Lassen Volcanic Nationalpark

Vom schönen Mono Lake mit seinem kalten Fallwind geht die Fahrt weiter Richtung Lake Tahoe. Im Gebiet des Mono Lakes, im äusseren Osten Kaliforniens, wundern wir uns über die unglaublich teuren Kraftstoffpreise. in Lee Vining am auf 2000 MüM liegenden Mono Lake zahlt man über 5 USD für eine Gallone, das ist USA Rekord wie wir später erfahren. Zum Glück haben wir noch genügend Diesel im Reservetank und lassen das Seengebiet, in welchem Boondocking offiziell erlaubt ist, hinter uns. Wir fahren über den Devils Gate Pass und schon ist man den schneegeküssten Bergspitzen wieder sehr nah. Tannenwald und Farmhäuser im Blockhausstil prägen die Landschaft, dann geht es via Walker, einer typischen Wildweststadt bzw. Dorf nach Topaz und dort über die Grenze nach Nevada. Urplötzlich fallen die Dieselpreise um fast 2 Dollar und die ersten Spielkasinos tauchen auf. In Gardenville kaufen wir ein und fahren kurz vor Carson City wieder über einen kleinen Pass und hinunter zum Lake Tahoe. Dieser präsentiert sich nicht so idyllisch wie angenommen, ausserdem ist die Küstenlinie entweder vom Wald versteckt oder verbaut oder beides. Vis à vis des Inspiration Viewpoint finden wir einen preiswerten Nationalforest Campground und schlagen unser Lager auf. Wir sind noch beim Abwaschen da kommt der Parkwart vorbei, doch als wir unser Portemonnaie zücken (warum auch immer gibt es hier ausnahmsweise keine Selbstregistrierung mit Geldumschlag) winkt er ab. Er erklärt uns bestimmt aber freundlich in einem kaum verständlichen, zahnlosen HillyBilly Englisch, dass man ihm erst unlängst erklärt hätte, dass er keine Überstunden bezahlt bekomme und daher auch keine machen solle. Da er jetzt ja schon seit morgens um acht auf dem Platz arbeite, könne er uns somit auch keine Rechnung stellen. Mit anderen Worten, dank seinem Ärger mit seinem Arbeitgeber durften wir die Nacht gratis verbringen.

 

Der Lake Tahoe liegt auf rund 2000 MüM und ist stellenweise 500 Meter tief. Ringsherum überragen die Schnee bedeckten Berge der Sierra Nevada den Seespiegel um fast 1000 Meter, doch leider sind die Ufer wegen steilabfallender Hänge oder Privatbesitz nicht zugänglich und so finden wir auf der Westseite nur eine Stelle, wo ein Fussgänger und Fahrradweg dem See entlang führt und man sich ausserhalb der Touristenorte auf ein den See überblickendes Bänkli setzen kann. Die Sicht wirkt eigentümlich vertraut, irgendwie wie der Greifensee im Frühjahr, einfach viel grösser. Wassersport wird hier gross geschrieben und so erstaunt es nicht, dass es in den Städten South Lake Tahoe sowie Kings Beach jede Menge Vermietungsstationen gibt. So sehen diese Städte aber auch aus wie Skiresorts im Sommerkleid, Davos lässt grüssen. 1960 war südlich des Sees auch der Austragungsort der Olympischen Winterspiele.

 

Wir fahren jedoch nordwärts Richtung Reno und somit wieder über die Staatsgrenze. Während das westliche Ufer auf kalifornischem Boden steht, liegt das östliche auf dem Staatsgebiet von Nevada. In Reno, auf dem halben Weg in den Lassen Volcanic Nationalpark, wollten wir auf einem sensationell billigen Casino RV Park mit Wifi einchecken, doch schau an, hier sind wir nicht fein genug. Zugelassen sind hier nur riesige "fully self-contained" (Strom, Zu/Abwasser etc.) Campingmobile, und wir haben ja keine externen Anschlüsse am Bobilchen. Hatte eh nur den Charm eines riesigen Parkplatzes, und so fahren wir weiter und finden näher am Nationalpark in einem abgelegenen Örtchen ein Schild eines RV Parkes, welches darauf hinweist, dass sie nicht nur Wochen- und Monateweise ausmieten, sondern auch Reisenden für nur eine Nacht offenstehen. Wir fahren hin und treffen den Besitzer in seiner Garage. Ob wir hier stehen könnten, für eine Nacht und ob dies auch möglich sei, wenn wir nicht "fully self-contained" seien. Natürlich, meint der freundliche Besitzer und hilft uns einen Platz auszusuchen auf seinem privaten Gelände. Ich fahre mit ihm in seinem Golfwägeli voraus und Markus im Baby Bobil hinterher. Auch mal was. Doch wir entscheiden uns eh für einen zentralen Standplatz in der Nähe des einzigen Badezimmers auf dem Platz. Unser Stellplatz hätte zwar Strom und Zu/Abwasser, doch wir brauchen die Säule nicht, denn der Strom kommt aus einer Buchse, die speziell für Campingmobile konzipiert ist. Darum rennt der Besitzer herum und sucht den Adapter und als er diesen nicht findet, zieht er ein ewig langes Verlängerungskabel vom Badezimmer zu unserem Auto. Total nett der gute Herr und er gab uns sogar den Wifi Code seines Privatanschlusses, Telefon sei hier draussen ja nicht, aber die Qualität des Wifi reiche um E-Mails zu schreiben. Unsere Nachbarn sind Dauermieter, bzw. stehen schon seit einigen Monaten am Platz. Sie sind pensioniert, haben alles verkauft und ziehen nun durch die Staaten mit dem Plan sich da nieder zu lassen, wo es ihnen am besten gefällt. Als sie hören, das wir aus Europa sind, erzählen sie von ihrer Europa Reise vor vielen Jahren und entschuldigen sich anschliessend für ihren derzeitigen Präsidenten. Irgendwie witzig, und obwohl total einfache Leute, war die Unterhaltung über den Zaun aus Gartenzwergen hinweg sehr nett.

 

Nach einem gemütlichen Frühstück mit Speck und Eier, sowie einer ausgedehnten Dusche fuhren wir weiter Richtung Nationalpark. Langsam geht die Sierra Nevada in die Kaskaden über und Vulkane bzw. deren Hinterlassenschaften prägen das Bild. In den Kaskaden kann bis spät in den Sommer hinein Schnee liegen und der Winter beginnt früh. Oft begegnet man dem Wort "Indian", egal ob in Orts- oder Flussnamen. Entlang der Strasse wird viel ausgebessert und so warten wir mal wieder bis ein Follow-me Wägelchen kommt und die Person, welche das Stoppschild hält, dieses dreht und wir alle weiterfahren können. Ich lese derweil ein Faltblatt über all die Gefahren, welche angeblich in dieser Natur lauern. Da lese ich von der Lyme Diseas, bei uns bekannt als Boreliose, welche von Zecken übertragen wird, aber auch von Plague, einer Krankheit, welche man sich holen kann, wenn man von infizierten Flöhen gebissen wird, welche auf Nagetieren wie den süssen Chipmunks leben. Wenn man aber weder die Tiere berührt, noch deren Hinterlassenschaften, sollte nix passieren, ansonsten gibt es eine heftige Grippe. Dann ist da auch die Rede vom Hanta Virus, dem Westnil Virus sowie TBRF (tick borne relapsing fever). Dann geht die Infoschrift über zu allergischen Reaktionen bei Kontakt mit Poison Ivry und Poison Oak und weisst darauf hin, dass Freigewässer, so sauber sie auch wirken mögen, mit Giardia verseucht seien und daher alles Wasser gefiltert oder abgekocht werden müsse. Vom Wasser zur Luft, Ozonbelastung in den Bergen, Naturgefahren wie Ertrinken, Unterkühlung, Blitzschlag und "Tree Hazard" (z.B. herunterfallende Äste) kosten offensichtlich jährlich vielen Wanderern das Leben. Und zum Schluss spricht man da auch noch von den Gefahren, welche von Tieren wie dem Berglöwen, Schwarzbären oder Klapperschlangen ausgeht. Herrje, da wird man ja paranoid, da grenzt das ja an ein Wunder, dass wir unseren 4-tägigen Wanderausflug in den Yosemite Park überlebt haben. Der Blick aus dem Fenster eröffnet mir dann aber wieder die Schönheit der Natur und schon bald ist der Südeingang des Lassen Volcanic Nationalparks erreicht.

 

Mit Infobroschüre und Parkzeitung bewaffnet setzten wir uns als erstes in das nette Kaffee des InfoCenter. Die Sicht von der Terrasse erinnert uns irgendwie ans Ausflugsrestaurant der Schwägalp, Bergkulisse im Hintergrund, einfach ohne Gondelbahn. Leider ist der Bumpass Hell Trail bis Ende 2020 wegen Renovation der Holzplanken, welche durch das geothermale Aktivfeld führt, geschlossen und so begnügen wir uns mit der Sicht auf ein paar heiss blubbernde Schlammlöcher und Fumarole, die nach faulen Eiern stinken. Weitaus interessanter finden wir eine Infotafel, welche anschaulich darauf hinweist, dass wir uns eigentlich im Krater eines längst erloschenen, grossen Komposit Vulkanes befinden. Die einzeln dastehenden Bergspitzen rund um uns herum (z.B. Brokeoff Mountain), sind eigentlich die Überreste des Kraterrandes, welcher durch Erosion abgetragen wurde. Im Lassen Volcanic Nationalpark findet man alle 4 Vulkan Typen vertreten. Der ebengenannte Komposit Vulkan ist einer davon. Der Schildvulkan ein anderer Typ, welcher einen rundlichen Kegel aufweist, dem immer und immer wieder über lange Zeit sehr flüssige Lava entsprungen ist, welche über weite Distanzen fliessen konnte. Lava Schicht um Lava Schicht entstand diese Form. Heute, mehrere 100^000 Jahre später, sind diese Vulkane von Wäldern bewachsen und nur noch die Form erinnert daran, dass es mal aktive Vulkane waren. Cinder Cone (Schlackenkegel) sowie Plug Dome (Stratovulkane) sind jüngeren Datums und teilweise bis heute aktiv, derzeit einfach ruhend. Um Gefahren frühzeitig zu erkennen, sind sie gut verkabelt. Den Schlackenkegel den wir am letzten Tag unseres Besuches im Park besteigen, erinnert an einen grossen, nur wenige hundert Meter hohen, kreisrunden Sandhaufen mit schüsselartigem Schlund. Der Schlackenkegel des Lassen Volcanic Nationalparks ist letztmalig 1650 ausgebrochen. Der namensgebende Lassen Peak hingegen ist ein Stratovulkan und die englische Bezeichnung Plug Dome beschreibt dessen Charakter sehr gut. Diese Vulkanart beherbergt sehr dickflüssige Lava, welche in einem explosiven Ausbruch, oft durch eine pyroklastische Wolke begleitet, ausbricht, also den Zapfen, der da im Krater steckt, wie bei einer Champagnerflasche die zu fest geschüttelt wird, herausjagt. Die letzten Ausbrüche waren 1914, 1915 und 1921, und wie die meisten Stratovulkane, gehört auch der Lassen Peak zu den grössten und auffallendsten Vulkanen der Welt (zusammen mit anderen grossen Namen wie Mount Rainier, Mount St. Helens, Cotopaxi und Mount Fuji). Dank eines Fotos, welches 1915 vom Ausbruch gemacht wurde, bekam das Gebiet 1916 Nationalpark Status.

 

Wir fahren der Strasse entlang durch den Park, vorbei an unterschiedlichen Vulkanen und klaren Bergseen. Die höhergelegenen Campgrounds öffnen erst Ende Juni, doch dank der Tatsache, dass dieser Nationalpark zu den am wenigsten besuchten gehört, finden wir im Manzanita Lake Camp, innerhalb des Nationalparks noch problemlos einen Stellplatz. Wir gingen früh zu Bett, denn am nächsten Morgen wollen wir auf den Lassen Peak wandern. Gegen 9 Uhr sind wir dann beim Trailhead und finden den Zustieg zum gut ausgebauten Wanderweg noch mit Restschnee bedeckt, ein Trampelpfad führt aber hindurch und so können wir den Gipfel problemlos erreichen. Unterwegs erlauben interessante Infotafeln immer wieder Verschnaufpausen. Eine davon erzählt auch von den auffallend vielen Schmetterlingen, welche hier herumfliegen. Die "Tortoise Shell" Schmetterlinge kommen hier sporadisch in grosser Population vor, welche ihre angestammten Reviere auf Futtersuche verlassen und dabei von den idealen thermischen Konditionen des Vulkanes profitieren und sich hoch hinauf in andere Luftströmungen tragen lassen, um weit entfernte, neuen Reviere zu erreichen. Die Landschaft am Lassen Peak erinnert an unsere Berge, kurz vor Saisonschluss im Frühjahr, Restschneefelder, kalter Wind und gefährlich starke Sonne. In Serpentinen windet sich der Weg immer höher, gelegentlich sind weitere Schneefelder zu queren, aber mit festen Schuhen und Wanderstöcken ist das kein Problem. Nach 2 Stunden, 4 Kilometern und 600 Höhenmetern stehen wir oben, auf dem schlafenden Vulkan mit Blick in den derzeit ruhenden Krater. Die Sicht vom 3187 Meter hohen Berg ist grossartig, in der Ferne ist der schneebedeckte Mount Shasta (mit 14000 feet einer der höchsten Berge der Kaskaden) zu sehen und wie auf einer unsichtbaren Schnur reihen sich die vielen Vulkane der Kaskaden auf, so zum Beispiel Lava Beds und Shasta in Kalifornien, Crater Lake und Mount Hood in Oregon und Mount St. Helens und Mount Rainier in Washington. Die Kaskadenkette zieht sich bis nach Britisch Columbia in Kanada fort und entsteht durch Subduktion der Kontinentalplatten.

 

Für den Abstieg brauchen wir rund 1h und dann geht es zum Mittagspicknick zum Cold Boiling Lake. Leider blubbert da im netten kleinen Bergsee zwischen Bäumen kaum was und so begeben wir uns am Nachmittag aus dem Park hinaus und weiter oben bei einer anderen Zufahrt wieder hinein und zum Butte Lake Campground. Alles gewohnt sauber, sogar die Plumpsklos riechen nach Zitronenparfum. Es ist kaum einer da und so können wir uns ein schönes Plätzchen unter weit auseinanderstehenden Nadelbäumen suchen. Die einzige Gefahr hier besteht darin, einen der riesigen Tannenzapfen auf den Kopf zu bekommen, ansonsten ist es friedlich und wir sitzen im Liegestuhl und beobachten ein Chipmunk, welches Samen sammelt und später ein Golden Manteled Squirl, ein wirklich wunderschön gefärbtes, blond/braunes und etwas grösseres Streifenhörnchen, wie es sich auf einem grossen Stein sonnt.

 

Tags drauf spazieren wir vom Camping aus zum eingangs erwähnten Schlackenkegel namens Cinder Cone. Der rund 7 Kilometer lange Rundweg führt erst entlang eines enormen Lavabettes, welches anmutet wie eine Gletschermoräne, dann durch einen leichten Nadelwald und dann über sandigen Untergrund bis vor den fast kreisrunden Vulkan. Ein steiler Pfad führt gewunden wie ein Schneckenhaus nach oben. Sand und feinste Kieselsteine lassen einem bei jedem Schritt einen halben zurück rutschen, doch die Anstrengung (nur grade mal 260 Höhenmeter) lohnt sich. Oben angekommen, kann man um den kreisrunden Krater spazieren und hat dabei einen fantastischen Blick auf den Lassen Peak im Hintergrund, Butte Lake sowie das überwältigende Lavabett und die gelb/roten, bunten Sanddünen am Fusse des Vulkanes. Die erstaunlich regelmässige Form des vulkanischen Aschekegels ist ebenso eindrücklich wie das 10 Meter hohe Lavabett und dessen riesige Ausdehnung, welche sich an seinem Ende in den Butte Lake ergiesst.

 

Um die Mittagszeit kühlen wir noch kurz die Füsse im See, bevor wir gegen Norden, vorbei am fotogenen Mc Arthur Burney Wasserfall und Richtung Medicine Lake aufbrechen. Alsbald zweigen wir von der R89 in den Shasta-Trinity Nationalforest ab, ein grosses Waldgebiet. Unser Navi ist etwas konfus und führt uns mal wieder auf dem direktesten Weg über eine unbefestigte Strasse und später einen Forstweg mit Hinweisschild "high clearance cars only". Dank dieses Umweges jedoch kommen wir zu unserer zweiten Bärensichtung. Wie wir da der Strasse entlang holpern, liegt weiter vor uns ein umgefallener Baumstamm am Strassenrand und darauf... darauf sitzt ein Bär. Ein noch junges Tier, es ist noch nicht sehr gross und schaut uns interessiert und ungläubig an. Vielleicht sind wir ja das erste Auto das es sieht, auf alle Fälle nimmt es Reissaus, als wir anhalten. Etwa 50 Meter weiter dreht es sich um und guckt uns durch die Bäume an. Allerliebst, aber natürlich steigen wir nicht aus, denn Mamabär wird ja auch irgendwo sein. Etwa 5 Minuten schauen wir uns gegenseitig an, dann werden wir uninteressant und der Babybär trottelt davon, hinein in den dichteren Wald. Wir hingegen finden bald wieder die Zufahrt zur Medicine Lake Road, welche hier auch Modoc Volcanic Scenic Byway heisst. Links der Strasse wird ein hohes, schon recht bewachsenes Lavabett sichtbar und später biegen wir zum Camp am Medicine Lake ab. Obwohl Freitag Abend können wir erstaunlicherweise auch hier aus vielen freien Plätzen auswählen und kommen so zu einem idyllischen Stellplatz direkt am See. Der Medicine Lake hat etwa die Grösse des Pfäffikersees und liegt inmitten der 12km breiten Caldera des grössten Vulkanes der Kaskaden. Es ist so friedlich und schön hier, fast keine Stechmücken, angenehme Temperaturen und der See lädt zum Baden ein. Einfach herrlich, hier bleiben wir ein paar Tage.