Wilde Küste Oregons

Während dem Frühstück beobachten wir Einheimische am Strand beim "Clamming", wie wir lernen, einer Familientradition hier in Oregon. Rasiermesser Muscheln werden bei Ebbe aus dem Schlamm gebuddelt und gesammelt. Nach einem Morgenspaziergang am Meer verlassen wir die Dünenlandschaft südlich von Florence am Pazifik, eine Landschaft aus Sand und spezieller Vegetation, welche sich teilweise kilometerweit ins Landesinnere fortsetzt. Florence bietet uns zudem die Gelegenheit, mal wieder unsere Wäsche zu waschen und uns gleichzeitig in einer total sauberen Dusche frisch zu machen. 7 USD zahlen wir für 16 Minuten heisses Wasser. Es sind die kleinen Dinge, die man auf einer langen Reise zu schätzen lernt.

 

Nördlich von Florence wird die Küste felsiger und bald kommen wir zur Sea Lion Cave, einer der Hauptattraktionen der Küste Oregons. Wir überlegen hin und her, ob wir das Geld für den Besuch ausgeben sollen, haben wir doch schon Seelöwen in Südamerika aus nächster Nähe beobachten können. Doch wir werden nicht enttäuscht. Zwar sind hier die lieben Tiere nicht so Nahe wie in Südamerika, dafür handelt es sich um die grösste Art Seelöwen und ausserdem haben sich diese Tiere hier eine ganz spezielle Umgebung ausgesucht. Die Steller Seelöwen, wie sich diese Art nennt, leben im Winter und bei Sturm in einer Höhle, der grössten Meereshöhle der USA und sonnen sich im Sommer und bei gutem Wetter draussen auf der Sandbank, wo sie auch ihre Jungen aufziehen. So konnten wir über 100 Tiere draussen auf der Sandbank bestaunen. Diese Seelöwen sind im Nordpazifik verbreitet, in der gesamten Beringstrasse und kommen bis nach Oregon hinunter. Ein Männchen kann 18, ein Weibchen 30 Jahre alt werden. Männchen sind grösser und schwerer, so wiegen diese bis zu 1.2 Tonnen und werden über 3 Meter lang. Sie gehören zu den Ohrenrobben. In den riesigen Kolonien geht es ruppig zu, oft kommt es zu Kämpfen unter rivalisierenden Bullen, die ihre 10-20 Kühe umfassenden Harems verteidigen. Dabei kann es auch mal vorkommen, dass ein Junges überrollt und zu Tode gequetscht wird. Die Männchen erreichen die Kraft für diese Kämpfe erst im Alter von 9-10 Jahren und haben ab da nur noch ein Ziel im Kopf. Weibchen werden im Alter von 5 Jahren geschlechtsreif und gebären pro Jahr ein Junges, welche sie liebevoll umsorgen und bis zu drei Jahre lang stillen. Sie erkennen ihre Jungen durch Geruch- und Tastsinn. Obwohl die Tiere geschützt sind, nimmt deren Population seit den 1980ern stetig ab. Auch wenn zum Zeitpunkt unseres Besuches eben nur mal ein Männchen mit 2 Weibchen auf dem zentralen Felsen der Höhle sass, so war die immense Landhöhle, welche von Meerwasser gefüllt wird, dennoch und schon für sich selbst gewaltig. Kaum vorstellbar, wie das aussehen (und riechen) muss, wenn die Höhle voller Seelöwen ist. Auf einer Schautafel entdecke ich einen Grössenvergleich der verschiedenen Seelöwen und so scheinen die nördlichen Vertreter zwar eine weniger beeindruckende Mähne zu haben, als die südlichen, überragen diese aber bei weitem in Grösse und Gewicht. Im Gegensatz zu ohrlosen Robben (welche nur kriechen können), können Seelöwen wie alle Ohrenrobben, die Hinterläufe zur Fortbewegung nutzen und sind somit wendiger an Land. Zum Schwimmen nutzen sie vor allem die vorderen Flossen, entgegen den Robben, welche die Schwanzflossen wie Propeller benutzen. Seelöwen jagen nach Fisch, Oktopussen und Kalmaren bis zu 15km vor der Küste und tauchen dabei bis zu 400 Meter tief.

 

Wir fahren an diesem Tag nicht mehr sehr weit und finden ein windgeschütztes Plätzchen oberhalb eines Strandzuganges mit schönen Picknickbänken und ohne "no overnight parking" Schild. Für diese Küstengegend eine optimale Möglichkeit für eine weitere, kostenlose Übernachtungsgelegenheit. Wir geniessen den Blick, die Nachmittagssonne und den Sonnenuntergang. Das Rauschen der Wellen ist allgegenwärtig und in der Nacht scheint der Mond über dem Nebel, welcher langsam über dem Meer aufsteigt. Da wir auf solchen Plätzen immer "low key" (möglichst unauffällig) übernachten, klappen wir schon um 7 Uhr morgens das Dach ein und frühstücken im Innern von Bobilchen. Es ist zwar annähernd 15°C warm, doch der Nebel hält die wärmenden Sonnenstrahlen noch ab. Gegen 8 Uhr hat die Sonne dann aber die Oberhand gewonnen und wir fahren bei schönstem Sonnenschein weiter nach Norden.

 

Unser nächster Stopp ist das Cape Perpetua. Hier gibt es nicht nur schöne Spazierwege mit Aussicht über das Kap, sondern auch die Gelegenheit bei Ebbe die Steinpools zu besichtigen, welche bei Flut überschwemmt werden. In diesen Gezeitenpools leben viele Tiere und Pflanzenarten, Muscheln, Anemonen, Krebse und Seeigel können wir so problemlos sehen, während die Wellen weiter vorne durch enge Felszugänge drängen und in Fontänen durch die Felsen schiessen. Die auffallend grüne Farbe der Anemonen hier kommt von den Algen, welche auf ihren Tentakeln wohnen. Mit seinen klebrigen Tentakeln fängt die Anemone ihr Essen, kleinste Fische und Krebse. Auf den Felsen vor der Küste brühten auch Kormorane. Von diesem Vogel gibt es bis zu 30 verschiedene Arten, aber nur der Kormoran in Japan wird zum Fischen abgerichtet. In allen anderen Teilen der Welt fürchten die Fischer um ihren Fang, doch Kormorane stehlen keine Fische vom Boot, sondern ernähren sich ausschliesslich von frischem, selbst gefangenem Fisch. Erstaunlicher finde ich die Information, dass es Kolibris entlang der gesamten Küste gibt. Ich wusste nicht, dass der Rufous Kolibri den Winter in Mexiko verbringt, zum Brüten jedoch bis nach Alaska fliegt.

 

Gegen Mittag sind wir im Städtchen Yachats mit rund 700 Einwohnern. Eine Feriendestination, aber sympathisch klein und mit ein paar netten Häusern. In einem dieser Häuser entdecken wir die "Bread & Roses Bakery" (238, 4th Street) und kommen in den Genuss guter Backwaren und eines prima Cappuccino. Wir sitzen auf der Terrasse und geniessen nebst dem guten Gebäck auch Wifi. Kontakt zur Aussenwelt ist so eine Sache hier, wenn W-Lan, dann oft von sehr schlechter Qualität. Auch das Mobile Netz ist keine Alternative (Roaming Pakete), da die Funklöcher immens grösser sind als die Bereiche mit Empfang. Ausnahmen bestätigen die Regel. Am Nachmittag erreichen wir nach einer angenehmen Fahrt der schönen, wilden Küste entlang, bei bestem Wetter Cape Foulweather. Hier kam James Cook 1778 vorbei und das wohl an einem Schlechtwettertag, denn er benannte diesen Felsen nach den Wetterbedingungen. Etwas nördlich davon, aber noch bevor man nach Depoe Bay kommt, gibt es einen grossen Parkplatz über den Felsen und etwa 500 Meter weiter nördlich einen kleinen Park mit weiteren Parkplätzen, einer Gästetoilette, fliessend Wasser und Picknick Tischen. Rocky Creek Viewpoint heisst es hier, doch was es hier zu sehen gibt, wissen wir beim Heranfahren noch nicht, es fallen uns jedoch die vielen Menschen mit Teleobjektiven und Feldstechern auf. So gehen auch wir schauen was es da zu sehen gibt und wow, zwei Stunden später stehen wir noch immer dort und können uns nicht sattsehen. Wir bekommen unsere eigene, gratis Walbeobachtung.

 

Wie wir von lokalen Besuchern lernen, schwimmen die Wale während der Flut gerne extrem nahe an der Küste, also quasi unterhalb von uns durch. Die Küste fällt hier steil ab, und so ist es für sie kein Problem, nahe heranzuschwimmen. Wir beobachten sogar, wie einige in die kleine Sandbucht einbiegen, und dem Strand dort gefährlich nahe kommen. Obwohl wir erst meinen, Buckelwale zu sehen, stellt es sich heraus, dass es Grauwale sind. Grauwale können vom Land aus gut beobachtet werden und zwar fast das ganze Jahr über. Obwohl ihre jährliche Wanderung zu den längsten unter Säugetieren gehört, und sie in der Regel weiter bis nach Alaska ziehen, verbleiben auch einige den ganzen Sommer über vor der Küste Oregons und Washingtons. Eine Schönheit sind sie nicht, ihr ganzer Körper ist übersät mit Narben, Muscheln und Seepocken, aber sie sind offenbar sehr verspielt, neugierig und zutraulich.  Sie gehen auf Körperkontakt, streicheln sich mit den Flossen, verteidigen aber ihre Jungen auch vehement. In Strandnähe kann man Zeuge ihres etwas uninspirierten Fressverhaltens werden: sie wühlen im Schlamm, eine energiesparende Nahrungsaufnahme, denn Energie brauchen sie für die lange Wanderung. Am Meeresgrund drehen sie sich auf eine Seite und saugen langsam den Boden ab, der Schlamm wird dann via Zunge und Barten auf essbares Plankton gefiltert und die Schlammspuren sind auf der Wasseroberfläche gut erkennbar. Sie essen nur im Norden, zwischen Mai und Oktober, im südlichen Winterquartier fasten sie und verlieren dabei rund 30% ihres Gewichtes. Grauwale werden 12-15 Meter lang (Weibchen sind grösser als Männchen) und rund 35 Tonnen schwer. Je älter das Tier, umso mehr weisse Narben und Flecken weisst die Haut auf. Ihr Blas ist V-förmig, etwa 2.5m hoch, und gut erkennbar, ihre Flunke kann bis 3 Meter Spannweite haben. Sie tauchen in der Regel für 3-5 Minuten und kommen dann wieder an die Oberfläche.

 

Im Nordpazifik leben noch rund 20`000 dieser Tiere, leben aber ausschliesslich zwischen Mexiko und Alaska. Die Population im Atlantik hat die Jahre des Walfanges nicht überlebt. Einmal erleben wir sogar, wie ein Wal springt, aber nicht sehr hoch und wohl eher aus einer Laune heraus. Die Wale bewegen sich offensichtlich auch gerne der Küste entlang, um so ihre Jungen zu schützen, denn in den tieferen Gewässern lauern ihnen gerne mal Orcas auf, die fleischfressenden Zahnwale (daher auch der Übername Killerwal). Wir richten uns auf dem mit Gras bewachsenen Rocky Creek Viewpoint ein, und obwohl mit der zurückgehenden Flut die Anzahl der Wale abzunehmen scheint, zeigen wir noch immer begeistert aufs Meer und rufen "da blässt einer", als wir beim Abendessen sind. In der Nacht wurde es bewölkt, doch wir waren nicht die einzigen Camper, welche die Nacht hier verbrachten, um gleich am Morgen wieder Ausschau nach den Walen zu halten. Die Anzahl der Sichtungen in den Nachmittagsstunden (Flut) und die Nähe zur Küste, zu welcher sie sich aufhielten, war einfach fantastisch.

 

In Lincoln City kaufen wir ein Souvenir der besonderen Art. Eigentlich wollten wir im Outlet Center nur das gratis Wifi nutzen, um nach einer Unterkunft in Astoria zu suchen, doch dann entdeckte Markus eine Vintage Lederjacke nach seinem Geschmack und ich probierte lauter elegante Jacken bis mein Augenmerk ebenfalls auf ein Vintage Modell im Stile einer Fliegerjacke fiel. Nicht unbedingt mein Stil, aber die Jacke gefiel mir irgendwie und war sehr bequem und warm gefüttert. Nach einer halben Ewigkeit und einem hin und her, ob wir denn nun das Geld dafür ausgeben sollten, entschlossen wir uns die Jacken zu kaufen, für einen Bruchteil des ursprünglichen Preises und dank Oregon auch ohne zusätzliche Sales Tax. Eine andere Eigenheit dieses Staates besteht darin, dass hier alle Tankstellen per Gesetz bedient sein müssen, also kein Selfservice. Obwohl wir bisher "nur" den tiefsten See im Landesinnern und die Küste besucht haben, so scheint Oregon auch mit einer extremen landschaftlichen Diversität aufzuwarten. Der höchste Berg ist der Mount Hood und annähernd 1/2 der Staatsfläche ist bewaldet. Zudem findet sich hier die grösste Population von Seeadlern der USA, im Klamath Forest sind es über 1000 Tiere. Überraschenderweise findet sich im Osten des Staates auch der tiefste, durch einen Fluss gestaltete Canyon der USA (der Hells Canyon ist 2400 Meter tief) und eines der reichsten Fossil Beds der Welt (John Day), sowie 12 Skigebiete. Die Hauptstadt Portland gilt als ein Vorreiter, im Bereich Umweltschutz in den USA und ist bekannt für ihre junge Kultur an Biobauern, Mikrobetrieben und Andersdenkenden. Wir jedoch bleiben der Küste treu, mit ihren neun Leuchttürmen und einem Leuchtschiff.

 

Die Küste bis nach Astoria ist viel dichter besiedelt und bietet nicht mehr die selben Eindrücke wie weiter südlich. Trotz allem nehmen wir uns in Neskowin die Zeit für ein Glacé und einen Strandspaziergang zum Proposalrock und fahren der Küste entlang bis Oceanside, wo wir nach Puffins (den Vögeln, welche wie Pinguine aussehen) Ausschau halten. Leider sehen wir diese nicht, dafür ein Reh, das ganz friedlich beim Parkplatz grast und sich an den vielen Menschen nicht stört. In Tillamook machen wir dann nochmals länger Rast, denn da gibt es die "Blue Heron French Cheese Company". Man könnte auch auf deren Parkplatz nächtigen, allerdings nur als fully self-contained RV, denn Aussentoilette ist nicht. So darf nur ich den Wein verkosten, den es da im Angebot gibt, Markus behält sich vor, ein einheimisches Bier zu kaufen, welches er später verkostet. Junge Bierbrauer gibt es hier viele und die verschiedenen Sorten sind sehr kreativ, aber auch gut und über die Staatsgrenzen hinaus bekannt. In der Gourmetabteilung kann man verschiedene Kräuterdips probieren, Marmelade und andere Erzeugnisse aus Beeren verkosten und natürlich auch den Camenbert der Blue Heron Cheese Company. Wir entscheiden uns für die geräucherte Variante und dazu einen Beerenkompott aus Marionberry sowie eine Flasche Weisswein. Oregon baut nicht nur fast die gesamte US Ernte an Haselnüssen an und ist für seine Birnen bekannt, sondern hat auch über 700 Weingüter. Bei Amerikanischem Wein denkt man schnell an Kalifornien, aber auch hier in Oregon gibt es guten Wein. Was mich allerdings erstaunt ist, dass in den USA bei einem Blend die einzelnen Weinsorten nicht notiert werden müssen und nur die Sorte, welche zu 90% verwendet wird, auf dem Etikett genannt werden muss. Sonst kann auch lapidar "Rotwein" oder "Weisswein" auf der Flasche stehen. Oregon produziert offensichtlich mehr als 40 verschiedene Weinsorten, wir jedoch haben uns für den biologisch angebauten "Müller-Thurgau 2014" des Weingutes "Montinore Estate" entschieden. Ein prima Apero Wein, welcher gut zum Käse passt.

 

Gegen Abend wird das Wetter immer schlechter und so gibt der berühmte Haystack Rock am Cannon Beach (ein 72 Meter hoher Steinklotz und einer der grössten Küstenmonolithen der Welt) kein schönes Bild ab. Bei der Umfahrung der Neahkahnie Berge, welche sich gleich hinter der Küste erheben, nicken wir nur, als wir lesen, dass dieses Gebiet für Jahrtausende von Nebel, Sprühregen und Regen eingehüllt, einen dichten, an Blumen, Wurzelwerk und Beeren reichen Regenwald hervorbrachte. Bei Ankunft in Astoria regnet es und die Wolken hängen tief. Die Fahrt über die breite Mündung des Columbia River hatte somit etwas mystisches an sich, denn wir fuhren minutenlang aufs Meer hinaus, ohne das andere Ufer zu sehen, hinein in eine Nebelwand. Dann, unmittelbar nachdem wir wieder Land erreicht hatten, fanden wir rechter Hand einen Rastplatz. Von hier soll die Sicht auf Astoria, die Flussmündung und Brücke toll sein, aber wohl eher bei tollem Wetter. Wir hingegen sahen nur den Nebel und verbrachten unsere erste Nacht im Staate Washington auf diesem prima eingerichteten Rastplatz zwischen diversen anderen Campern. Eigentlich sah es aus wie auf einem RV Park, nur kostenlos und anscheinend vom Staate Washington für Reisende offeriert. Morgen (1. Juli 2018) wollen wir das historische Astoria auf der anderen Seite des Columbia River erkunden und hoffen auf Wetterbesserung.