Glänzend schwarzer Stein und tiefblaues Wasser

Wir nehmen Abschied vom friedlichen Medicine Lake und fahren der Forststrasse entlang zum etwas abseits liegenden Glass Mountain. Als stiller Zeuge der letzten Eruption des über 500`000 Jahre alten Medicine Lake Vulkanes vor rund 900 Jahren, liegt der nahezu vegetationslose Berg aus Rhyolith und dunklem Obsidian Glas etwa 3km Luftlinie vom See entfernt. An Land unterscheidet man 2 Formen von Lava, die AA und Pahoehoe Lava (unter Wasser gibt es noch die Pillow Form). AA ist eine klumpige aus kleinen Brocken bestehende Masse, welche erkaltet an einen dunkeln Schotterhaufen erinnert und durch sehr langsam fliesende, zähe Lava entstanden ist. Pahoehoe wirkt wie ein Kuhfladen, oder schöner beschrieben, erstarrte Wellen, welche durch dünnflüssig Lava entstanden sind. Wenn die Lava sich direkt auf die Erde ergiesst, gibt es daraus extrusives Gestein, wie Obsidian, Basalt und Pumice. Wird die Lava jedoch in der Nähe der Oberfläche gequetscht und kühlt noch unter dem Boden ab, dann entstehen intrusive Gesteine wie Granit, Gabbro und Porphyry. Intrusive Gesteine weisen grössere Kristalle auf, doch mich faszinieren die extrusiven Gesteine mehr. Während man den harten, schwarzen Basalt gemeinhin als Vulkanstein kennt war mir der Pumice bisher nicht bekannt. Dieser Stein widerspricht dem Sprichwort "sinken wie ein Stein", denn dieser weisse, leichte, in seiner Konsistenz an einen Schwamm erinnernde Stein kann schwimmen! Am Glass Mountain wurde viel dieses Gesteines ausgespuckt, aber noch faszinierender sind die riesigen, kristallartigen Obsidian Felsbrocken, welche eine feine Oberflächenstruktur haben und so an Glas erinnern. Im Sonnenlicht glänzen diese riesigen Felsbrocken wunderbar anthrazit bis intensiv schwarz. Ich kann mich kaum davon lösen, diese mich überragenden Felsbrocken zu streicheln, so sanft ist die Oberflächenstruktur, so faszinierend ihr dunkles Licht, so überwältigend gross die Struktur und Ausmasse dieser Steine.

 

Im Verlaufe des Vormittags fahren wir dann der R139 entlang nach Norden Richtung Crater Lake Nationalpark, dem einzigen Nationalpark in Oregon. Schon kurz nach der Staatsgrenze fallen die Preise, nein, nicht nur die Treibstoffpreise, sondern alle Preise, denn Oregon ist tax free! Zum ersten Mal in den USA zahlen wir auch den Preis, der auf dem Preisschild angegeben ist und nicht bis um 25% mehr, weil an der Kasse noch diverse Steuern und Taxen aufgerechnet werden. Prima Sache, wie wir finden. Der Nationalpark Eingang indes ist bald erreicht und wir schauen im Visitor Center den Einführungsfilm zum Park. In jedem Park wird ein Film gezeigt, welcher auf die Eigenartigkeiten und Schönheiten des jeweiligen Parks aufmerksam macht, eine schöne Sache, wie wir finden. Hier im Visitor Center decken wir uns mit weiteren Infos ein, doch erst wenn man am Kratersee selbst steht, kann man das unglaublich intensive Blau des Wassers erfassen. Ein faszinierendes Blau und ein friedlicher Anblick den einem in seinen Bann zieht.

 

Woher nur dieses intensive Blau? Farbe und Klarheit des Sees sind die beiden herausragenden und dabei verbundenen Eigenschaften des Crater Lake, ein Produkt seiner grossen Tiefe und Reinheit. Die Tiefe entstand durch das in sich selbst Einstürzen des Vulkanes und die Reinheit durch den alleinigen Zufluss durch Schnee und Regen. Die Tiefe und extreme Reinheit erlaubt dem Sonnenlicht sehr tief ins Wasser einzudringen. Die Wellenlänge des Lichts ist ausschlaggebend, denn während rot, orange, gelb und grün absorbiert werden, werden nur blau und violett vom Seegrund zurückgestrahlt. Daher das intensive blau und an den weniger tiefen Rändern des Kraters ein Schimmer von grün. Da nur wenig Ablagerungen im Wasser existieren (kein Zufluss, nur Regen & Schnee), ist der See ungewöhnlich klar. Somit wurde hier auch der Weltrekord in Süsswasser mit einer Secchi Disk (internationale Sicht-Messscheibe) erreicht. 1997 war die Scheibe bis in eine Tiefe von 43 Metern von blossem Auge zu sehen, als würde man durch Glas blicken. Obwohl Fische und Amphibien im Wasser leben, sind Mose und Plankton die Hauptlebensform im Wasser. Die Klarheit des Sees ist massgeblich von diesen Organismen beeinfluss, welche hier in einer ungewöhnlichen Tiefe leben. Sie ernähren sich von den durch hydrothermale Schlunde auf dem Boden des Sees und durch Regen eingeschwemmte Mineralstoffe und sind vollkommen angepasst an diese spezielle Umgebung. Die Form des Kratersees, Temperatur und Wind beeinflussen die Durchmischung dieser Mineralstoffe und bringen diese vom Seegrund an die Oberfläche. Der Sommer ist kurz und im Winter können extreme Stürme toben, angefochten durch die starken Winde des Pazifik. Im Durschnitt fallen in einem Jahr rund 13 Meter Schnee und hüllen die Landschaft für 8 Monate im Jahr in ein weisses Kleid. Der See hat einen Durchmesser von 9x7km und ist unglaubliche 592 Meter tief, somit der tiefste See der USA. Er liegt auf 1880MüM und die Wassertemperatur an der Oberfläche schwankt mit den Jahreszeiten zwischen Gefrierpunkt und 19°C, wobei die Temperatur am Grund konstant bei 4°C bleibt.

 

Doch da bleiben noch zwei Fragen offen: Wie reguliert sich der Wasserspiegel ohne Zu- und Abfluss? Und, wie ist der See überhaupt entstanden? Die Antwort auf die erste Frage ist für mich ein metrologisches Wunder. Ganz offensichtlich halten sich hier Niederschlag und Verdunstung die Waage. Um es genau zu nehmen, fliessen durch Niederschlag (Schnee/Regen) in einem durchschnittlichen Jahr gute 128 Milliarden Liter Wasser in den See, während 60 Milliarden Verdunsten und 68 Milliarden Liter durch eine undichte Stelle am Kraterrand sickern. Das Volumen des Sees bleibt somit konstant und das seit offensichtlich mehreren tausend Jahren. Die undichte Stelle des Sees befindet sich bei den Palisaden, dort haben urzeitliche Gletscher loses Material am Berg abgelagert, durch welches heute das Wasser versickert. Wo genau es allerdings pur und gefiltert wieder zu Tage tritt kann man nicht sagen, denn es findet sich keine spezifische Quelle am Fusse des Berges. Vielleicht aber auch gut so, denn sonst würden findige Firmen sicher einen Weg finden, dieses Wasser in Flaschen zu füllen und teuer zu verkaufen.

 

Die Antwort auf die Frage betreffend Entstehung des Sees steht in klarem Kontrast zum friedlichen Bild, welches sich einem heute zeigt. Vor rund 7700 Jahren brach der etwa 3600 Meter hohe Stratovulkan Mount Mazama aus. Es existieren unter den First Nations dieser Gegend überlieferte Berichte aus dieser Zeit, denn es handelte sich um die grösste Eruption der letzten 600`000 Jahren in den Kaskaden. Fast 1500 Meter Berg stürzte in sich zusammen, heute ist der Kraterrand auf 2100MüM. Der Berg stürzte ein und versank in der riesigen Magmakammer unter dem Vulkan, welche während dem Ausbruch verpuffte und so entstand hier diese unglaublich grosse und tiefe Caldera. Diese füllte sich über die Jahrhunderte mit Regen und Schmelzwasser. Das der Vulkan nur ruht und nicht erloschen ist, beweist die kleine Insel "Wizard Island" im See und weitere Vulkanschlote unter der Wasseroberfläche. Der See füllte sich relativ schnell, bis er den Punkt erreiche, an welchem der Kraterrand porös ist und somit zusammen mit der Verdunstung den Level des Sees beim heutigen Stand hält. Der Krater wurde somit nie bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Alles faszinierende Fakten, aber die Farbe und Einzigartigkeit dieses Sees auf sich wirken zu lassen ist noch viel besser.

 

Einen Grossteil des Kraterrandes kann auf der Rim Road befahren werden, kurze Wege führen entlang des Randes oder näher zum Ufer. Wir genossen das schöne Licht am Abend auf der Westseite und beschlossen am nächsten Tag die Ostseite im Morgenlicht zu besuchen. Auf dem Weg aus dem Park kamen wir an einem versteinerten Fluss vorbei. Hier wurde ein Fluss während des Ausbruches des Mount Mazama von heisser Asche (Pyroklastische Wolke) überdeckt und so verdampfte die Flüssigkeit des Flusses durch Ventile in der Asche. Diese Ventile in der Asche erstarrten unter Einwirkung der Hitze und verdampfenden Mineralien zu Kaminen, welche wiederum unter der Asche verdeckt blieben, bis mit der Zeit die Asche von Regen und Witterungseinflüssen abgetragen wurde. Diese Kamine sind nun sehr speziell anmutende Gesteinsformationen, welche im Flusstal wie Skulpturen stehen. Geologie kann echt spannend sein.

 

Wir übernachten etwas ausserhalb des Nationalparks auf einem Snow Park, zwei andere Camper stehen auch schon da. Dieser Parkplatz bietet nebst Plumpsklo auch einen grossen Schutzraum, eigentlich eine Blockhütte welche offensteht und genutzt werden darf. Dort gibt es Bänke und Tische, einen Holzofen und, man glaube es kaum, auch Strom und Licht. Tolle Sache, auch wenn es eher für die Gäste im Winter gedacht ist, welche von hier aus diverse Schneemobilwege befahren. Wir mögen den Ort, denn es gibt noch nicht mal Mücken, aber selbstredend auch kein Mobile Empfang oder gar Wifi. Am Morgen geht es zurück zum Crater Lake und entlang seiner Ostflanke. Kein Wind geht und so spiegelt sich alles, das Blau des Sees ist aber noch immer von der gleichen Intensität. Wirklich schön, und so sitzen wir auch eine ganze Weile auf der Mauer einer weniger besuchten Aussichtsplattform und lassen den Anblick auf uns wirken.

 

Am Nachmittag geht es der North Umpqua Road entlang, an welcher wir auch eine Nacht unser Lager aufschlagen, Richtung Küste. Die Strasse wurde vom CCC im November 1939 fertiggestellt und dann 1964 geteert. Da merkt man wie jung die Siedlungsgeschichte der Amerikaner in diesen Landstrichen ist. Heute ist die Strasse Teil des Scenic Byway Rogue-Umpqua. Die CCC (Civilian Conservations Corps) wurde 1933 durch Präsident Franklin Roosevelt ins Leben gerufen, um der grossen Depression entgegen zu wirken und jungen Männern Arbeit zu geben. So entstanden diese Strassen und Rastplätze, welche heute noch gepflegt werden. Wir besuchen auch den 35 Meter hohen, schönen Toketee Wasserfall, den man im Zuge eines gemütlichen Spazierganges erreichen kann. Diesem Fluss folgen wir quasi bis zur Küste, unterbrochen von einem Einkaufsstopp in Roseburg. Reedsport, an der Mündung des Umpqua River, ist ein ganz ansehnliches Dörfchen mit schönen Häusern, doch wir sind auf der Suche nach einem abgelegenen Plätzchen in der Nähe der Flussmündung am Meer. So führt uns unser Navi entlang einer Forststrasse, bis wir vor einer tiefen Schlammpfütze halten, diese queren und langsam um die nächste Kurve fahren, wo wir noch die Hinterläufe eines das Kies der Strasse aufwirbelnden, davonrennenden Bären sehen. In gebührendem Abstand hält er und dreht sich um, schaut uns an und verschwindet anschliessend im dichten Küstenwald. Wir freuen uns über die dritte Bärensichtung, stellen aber fest, dass das einzige ideale Plätzchen entlang dieser Strasse schon besetzt ist und suchen somit weiter nördlich nach einer anderen Übernachtungsstelle.

 

Fündig werden wir auf einem Parkplatz ohne "no overnight parking" Schild am South Pier kurz vorm Küstenstädtchen Florence. In dieser Küstengegend dehnen sich lange Dünenketten aus, einige bis 50 Meter hoch und von Schilf bewachsen. Ein Teil dieser Dünenlandschaft steht unter Naturschutz, da es Brutgebiet vieler Vögel (zum Beispiel des Seeregenpfeiffers) ist, ein anderer Teil darf freizeitlich genutzt werden, und so hat es ATV & 4x4 Tracks durch die Dünen. Die Mündungsgewässer sind bei Fischern beliebt und Barsche sollen hier besonders gut beissen. Wir verbringen die Nacht mit anderen Campern, teilweise Fischer, teilweise Surfer hinter den Dünen auf vorab genannten Parkplatz. Das Rauschen der Wellen und Heulen des Windes des heraufziehenden Gewitters wird nur manchmal von einem entfernten Nebelhorn durchbrochen. Die kommende Zeit werden wir nun am Meer verbringen, doch das intensive Blau des Crater Lake wirkt noch nach.