Dinner mit 3 Jägern & Lava Tunnel

Wir haben uns etwas eingerichtet, das Fahrzeug steht gerade und stabil auf zwei improvisierten Steinhaufen am leicht abschüssigen Ufer des Medicine Lake und wie ich von der Wasserzapfsäule mit vollem Behälter zurückkomme, winkt mich Markus vom Camping Plätzchen der Nachbarn etwa 50 Meter neben uns hinüber. Da sitzt er also mit einem Bierchen in der Hand und die drei älteren, sehr robust und kernig wirkenden Herren stellen sich vor. Sie seien Jäger und Fischer und hätten eben bemerkt wie gekonnt mein Mann auf die Steine gefahren sei, da sehe man gleich, dass wir nicht erst seit gestern unterwegs seien. Da war Scooter, Ron und verflixt ich hab seinen Namen vergessen, sein Hund hiess Guss. Sie seien hier schon die ganze Woche am Fischen und würden morgen abreisen. Gleich am Anfang unser Bekanntschaft machen sie klar, dass sie stolz sind auf ihren Präsidenten, ja er sei halt einer mit Ecken und Kanten aber ein echter Macher, der nicht nur daherrede. Oh äh ja - wir schluckten, lächelten und betreiben Diplomatie auf

Höchstebene. Lust auf eine politische Auseinandersetzung hatten wir nicht, lügen mochten wir aber auch nicht, und so einigten wir uns darauf, dass der gute Präsident in der Tat speziell sei und das Land mit seiner Art und Weise spalte. Irgendwie fand ich es aber nicht uninteressant, einmal eine gegenteilige Meinung zu vernehmen, von den Erfahrungen, Motivationen und Informationspools der Leute zu hören, die den aktuellen Präsidenten gewählt haben. Glückerweise konnten wir die Herren beruhigen, dass in Europa wegen den Migranten kein Bürgerkrieg herrsche und die politische Lage in der Schweiz ruhig und stabil sei. Anschläge seien in der Schweiz keine zu befürchten. Am Ende kamen wir zum Konsens, dass es meist depressiv stimme, wenn man einen Blick in die Zeitung oder die Fernsehnachrichten wage und wir wechselten das Thema.

 

Nun kam das Thema Fischen, Fischerlizenzen und der Tatsache, dass man hier entgegen der Schweiz natürlich keinen Fischerkurs besuchen muss. Freiheit, Traditionen (Fischen lernt der Sohn vom Vater) und Unabhängigkeit waren Begriffe die fielen. Es ging nicht lange bis wir beim Thema Waffen und dem Recht diese zu tragen waren. Auch hier kamen wir auf den gleichen Nenner, wenn es darum ging, dass der Missbrauch bestraft werden muss, eine Waffe alleine aber keine Bedrohung ist, wenn sie z.B. fachgerecht für die Jagt verwendet wird. Etwas überrascht hat uns dann die Aussage des über 80-jährigen Scooter aber schon, als er uns eröffnete, dass er in seinem Leben über 300 Waffen angehäuft hätte. Er gehört genau in die Kategorie Mann, die man sonst nur aus Filmen kennt. Manchmal sitze er auf seiner Ranch in Nordkalifornien im Schaukelstuhl auf der Veranda und schaue hinaus auf sein Land. Eine Waffe hätte er dann immer schussbereit in der Hand, denn wenn sich zum Beispiel ein Kojote zu nahe heranwagt, bezahle er das mit dem Leben, es gehe ja auch nicht, dass so ein Kojote in der Nähe des Hauses herumschleicht, wenn seine Enkelin am Wochenende vielleicht zu Besuch kommt. Ehrlich gesagt wusste ich in dem Moment nicht so recht, ob sie uns aus der Reserve locken wollten, musste aber im Verlaufe des weiteren abends feststellen, dass sie dies einfach aus tiefster Überzeugung sagten, offen und ehrlich und ohne Hintergedanken schien das für sie das Normalste der Welt. So waren sie natürlich auch begeistert davon, zu hören, dass ein Schweizer Soldat eine Packung Munition und seine Waffe zu Hause hat, fanden es aber umso erstaunlicher, dass mancher Schweizer Mann in der Öffentlichkeit und speziell unter Touristen Verwirrung stiften kann, wenn er in Zivil vom Obligatorischen zurück kommt und die Waffe noch mit ins Kaffee nimmt. Weitaus erstaunlicher fanden sie jedoch die Tatsache, dass wir in einem Haus leben, welches 1872 erbaut wurde und wir in der 4. Generation bewohnen. Das muss aber ein stabiles Haus sein, meinte da Scooter, sicher eines aus Stein.

 

Der liebe Scott war zwar schon etwas schwerhörig, aber ein erklärter Alaska Fan und begeistert zu hören, dass es unser Plan war dahin zu fahren. So nahm er sich auch die Zeit, meine Alaska Karte mit lauter roten Kringeln zu bemalen, alles wunderschön dort. Auf den Kopf gefallen ist er aber keinesfalls, er war lange Zeit als Ingenieur in Valdez und konnte blitzschnell von Meilen auf Kilometer, Fahrenheit auf Celsius und Gallonen auf Liter umrechnen. Er hätte dies in der Grundschule noch gelernt, doch dann sei das Metrische System trotzdem nicht eingeführt worden. Auch Ron, anfänglich eher schweigsam, wurde immer offener und herzlicher. So erzählte er, er hätte bis zu seiner Pensionierung als Physiotherapeut gearbeitet, und fragte später wie wir denn unseren Hamburger möchten. Wir waren zum Abendessen eingeladen, Gastfreundschaft sei eine amerikanische Selbstverständlichkeit und wir seien ein so sympathisches Paar. Es stellte sich heraus, dass er fliessend Spanisch spricht und selbst viele Reisen nach Mexiko gemacht hatte. Leider sei dort so einiges im Argen und die Kriminalität schwappe langsam über die Grenze, in den Städten im Süden Kaliforniern sei es am Schlimmsten. Aber die Armut und Missstände in Mexiko seien auch gross und so sei es ihm ein Anliegen seine Kinder und Enkel immer wieder darauf hinzuweisen, dankbar zu sein, dafür, dass sie in Amerika geboren wurden und dafür, was sie hier alles hätten. Sie dürften mit Recht stolz auf ihr Land sein, aber Dankbarkeit sei genauso wichtig. Trotz seiner vermeidlich harten Schale, konnte ich seinen weichen Kern erkennen, ein gutes Herz und eine geradezu sentimentale Ader, wenn er über die Schönheit der Natur, das Fischen und die Liebe zu seiner Frau sprach, mit welcher er seit 44 Jahren glücklich verheiratet ist.

 

Auch der dritte im Bunde ist durchaus sympathisch, wenn man mal absieht vom Waffenfanatismus und der Zugehörigkeit zum politischen Lager. Er erinnert an einen Marine, mit Glatze und blond-grauem, kurzem Bart. Wie sich herausstellt ist er Vietnam Veteran und seine Auslandserfahrung beschränkt sich auf eben diese Zeit in Vietnam. Aber auch er sagt, er hätte unschöne Dinge gesehen und könne auch seinen Kindern nur beibringen, Dankbar zu sein für was ein Leben sie hier in Amerika führen, in Frieden leben können. Er hat einen warmen, herzlichen Blick und dennoch schwingt in seiner nächsten Erzählung etwas schizophrenes mit, obwohl es für ihn ganz offensichtlich das Normalste der Welt ist. Er erzählt, dass sie manchmal von den Bauern eingeladen werden, welche auf ihren Monoplantagen keine Gifte gegen Nagetiere einsetzen dürfen, aber den Tausenden von Erdhörnchen nicht mehr Herr werden, welche die Wurzel der Pflanzen annagen. So stellen sie dann ihren Schiesspult auf und machen auf Tontauben schiessen, allerdings mit lebendigen Zielen und töten mehrere hundert Tiere am Tag. Diese seien am nächsten Morgen alle weg, von Raubieren und Vögeln gegessen und schon schauten wieder Tausende von Tieren aus ihren Schlupflöchern, sei eine echte Plage. Ich frage leicht konsterniert, ob denn die Raubvögel kein Bauchweh bekommen, von den Schrotkugeln in den toten Tieren. Da schaut er mich an und sagt, nö, denn die Patronen, welche sie verwenden, würden direkt durch die Körper durchgehen und nicht darin stecken bleiben. Oh äh ja. Dann schauen wir eine Zeit dem lustigen Spiel zweier Streifenhörnchen zu und ich sag nur so: die sind doch so putzig, ich weiss nicht, ob ich die schiessen könnte. Darauf hin schaut er mich konsterniert an: ja nein, auf Streifenhörnchen würde er nie schiessen, die seien doch so putzig. Auch der Umgang mit seinem Hund war liebevoll, obwohl er ein Elektrohalsband trug. Er hat den Hund für die Fasan Jagt abgerichtet, aber das Elektrohalsband sei auf die schwächste Stufe eingestellt. Ganz offensichtlich scheint sich bei ihm das eine und das andere nicht auszuschliessen. Im Vertrauen sagt er mir, er fände Markus sei ein feiner Kerl. Auch er hätte seine Liebe erst spät kennengelernt, noch heute sei sie eine Schönheit, eine natürliche Schönheit und die Liebe seines Lebens. Manchmal würde sich das Warten halt lohnen. Sie verstehe auch, dass er einfach immer mal wieder ein paar Tage raus in die Natur müsse, zum Angeln und Jagen.

 

Wir werden reich bewirtet und als nach dem Abendessen noch Salat, Zwiebeln und Kartoffeln übrig sind, verpackt Ron diese in Zip-Log Säcke und gibt sie uns mit. Sie würden morgen ja abreisen und ob ich bestimmt keinen Fisch möchte, wir könnten diesen Morgen ja grillieren, der Fisch sei schon ausgenommen und so. Ich lehnte dankend ab, denn bei aller Liebe, für einen Fisch hatte ich in unserem kleinen Kühlschrank keinen Platz. Kaum aufgestanden am nächsten Morgen, winken uns die Drei schon wieder zu. Scooter voran, tragen die drei all ihr verbliebenes Holz zu uns rüber, damit wir am Abend ein schönes Feuer machen könnten. Ach ja, und ob wir allenfalls dabei helfen könnten, das Fischerboot auf den Anhänger zu verladen, Ron hätte erst kürzlich eine Operation gehabt und dürfe nicht schwer heben. Wir halfen gerne und unten am Wasser sahen wir etwas, was uns an ein überdimensioniertes Wiesel erinnerte. Ron erklärte uns, das sein ein "Mink", grösser als ein Wiesel, aber kleiner als ein Marder. Dieses Tier lebt in der Nähe von Gewässern, ist ähnlich wie ein Otter ein guter Schwimmer und Allesfresser. Aber auch ein guter Räuber. Ron erzählte mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen, dass das gute Tier einen der frisch gefangenen Fische direkt aus ihrem Boot geschnappt hätte, wir sollen den Burschen also gut im Auge behalten und ihm nie den Rücken zukehren, sonst sei dann das gute Essen weg. Das schokoladenfarbene Fell glänzte in der Sonne, dann verschwand der Mink hinter dem Felsen und glitt in den See und davon. Die drei Jäger verabschiedeten uns herzlich, wir seien ein wunderbares Paar und sie wünschten uns nur das Beste auf unserer Weiterreise. Scooter drückte mir seine Karte in die Hände die Telefonnummer sei irgendwie unnütz, denn die Leitung sei seit gut 2 Jahren unterbrochen, nachdem ein Sturm gewütet hätte, doch er würde sich über Post freuen, wenn wir Alaska erreicht hätten. Der blondbärtige, glatzköpfige Veteran verdrückte eine Träne und sagte, ach er sei jedes Mal so unglaublich unglücklich wenn er diesen schönen Ort verlassen müsse und Ron bestand darauf, mich zum Abschied zu drücken, nicht ohne Markus vorher zu fragen. Irgendwie wirklich nett die Drei, so anders ihre politischen Ansichten auch immer sein mögen.

 

Später am Vormittag fahren wir zum Lava Beds National Monument. Uns fallen sofort die vielen Wildblumen auf, die hier blühen, rote, gelbe und blaue Tupfer in der zunehmend trockeneren Landschaft. Im Visitor Center lösen wir eine kostenlose Cave Permit. Um diese zu bekommen, müssen wir versprechen, die "leave no trace principles" zu befolgen und bestätigen, dass wir in den gleichen Kleidern, welche wir heute tragen, in den vergangenen 10 Jahren keine Höhle besucht haben . Dies ist in erster Linie eine Schutzmassnahme für die in den Höhlen lebenden und brütenden Fledermäuse. Offensichtlich sind viele Kolonien in Amerika mittlerweile vom "White Nose" Syndrom befallen, einer Krankheit, welche sich in vielen Fledermauskolonien ausbreitet und die Populationen stark dezimiert. Die Höhlen im Lava Beds NP sind derzeit aber noch nicht betroffen. 1925 wurde das National Monument etabliert, einerseits um die extrem grossen Lava Beds (erkaltete Lavaflüsse) und die Vulkanische Landschaft, sowie andererseits die prähistorischen Zeichnungen und ehemalige Heimat der Modoc Indianer, welche seit rund 10`000 Jahren in der Gegend ansässig waren, zu schützen. Jack Stronghold (Ind: Kientpoos), einer der letzten Anführer der Modoc, verteidigte sein Land mit wenigen Männern im Winter 1872/73 gegen die Militärtruppen der Amerikaner erfolgreich für mehr als ein halbes Jahr. Am Ende jedoch wurden alle in ein Reservat im weit entfernten Oklahoma zwangsumgesiedelt und starben dort entwurzelt an europäischen Krankheiten oder Alkohol. Das Schicksal so vieler First Nations. Heute faszinieren nebst den gewaltigen, erkalteten Lavaströmen vor allem die Lavahöhlen und Tunnel, welche in Eigenregie besichtigt und durchkrochen werden können. Die rund 20 der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Höhlen werden in 3 Kategorien unterteilt. Während Kategorie 1 und 2 meist stehend, manchmal gebückt erkundet werden können, muss man für Kategorie 3 besser ausgerüstet sein, Handschuhe, Helm und ein Schutzanzug sind dort zusätzlich zur obligaten Stirnlampe empfehlenswert, denn manchmal sind die Durchgänge weniger als 50cm hoch. Wir konzentrieren uns auf Höhlen der Kategorie 1 und 2 und verbringen ein paar interessante Stunden unter Tage.

 

Die Lavahöhlen entstanden vor rund 10`000 bis 65`000 Jahren, als dünnflüssige Lava erkaltete und diese Tunnel schuf. Während die Lava im Innern des Stromes weiterhin heiss floss, erkalteten die Ränder und formten so die röhrenförmigen Tunnel. Spannend war der 1km lange Tunnel "Sentinel" mit einem Ein- und Ausgang sowie einer beeindruckenden Raumhöhe und Einblicken in quer darunter und darüber verlaufende Tunnel. Die "Sunshine Cave" war durch eingefallene Deckenteile vom Sonnenlicht erfüllt, faszinierte jedoch durch die Ansicht der Pflanzenwelt von unten. Am schönsten empfanden wir die "Golden Dome Cave". Eine stockdunkle, unterirdische 8, welche ganz schön irritieren kann: Sind wir jetzt von da oder doch von dort gekommen? Wo liegt nochmals der Ausgang? Sind wir da nicht vorher schon mal daran vorbeigekommen? Achtung Kopf, nicht stolpern... Doch dann sieht man, warum die Höhle den Namen Golden Dome bekommen hat, im hintersten Teil weitet sich die Höhle und im Wiederschein der Stirnlampen reflektieren Wassertropfen, welche über einen Überzug den Fels bedeckender hydrophobier Bakterien liegen. So schimmert die ganze Decke und ein Teil der Wände goldfarben, man könnte meinen, die Wände wären aus Katzengold. Am Imposantesten waren jedoch die Ausmasse der "Skull Cave", eigentlich 3 übereinander liegende Tunnel, jedoch so angelegt, dass kühle Winterluft in der untersten Höhle gefangen wird und sich dort das ganze Jahr über eine Eisschicht bewahrt, welche früher verlässliche Wasserquelle war und den Siedlern als natürlichen Eisschrank diente. Offensichtlich wurde diese Höhle auch von vielen Tieren besucht, wodurch man hier die namensgebenden Knochen und Schädel von Wildtieren fand.

 

Wieder an der Oberfläche, machten wir uns im schönsten Sonnenschein auf in die nächste Ortschaft, ziemlich verlassen und heruntergekommen, aber wir fanden das Grillfleisch, das wir suchten. Schliesslich verlangte der Salat der Jäger nach einer Beilage und das Holz verfeuert zu werden. Auf dem Rückweg zum Medicine Lake bewundern wir noch weitere Vulkankamine, versteinerte Kunstwerke der Natur. Der Medicine Lake Schildvulkan war für 500`000 Jahre aktiv und seine Eruptionen traten aus über 520 überirdischen Schloten aus, welche stetig explosiv Lava ausspuckten. Heute schützt der Park die Überreste von mehr als 20 einzelner Lavaströme und 700 Lavatunnel. Den Restnachmittag und Abend geniessen wir an unserem schönen Plätzchen am friedlichen See beim Grillieren und einem Fläschchen Wein. Und weil es so schön ist, entschliessen wir uns den kommenden Tag ebenfalls hier zu verweilen, zu baden, zu lesen und einfach die Seele baumeln zu lassen. Gemütlich wie wir da so am Ufer liegen, dürfen wir auch den majestätischen Flug zweier Seeadler beobachten. Wir bewunderten ihre Jagdtechnik und den fast lautlosen, geschmeidigen Flug hinweg über die Gipfel der Bäume. Ob sie zurückkommen? Das Licht fällt durch die grünen Blätter, wir blinzeln in den wolkenlosen Himmel und lauschen den sanften Wellen des Sees, einfach herrlich hier!