Backcountry Permit

Ach du grüne Neune... Wir hatten eine gute Nacht auf der Golden Gate Bridge Rest Area, doch bei der täglichen Kontrolle von Bobilchen fällt Markus auf, dass das Auspuffrohr vom Auspufftopf gelöst war. Nun war uns auch klar, wo das komische Geräusch der vergangenen Tage herkam. Doch wo bekommen wir jetzt an einem Samstag einen Mechaniker her, der uns dies schweissen und wieder instand stellen kann? Wir versuchen es bei einem Mechaniker, den wir ursprünglich für den grossen Service angeschrieben hatten, der jedoch wie all die anderen nie auf die E-Mail geantwortet hatte. Wer weiss, mal schauen ob der da ist. Keine zwei Stunden später stehen wir vor seiner Garage und uns fallen als erstes die vielen schön restaurierten alten und die neuen, nach speziellen Kundenwünschen veränderten Toyotas auf, dann sehen wir auch den Inhaber. Erst ziemlich wortkarg wird er immer gesprächiger. Er ist Kroate und lebt seit Geburt in Amerika, liebt Toyotas und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Heute gilt er als Spezialist auf seinem Gebiet in Kalifornien und Mudrak hat eine ausgezeichnete Reputation, wie wir von einem Herrn erfahren, welcher eben seinen in Auftrag gegebenen Toyota inspiziert und wie sich herausstellt, der Chairman vom Rubithon und der Toyota Landcruiser Association ist. Dieser Fachmann schaut sich nun unser Auto an, ohne Voranmeldung und mit viel Enthusiasmus. Den Auspuff kann er schweissen, zieht die Federn nach, kontrolliert die Lenkung, dichtet den Deckel des Ersatztankes ab und fragt dann ob wir sonst noch Fragen oder Wünsche hätten. Wir sprechen so über dies und das und natürlich kann er uns gleich ein paar Reservebirnen für Scheinwerfer und Rücklicht geben. Er helfe Overlandern gerne, sei immer wieder interessant die Autos zu sehen und Geschichten zu hören und er miete auch Toyotas aus, für 4x4 Reisen mit Dachzelt, allerdings nur an Europäer, Amerikaner würden mit Mietmaterial einfach nicht gewissenhaft umgehen. Die moderate Rechnung runden wir mit einem guten Trinkgeld auf und er wünscht uns gute Weiterreise, nicht ohne uns vorher zu bestätigen, das Bobilchen in einem guten Zustand sei, zumindest, soweit er das so auf den ersten Blick sehen könne (und er lag ja auch eine ganze Zeit darunter).

 

Nach dieser positiven Erfahrung fahren in bester Laune nordwärts durchs Sonoma Weingebiet. Zur Küste hin wird es grüner, Landwirtschaft aber im kleinen Stil mit Pferden, Kühen, Heumädli und weichen Hügeln voller gelbem Gras. Dann kommt die Küste in Sicht und wir fahren dem Hwy no1 entlang nach Norden. Die Küste ist felsig, wirkt schroff aber durch die Steilküste irgendwie auch wunderschön. Ein kalter Wind bläst und lässt einem trotz Sonne einen Faserpelz anziehen. Die Strasse windet sich entlang des Pazifik und auf einem Parkplatz oberhalb der Küste halten wir für die Mittagsrast. Wir beobachten zwei Kitesurfer die ihr Hobby kunstvoll ausführen, Wind und Wellen des Pazifik gekonnt nutzen. Später am Nachmittag sehen wir auch eine Kolonie Seelöwen, welche in einer ruhigen Bucht mit kleinem Sandstrand unterhalb des Felsabbruches die Sonne geniesst. Uns gefällt diese Küste und so zögern wir nicht lange, als wir jede Menge freier Parkplätze, ein Plumpsklo und kein Schild, welches Overnight Camping verbieten würde, sahen. Ein kleiner Küstenweg führt vom Vista Trailhead durch Heidelandschaft und entlang einer Küste, welche an vielen Stellen an die Steilküsten Englands erinnert. Definitiv nicht warm, geniessen wir dennoch die schöne Abendstimmung und klappen das Hochdach erst auf, als es schon am Eindunkeln war.

 

Nach einer guten Nacht fahren wir der Küstenstrasse weiter entlang, der Wind ist unangenehm kalt, aber die Landschaft eigentümlich schön. Steilküste, teilweise mit Holztreppen, die in kleine Sandbuchten hinunter führen, kein Nebel wie weiter südlich, sondern purer Sonnenschein. Heidelandschaft wechselt mit bewaldeten Abschnitten und dazwischen entdecken wir gut versteckte, moderne Holzhäuser, wunderbar in die Landschaft eingepasst, allesamt mit glasverkleideten Terrassen und Gartensitzplätzen, um sich vor dem kalten Wind zu schützen. Langsam wird mir auch klar, warum die klassische kalifornische Bekleidung aus Hotpants, FlipFlops und warmem Hoodypullover besteht. Man geht am Strand spazieren, wagt manchmal die Füsse in die kalten Wellen zu stecken, muss sich aber vor dem kalten Wind schützen. Während wir an einem Strandabgang den Gezeitenkalender fotografieren, entdecken wir auch eine uns leider vertraute Information betreffend Shellfish, auch hier scheint die gleiche Krankheit die Schalentiere zu befallen wie in Chile, also keine Muscheln sammeln und verzehren, sonst droht Vergiftung mit Lähmungserscheinungen. Es scheint Kontrollstellen zu geben, ähnlich wie bei uns, wenn man Pilze sammelt. Wir wollen aber weder Schalentiere noch Pilze oder Beeren sammeln und begeben uns zum Bowling Ball Beach. Dort kommen bei Ebbe eigentümlich rund geformte Felsen zum Vorschein, welche an ein Feld voller vergessener Bowling Bälle erinnert. Wir machen einen schönen Spaziergang dem etwas längeren Strand entlang und finden ein windgeschütztes Plätzchen für ein Mittagessen bei welchem wir einen Künstler beobachten, welcher seine vergängliche Kunst aus Sand kreiert.

 

Am späteren Nachmittag führt uns eine Kiesstrasse über den Costal Ridge und durch Redwoods Wälder (die höchsten Bäume der Welt und mit den Sequoias verwandt). Wir durchqueren den Mailland Redwood Statepark und kommen wenig später hinunter ins Andersen Valley, einem der bekannteren Weinanbaugebiete rund ums Napa Valley. Dann nochmals etwas bergauf, zum Sonoma Lake, einem künstlichen See mit rot-orangen Ufern, welche ein wenig an die Seenlandschaft am Guatapé See in Kolumbien erinnert. Die Sonne schien und dank der Abwesenheit des kalten Küstenwindes war es angenehm warm. Auch hier fanden wir dank I-Overlander bald den besagten Parkplatz für unsere Übernachtung. Ok, wir vermissen die Kiesgruben aus Chile und Argentinien, aber solche abgelegenen Parkplätze, die das Übernachten nicht verbieten und kostenlos sogar ein Plumpsklo zur Verfügung stellen, sind auch nicht schlecht. Wir können am Picknick Tisch mit Blick über den See zu Abend kochen und in der ganzen Zeit spaziert eine einzige Familie an uns vorbei, sonst ist es friedlich und ruhig.

 

Zeitig fahren wir am kommenden Tag los und queren erst das Sonoma, dann einen Teil des Napa Valley, bevor wir via Stockton zum Yosemite Nationalpark gelangen. Direkt unterhalb des Sonoma Lake standen schöne, kleine Weingüter, eines davon sogar im Stile der Toscana, andere eher wie grosszügige Farmhäuser anmutend. Ich begann die Namen der Weingüter aufzuschreiben, gebe aber bald auf, denn schon bald sind wir im Napa Valley und treffen dort auf Monokultur, diesmal Monokultur von Reben. Somit geben wir beim Einkauf einer Flasche Wein dem Sonoma Valley den Vorzug. Wie sich jedoch später herausstellt, war der Inhalt der Flasche gar nicht aus Kaliforniern, nein, dieses Weingut scheint aus Chile zu importieren. Verstehe das einer, naja, dann Salut Chile. Diesmal verzichten wir darauf, neue Entdeckungen im Weingebiet zu machen und überlassen es den Weinexperten zu Hause, uns ihre Vorschläge zu unterbreiten. Dafür haben wir an einem Stand frische Tafeltrauben gekauft, diesmal mit der Garantie, dass sie aus der Gegend sind, und sie schmecken vorzüglich. Die Landschaft ändert erneut ihr Gesicht, es wird hügeliger, dann sind da wieder die von goldgelbem Präriegras bewachsenen Hügel und im Hintergrund tauchen die schneebedeckten Spitzen der Sierra Nevada auf. Wir erreichen den Pines Campground an der Zufahrtstrasse zum Yosemite Nationalpark im Verlaufe des Nachmittages und als wir uns ein Plätzchen aussuchen, und den Umschlag der Nationalforest Behörde zur Selbstregistrierung ausfüllen, sind wir noch alleine, um 7 Uhr abends sind dann alle Plätze belegt. Die USD 21 die wir für diesen Platz zahlen, liegt an der oberen Grenze der Gebühren für solche Plätze, doch wir zahlen diese gerne, denn erneut müssen wir diesen Nationalforest Plätzen ein Lob aussprechen, sie sind in der Regel ansprechend gestaltet, bieten weit auseinanderliegende Plätze, Bäume spenden Schatten ohne zu viel Licht zu schlucken und zum Wasserhahn mit Trinkwasser und den sauberen Plumpsklos ist es von keinem der Stellplätze weit. Jeder Stellplatz bietet ein Picknick Tisch mit Bänken sowie ein Feuerring für ein Lagerfeuer. Selbst für Mülltrennung wird gesorgt, denn neben dem für Tiere nicht zu öffnenden Abfallcontainer stehen auch ebensolche Recycling Container.

 

Am nächsten Morgen fahren wir ins Yosemite Valley. Hier ist touristischer Hochbetrieb und jeder Stein und Grashalm wird fotografiert, Ranger sitzen mit Mikrofonen bewaffnet vorne im offenen Touristenbus und quaseln die "oh" und "ah" von sich gebenden Touristenmengen voll. Ob sich das John Muir so vorgestellt hat? Ich glaube, der würde sich im Grab umdrehen, wüsste er, was für ein Zirkus aus seinem erklärten Lieblingstal geworden ist. Im InfoCenter schauen wir erst mal zwei Filme, der eine erklärt anschaulich die historische Bedeutung des Parks und die ausschlaggebende, 3-tägige Camping Tour von Teddy Roosevelt und John Muir, der zweite widmet sich der ganzen Schönheit des Backcountry, bzw. der Wilderness Area des Parks, welche rund 95% des Parkes umfasst. Darauf hin versuchten wir unser Glück im Wilderness Permit Office und schon an der Tür stand: Half Dome für die nächsten Wochen ausgebucht. Somit fragen wir anders: Was für Möglichkeiten gibt es denn noch? Gibt es noch eine Permit für 2-3 Nächte im Backcountry und falls ja, in welchem Gebiet des Parks? Etwa 20 Minuten später spazieren wir mit vielen neuen Infos, einer Wanderkarte und einer Permit für 3 Nächte und 4 Tage Wilderness wieder aus dem Office. Zufrieden schlendern wir zurück zum Auto, nicht ohne vorher noch die Gelegenheit zu nutzen uns in einer Münz-Dusche frisch zu machen. Wir fahren wieder aus dem Tal hinaus und zum Glacier Point hoch. Auf halbem Weg aus dem Valley geniessen wir die beste Sicht auf eben dieses und assen am wenig logisch benannten Tunnel View Point auch unser Mittagspicknick. Die Sicht auf die Granitfelsen des El Capitan und die Wasserfälle, welche sich ins bewaldete Bergtal ergiessen, waren wunderschön. Doch auf der Fahrt auf den Glacier Point Aussichtspunkt hoch über dem Tal, dann der erklärte Höhepunkt unseres Tages: unsere erste Bärensichtung. Wir sprachen grad davon, da sage ich nur noch: stop, stop, stop - Bär, dort, Bär... und tatsächlich, nun erkannte auch Markus den sich langsam fortbewegenden Bären unten in der Waldlichtung. Eine kurze, aber tolle Sichtung. Zwei Kurven später eine riesige Autoschlange und zwei Ranger, welche die Touristen zurückpfeifen, die sich schon aufmachten Richtung Waldlichtung... Selfie mit Bär, oder was sollte das werden? Vermutlich hätten die den Bären am liebsten noch gefüttert, so wie das Touristen in historischen Filmaufnahmen ebenfalls gemacht haben. Diesem idiotischen Verhalten ist es zu verdanken, dass nun so viele Regeln und Gesetze für den Umgang mit Bären aufgestellt werden mussten. Wenn der Bär einmal seinen Respekt vor dem Menschen verloren hat und schlimmer noch, rausgefunden hat, das der Mensch und sein Camp eine Futterquelle darstellt, wird das Tier zum Problem Bär. So ein Tier wird basierend auf vorangegangenen Erfahrungen auf immer aggressivere Art versuchen an Futter heranzukommen und muss am Ende getötet werden. Somit ist ein vernünftiger Umgang mit den Tieren ein Schutz für die Bären. Selbiges gilt natürlich auch für die süssen Streifenhörnchen, welche vorwitzig und bettelnd gerne am Picknick teilhaben würden. Doch auch hier gilt: Keep Wildlife Wild. Somit teilen wir unser Glacé auch mit nichts und niemandem, während wir die grandiose Sicht vom Glacier Point aus bestaunen und auf der eben erworbenen Karte zu ergründen suchen, wo wir denn nun die nächsten Tage wandern werden. Im Nationalforest Camp Sweetwater (alle Campgrounds innerhalb des Nationalparks waren für Wochen ausgebucht) ergattern wir den letzten Stellplatz und packen unsere Rucksäcke mit Zelt und Bärenkanister. In diesen Bärenkanister muss man alle Esswaren und alle duftenden Dinge (wie Zahnpasta, Sonnencreme und Moskittospray) quetschen. Etwas befremdlich ist, dass man natürlich auch den Abfall inklusive dem genutzten Toilettenpapier ebenfalls in diesen Kanister stopfen muss, nur gut haben wir genügend ZippLog Plastiksäcklein dabei. PLB, Erste Hilfe Set und Wasserfilter kommen natürlich auch mit.

 

Wir fahren früh los, entlang der schönen Passstrasse über die Sierra Nevada bis zum Tulume Meadows Trailhead für welchen wir die Permit (Wanderbewilligung) bekommen haben. Die Bewilligung bezeichnet die Maximaldauer des Aufenthaltes in der Wilderness Area sowie den Eintrittstag und Eintrittspunkt, doch der angegebene Austrittspunkt oder die Route kann unterwegs beliebig angepasst werden, solange man die Aufenthaltsdauer nicht überschreitet. Das Papierchen muss zudem bei einer Stichkontrolle durch einen Ranger vorgezeigt werden können, komischerweise ist jedoch eine Rückmeldung auf dem Ranger Office nicht notwendig. Somit geht es hier nicht um den Schutz der Wanderer (wird ja keiner gesucht, wenn er überfällig wird), sondern um den Schutz der Natur, damit nicht zu viele Leute gleichzeitig die selben Gebiete des Parks betreten. Also beginnen wir unsere Wanderung auf dem gut ausgebauten und ausgeschilderten Weg (vergleichbar mit einem rot/weissen Wanderweg in der Schweiz) und sind am Anfang noch mit vielen Tageswanderern unterwegs, doch mit jedem Kilometer werden es weniger. Der Weg führt uns über eine schöne Bergwiese mit pinken Kissen von Bergblumen und vorbei an weiss blühenden, duftenden Büschen. Im Wald geht es dann bergan, jedoch nie wirklich steil. Wir sehen ein Reh, ganz nahe am Weg, viele Vögel und auch ein grosses Wildhuhn. Restschneefelder weisen darauf hin, dass die Schneeschmelze noch nicht lange eingesetzt hat und die Bäche und Rinsale sprudeln nur so vor klarem Wasser, der Weg jedoch ist glücklicherweise mehrheitlich trocken.

 

Eine erste Rast machen wir nach etwa 3h Wanderung oberhalb eines schönen Bergsees. Ein laues Windchen geht, doch Markus, welcher noch frisches Wasser holen ging, erzählte, dass er beim Pumpen durch den Filter drauf geachtet habe auf einer Felskante zu stehen, da es in der Wiese darum herum nur so gebrummt und gesummt hätte. Unmengen von Blutsaugern die nur darauf warten, dass einer zu nahe kommt. Zu dem Zeitpunkt finden wir das noch interessant, ein paar Stunden später erleben wir den blanken Horror. Auf 3000 MüM haben wir den Pass erreicht und direkt unterhalb der Columbia Fingers, beim Cathedral Pass eröffnet sich uns ein Traumpanorama über die Berge und eine unglaubliche Weitsicht. Wir geniessen die sanfte Briese und wundern uns, dass auch hier auf 3000 MüM die Baumgrenze noch lange nicht erreicht ist, ganz anders als in den Alpen. Wir wollen noch etwas weiter runter ins Tal, denn unser Ziel wäre es in 4 Tagen via Sunrise Point und Merced Lake zum Vogelsang High Sierra Camp und von dort via PCT zurück zum Tuolume Medow zu wandern. Soviel zur Planung.

 

Wir sind noch auf dem John Muir Trail hinunter in ein schönes, weites Tal mit sanften Wiesen und einem gurgelnden Bächlein. Das Summen von Insekten nimmt zu, der unangenehme Pfeifton von Mücken ebenso und so erneure ich meinen angelblich 12h wirkenden Mückenschutz mit 40% DEET. Doch die Insekten scheinen dies zu ignorieren, denn ich werde unmittelbar danach direkt an der Stelle gestochen, auf die ich eben dieses radikale Mittel gesprüht hatte. Was soll das denn? Doch es geht nicht lange und es werden mehr Stiche und langsam wird es unangenehm. Auch mein Wanderhemd mit integriertem Repellent zeigt keine Wirkung, und wo der spezielle Stoff nicht vollständig abdeckt, stechen sie zu. Dann kommen uns zwei Wanderer entgegen, im Vollschutz: Regenkleidung und um die Ärmel und Hosenbeine Gummibänder, Hut und Regenhaube hochgezogen, Gesichtsnetz und Handschuhe. Wir bleiben kurz stehen und sie empfehlen uns, uns subito genauso anzuziehen, denn jeder Schritt weiter in das Tal werde es schlimmer mit den Blutsaugern, teilweise wären es kleine schwarze Wolken, die einem begleiten. Wir entschliessen uns subito umzudrehen, denn oben am Pass hatten wir ja keine Mücken. In der kurzen Zeit dieser Unterhaltung wurde ich sicher 50x gestochen und die Stunde zurück zum Pass rannten wir fast. Oben dann wirklich fast keine Mücken mehr und noch immer eine leichte Briese. In der Zeit, in welcher Markus die Wasservorräte am Bächlein aufgefüllt hatte, wurde er ebenfalls zigfach gestochen, doch wir brauchten das Wasser, denn auf dem Pass gab es wohl ein nettes kleines Plätzchen für unser Zelt, aber kein Wasser. Zelt aufstellen, Rucksäcke auspacken und Bärenkanister in 30 Fuss (10 Meter) Abstand vom Zelt deponieren. Dann setzten wir uns auf die Felsen und verschnauften, doch keine 3 Minuten später stoppte der Wind. Kein Lüftchen, komplette Flaute und innerhalb weniger Minuten waren wir von Mücken umstellt.

 

So flüchten wir ins Zelt und beginnen zu philosophieren. Ist das das, was einem beim Wandern in Amerika erwartet, ist das "part of the fun"? Zu welcher Saison war eigentlich John Muir hier im Park unterwegs und hätte er auch gesagt "it is by far the grandest of all the special temples of nature I was ever permitted to enter" wenn er so von Mücken attackiert worden wäre? Wie wäre die Geschichte der Nationalparks der USA verlaufen, wenn so eine Anzahl Mücken den Frieden beim geschichtsträchtigen Campingausflug von Teddy Roosevelt und John Muir gestört hätten? John Muir war einer der ersten Naturalisten und Naturschützer der Sierra Nevada und hat das Potential und die Einzigartigkeit dieser Landschaft früh erkannt. Er wollte das Gebiet unter Schutz sehen und vor Raubbau durch Holzfirmen und Viehwirtschaft schützen. Mitten in den Kriegswirren des Bürgerkrieges fand Präsident Abraham Lincoln die Zeit ein Dokument zu unterschreiben, welches das Gebiet des Yosemite dem Staate California zum Schutze anvertraute. Jedoch erst in den späten 1880ern sprachen sich eine Gruppe engagierter Naturschützer rund um John Muir dafür aus, das Gebiet zu einem Nationalpark zu erklären, analog dem eben gegründeten Yellowstone. Ein erstes Stück wurde dann 1890 vom Kongress zum Nationalpark erklärt. Im Mai 1903 kam es dann zum historischen Campingtrip bei dem John Muir 3 Nächte Zeit hatte, Präsident Theodore Roosevelt von der Schönheit der Natur und der Notwendigkeit seines Schutzes zu überzeugen. Nach 4 Tagen war der Präsident so begeistert, dass er weitere Gebiete des Yosemite unter Schutz stellen liess und während seiner Amtszeit 5 neue Nationalparks schuf, dazu 23 National Monuments, 55 Wildlife Reserves und 150 National Forests. Wir hingegen schauten durch das Moskitonetz unseres Zeltes auf die beängstigende Anzahl Blutsauger und waren froh, dass der historische Campingausflug anders verlaufen ist, denn sonst hätte Präsident Roosevelt die Natur womöglich abfackeln oder trockenlegen lassen. Lästige Viecher, aber irgendwann muss man raus. Auf ein Abendessen haben wir ganz verzichtet, denn im Zelt darf man ja nix essen und es reichten schon die 3 Minuten fürs natürliche Bedürfnis, um an sehr unangenehmen Stellen gestochen zu werden, mehr Zeit wollten wir wirklich nicht draussen verbringen. So stand auch unsere Entscheidung fest, am Morgen in Vollmontur das Zelt abzubauen und dann zur Ausgangsstelle zurück zu kehren, so macht das keinen Spass. Und auch um 6 Uhr in der früh summte und brummte es noch. Da wir blöderweise unsere Kopfnetze im Auto vergessen hatten und es in den Handschuhen viel zu heiss war, konnten die Mücken frisch fröhlich Hände und Gesicht (obwohl ich das Buffband über die Nase hochgezogen, die Sonnenbrille anhatte, sowie die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen war) zerstechen. Erst rund 1.5h später wurde es besser und ich konnte komplett verschwitzt mein Regenzeug ausziehen. Was nun? Nun wir wollten nicht aufgeben und entschieden uns das Pferd von hinten aufzusatteln, notabene nicht ohne unser Kopfnetz aus dem Auto zu holen.

 

Somit waren wir um die Mittagszeit wieder auf dem Trail, diesmal aber vom geplanten Ende unserer Wanderung her. Wir wanderten völlig mückenfrei und frohen Mutes vom Tuolumne Meadow Richtung Tuolumne Pass. Nach rund 2 Stunden kommen uns wiederum Wanderer entgegen, welche davon berichteten, dass es hinter dem Pass und im  Hochtal Vogelsang schrecklich mückenverseucht sei, hier aber absolut herrlich. Nicht schon wieder, denken wir uns, und suchen nun aktiv nach der nächst besten Stelle für eine Übernachtung. So finden wir schon kurze Zeit später eine wunderschöne, erstaunlich mückenfreie Stelle an einem herrlichen Fluss, in welchem wir uns auch prima abkühlen können. Das frische Wasser ist herrlich, die Sonne auf dem Bauch ebenso und wir geniessen den Nachmittag und kochen uns ein frühes, aber leckeres Abendessen, selbstverständlich in gutem Abstand zum Zelt. Mit der Sonne gingen wir schlafen und verbrachten eine Mücken- und Bärenfreie Nacht auf 2800 MüM. Am nächsten Morgen ist es noch frisch, aber die Sonnenstrahlen wärmen und wir geniessen unser Frühstück am Fluss, bevor wir in aller Ruhe unsere 7 Sachen und das Zelt zusammenpacken. Vorsorglich wird schon mal die Regenjacke, Handschuhe und Kopfnetz griffbereit aussen am Rucksack befestigt, denn nun ging es Richtung Vogelsang.

 

Ein wunderschöner, nie steiler Aufstieg zum Pass und eine schöne Alpwiesenlandschaft dahinter. Hier aber sind die Stechviecher tatsächlich, allerdings nie so viele wie am ersten Tag und dank des Windes auch bei weitem nicht so aggressiv wie zuvor. So können wir den Aufstieg zum Eveline Lake und die traumhaft weite, hochalpine Landschaft geniessen. Ein Pika (seltener Nager und extrem wärmeempfindlich) sehen wir leider keines, dafür ein schönes, fettes blond/braunes Murmeltier. Grösser als die Modelle aus unseren Alpen, mit buschigerem Schwanz und bedeutend weniger scheu. Im stillen Bergsee schwimmen grosse und kleine Fische, der Bach ist eiskalt und sprudelt kräftig. Die Bergflanke ist noch schneebedeckt und rosa Schneealge wächst darauf. Wir kommen durch eine Ansammlung von Tannen und beobachten eine Schar elsterngrosse Vögel, sogenannte "Clarks Nutcracker". Diese Vögel sammeln die Samen der "Gnarled Whitebark Pine". Diese Samen sind kalorienreicher als Schokolade und werden von diesen Vögeln gesammelt und wie von Eichhörnchen in Verstecken als Wintervorrat angelegt. In einer Saison können diese Vögel bis zu 100^000 Samen sammeln - und klar, sie finden nicht alle Samen wieder. Diese vergessenen Samen gedeihen und so verbreitet sich diese Baumart. Ein paar hundert Meter höher, auf 3200 MüM finden wir ein ideales Übernachtungsplätzchen. Geschützt vom Wind, der über die Bergkuppe weht, stellen wir auf einer sandigen Stelle zwischen Föhren unser Zelt auf, während uns ein vorwitziges Chipmunk beobachtet. Es ist sonnig, doch dank ausreichend Wind, verschonen uns die Mücken und so können wir in Ruhe eine mit heissem Wasser angegossene Trecking Mahlzeit und den fantastischen Rundblick geniessen. Von unserem Plätzchen aus sehen wir auch den Amelia Earhart Peak (zurecht einer der höchsten Berge der Sierra und für nicht Aviatiker: eine amerikanische Flugpionierin, z.B. die erste Frau die über den Atlantik flog)... es ist fast so schön wie fliegen, nur ruhiger und entspannter. Es folgt ein traumhaftes Alpen bzw. Sierra - Leuchten und so kommt mir ein Zitat von John Muir in den Sinn: "Everyone needs beauty as well as bread, places to play in and to pray in, where nature may heal and cheer and give strength to the body and soul alike".

 

Es ist frisch am Morgen früh, aber die Sonne wärmt im Windschatten der Felsen und so ist uns ein gemütliches Frühstück gewährt. Danach machen wir uns an den Abstieg, erst durch dichten Wald, dann treffen wir auf den PCT und wandern diesem entlang durch mückenfreie Bergwiesen und das schöne, breite Tal des Lyell River zurück zum Tuolumne Meadow. Knapp 6h durch schönste Landschaften bei sanftem Gefälle inklusive Sichtung diverser Murmeltiere und Erd/Streifenhörnchen runden unseren 4-tägigen Ausflug ins Hinterland des Yosemite ab. Trotz Mückenattacke am ersten Tag, ein tolles und positives Erlebnis. Wir hoffen auf weitere solche Wanderungen in den USA/Kanada und fahren gut gelaunt der Tioga Passstrasse entlang und dann steile 1000 Höhenmeter runter ins Mono Basin. Von weitem glitzert das eigentümlich milchige Blau des Sees in einer zum Yosemite kontrastierenden, baumlosen Landschaft. Mit 150km2 Ausdehnung ist der Mono Lake der weltgrösste Kratersee, wegen exzessiver Wasserableitung für Los Angeles jedoch droht eine Versalzung des wichtigen Vogel Habitats. Seit 1941 ist der Wasserspiegel um über 12m gesunken und während der See die Hälfte des Volumens verlor, verdoppelte sich der Salzgehalt.

 

Wir steuern den Mono Vista RV Park & Camping an und bekommen eine Dry Site für 28 USD pro Nacht. Quasi ein privates Wiesenstück, gross genug, damit wir Baby Bobil parken und unsere Markise ausziehen können. Dry Site wird dies genannt, weil an diesem Wiesenstück keine Strom- oder Wasserbuchse vorhanden ist. Das ist hier aber egal, denn nur wenige hundert Meter davon entfernt, findet sich ein wunderbar neuwertiger Dusch- und WC Block, wo wir uns frischmachen können, sowie ein gedeckter Abwaschtrog für Camper (notabene sogar mit heissem Wasser) und eine supersaubere Münz-Wäscherei. Wir können somit auch gleich noch unsere Wandersachen waschen und geniessen den Luxus des Platzes. Zudem stehen in und vor der Wäscherei Bänkli mit Steckdosen und Wifi Empfang. Obwohl ein kalter Fallwind von der Sierra Nevada hinunterbläst, gefällt es uns hier so gut, dass wir gleich noch eine Nacht verlängern, was mir wiederum die Gelegenheit gibt, am Blog zu schreiben, Markus die Gelegenheit seine geometrischen Zeichnungen für geplante Verbesserungsausbauten am Bobilchen zu zeichnen und uns gemeinsam die Gelegenheit ausgiebig zu kochen, eine Flasche Wein aufzumachen und auf die schöne Wanderung im Yosemite Nationalpark anzustossen.