausgedehnten Spaziergang, bewundern den dichten Bewuchs bis an den feinsandigen Strand heran, sowie die riesigen Schwemmholzdämme, mit welchen man herrliche Bonfire machen könnte. Markus baut aus den flachen Steinen, welche durch die stetigen Wellen abgerundet wurden, ein hohes Steinmännchen, welches ich mit einer Muschel dekoriere.

 

Ich schaue mir die Landschaft mit den Augen der Autorin von Twilight an und man kann von den Büchern halten , was man will, Stephenie Meyer hat die Landschaft wirklich gut beschrieben. In den Nationalpark kommen wir am heutigen Tage nicht mehr, aber bis nach Forks. Dort treffen wir zwar weder auf Bella noch auf Edward, jedoch auf eine Holzbaufirma die Swan heisst und auf eine 4. Juli Parade, die schon irgendwas Schrilles an sich hat. Die Hauptstrasse ist für 3 Stunden gesperrt und so ist nix mit weiterfahren. Die Hälfte der Bewohner der Umgebung scheint sich versammelt zu haben. Bier (ausnahmsweise anscheinend auf der Strasse erlaubt) und Wurststände sowie tausend Klappstühle am Strassendrand mit plaudernden Leuten in Festlaune, USA Fähnchen und Hüten, T-Shirts oder zumindest einer Haarschleife mit USA Flaggen Motiv. Alle warten sie auf die andere Hälfte der Bevölkerung, welche nun im Entenmarsch auf Traktor und Pickup vorbeidefiliert. Teilweise ist weder erkennbar, was der Umzugswagen darstellen soll, noch warum der hier nun mitfährt. Auf wieder anderen Wagen sitzt wohl der Stadtrat oder sonst wichtige Leute, die sich beklatschen lassen, die High-School Ballkönigin des Jahres darf natürlich auch nicht fehlen, genauso wenig wie die Cheerleader Truppe, Football Mannschaft und irgend ein Twilight Wagen. Im Ort gibt es auch verschiedene Twilight Fanartikel zu kaufen und sogar eine Twilight Tour wäre zu buchen, wir jedoch machten uns, sobald die Strasse wieder geöffnet wurde, auf den Weg nach La Push und das Quileute Reservat auf. Kurz vor dem Reservat finden wir dann das Zuhause eines älteren, sympathischen Rentnerpaares, welches ihren riesigen Garten mit Liebe gestaltet und in der Lichtung hinter dem Haus 15 grosszügig bemessene Stellplätze für Zelte und RVs gebaut hat. Einige der Plätze haben Strom, alle neue Bänke und als Zugabe einen sensationellen Wifi Empfang. Da könnte sich manch grosser Platz ein Vorbild daran nehmen. Für 15 USD verbrachten wir hier einen friedlichen Abend und eine gute Nacht, im Preis inbegriffen sind ein Plumpsklo und eine aus Plastikplache selbstgebaute Aussendusche. Herrlich heisses Wasser, nur leider etwas zu klein gebaut für Markus, welcher zum Duschen in die Knie gehen muss. Leider beginnt es am späteren Abend wieder zu regnen und es wird empfindlich kühl.

 

Am nächsten Tag geht die Fahrt von La Push nach Port Angeles und langsam kommt auch wieder die Sonne zum Vorschein. So können wir, nachdem wir uns im Fährterminal nach Abfahrtszeiten und Prozedere für die Einreise nach Kanada erkundigt haben, unser Mittagessen (gute Crêpes) in einem Strassenkaffee einnehmen. Hier gibt es tatsächlich Strassenkaffees mit kleinen Terrassen, etwas was wir in den vergangenen Monaten eher selten gesehen haben. Wir buchen dank gratis Wifi im Kaffee (ebenfalls ungewöhnlich für Nordamerika) gleich eine Unterkunft in der Nähe von Victoria, welches auf Vancouver Island auf der anderen Seite der Strait of Juan de Fuca, liegt. Die Meerenge mit Namen Strait of Juan de Fuca trennt die USA von Kanada. Billig sind die Unterkünfte dort auch nicht und leider auch sehr gut gebucht. Dennoch werden wir fündig und hoffen, dass das im Verhältnis preiswerte Airbnb hält was es verspricht. Langsam merken wir auch die Schattenseiten des Reisen, man hat nach über 9 Monaten auf Achse immer mehr das Bedürfnis, auch mal an einem Ort länger zu verweilen, Gedanken kreisen um die Heimat, Freunde und Familie, die man vermisst. Man entwickelt das Bedürfnis, mal wieder zu Hause vorbei zu schauen, gewisse Kleinigkeiten und den Luxus von vertrauter Umgebung zu geniessen. Am Schönsten wäre es natürlich, wenn man das Reisen mit der Arbeit verbinden könnte, irgend ein Job finden würde, wo es möglich ist, 3 Monate Urlaub zu machen und 9 zu arbeiten.... träumen darf man ja.

 

Am Nachmittag fahren wir von Port Angeles hoch zum Hurrican Ridge. Die Strasse ist kurvenreich, doch was uns erstaunt ist, dass es oben aussieht wie auf der Schwägalp, aber mit Blick in die verschneiten Glarner Alpen. Wir haben Heimweh, Markus schwärmt von der nächsten Solo-Wanderwoche, die er in den Alpen machen möchte und wir schauen uns diesen irgendwie vertrauten und dennoch fremden Anblick an, denn dreht man sich um, ist da das Meer. Auf der anderen Seite sieht man Vancouver Island. Die Strait of Juan de Fuca ist nebelfrei und das von der Sonne beleuchtete Panorama weckt die Vorfreude auf Kanada. Wir drehen uns wieder um und blicken somit ins Alpine Zentrum des Parks. Olympic Nationalpark das heisst Küste, Regenwald und Berge. Drei ganz unterschiedliche Lebensräume, welche hier ineinander übergehen. Dieses Gebiet ist seit 1938 ein Nationalpark, heute aber auch ein Biosphäre Reservat und World Heritage Site. Wir spazieren auf den Bergkamm des Hurricane Ridge auf 1600 Meter und bewundern den Blick in die schneebedeckten Bergen, aber anders als in der Schweiz haben hier die Rehe keine Scheu und so können wir dem Spiel den beiden Kitzlein mit Mami und halbwüchsigen Bruder in Ruhe zuschauen. Die Tiere weiden ohne Scheu und lassen sich durch nichts und niemanden stören, genau wie das putzige Murmeltier, welches an seinem Loch neben dem Wanderweg Ausbesserungen vornahm. Interessant war auch der anschliessende Information Talk einer Geologin und das erstaunlich gute Wissen der interessierten Kinder. Die gute Frau sollte Lehrerin werden und plötzlich würden sich alle an der Uni für Geologie einschreiben.

 

Unsere letzte Nacht im Westen der USA verbrachten wir auf dem Parkplatz des 24 Stunden geöffneten Walmart Port Angeles. Hier (wie auf sehr vielen, aber nicht allen Walmart Parkplätzen) ist es für RVs offiziell erlaubt über Nacht zu parken, gratis versteht sich, dafür kauft man am Abend oder am Morgen noch schnell was ein und kann die Toiletten nutzen. Es gibt sogar den Ausdruck "Walmart Camping" - na dann, gute Nacht.