San José, Costa Rica

Wir landen am späteren Nachmittag in San José und bestellen unser erstes Uber Taxi, eine gute Erfahrung. Zum Fixtarif bewegen wir uns stockend für eine Stunde im Abendverkehr, dann kommen wir im Hotel Nova an, wobei dies wohl irgendwann in den 80ern mal neu war. Nichtsdestotrotz ein preiswertes, sauberes und grosszügiges Zimmer in unmittelbarer Nähe der Fussgängerzone im Zentrum, absolut ok für eine Nacht. Am nächsten Morgen machen wir zum ersten Mal mit der regionalen Küche Bekanntschaft, zum Frühstück wird uns Gallo Pinto serviert, gekochter Reis mit dicken schwarzen Bohnen und Zwiebeln vermischt, dazu ein Spiegelei und ein Stück Kochbanane. Der Kaffee wurde schwarz serviert. Auch hier besteht ein Mittagsmenu (hier wird dies Casado genannt) aus Kochbanane, Gemüse, Maniok und der üblichen Auswahl zwischen Huhn, Schmorfleisch (von welchem Tier auch immer) oder Fisch. Zu Trinken gibt es auch hier die leckeren Fruchtsäfte oder wer mag, kauft sich an einem Stand Agua de Pipa (Kokosnüsse zum Trinken), wird gerne auch mit Rum angeboten und nennt sich dann Coco Loco. Wer Bier mag, der kann entweder Imperial oder Bavaria trinken, das sind die beiden gängigsten Sorten der zwei staatlichen Bierbrauereien. Wein wird importiert. Und für die Abendstunden gibt es diverse Cocktails oder Ron Tico (Ron = Rum / Tico = so nennen sich hier die Bewohner).

 

Wir spazieren zur frühen Morgenstunde durch die Fussgängerzone, es ist angenehm warm aber nicht zu heiss. Was uns bereits auf der Fahrt vom Flughafen als Kontrastprogramm zu Kolumbien aufgefallen, und auch nun wieder ins Auge sticht, ist die Sauberkeit und die gesittete Fahrweise auf den Strassen, auch ist es auffallend ruhig, kein extremer Motorenlärm, kein Gehupe, keine plärrenden Musikanlagen. Dafür fahren die Ticos mit Bedacht und Geduld und halten sich an Verkehrsregeln. Dies gilt auch für die Motorradfahrer, welche fast ausschliesslich mit Helm und einer Art Sicherheitsleuchtstreifen (wie ein Kindergartenstreifen) unterwegs sind.

 

Zur Türöffnung stehen wir vor dem Nationalmuseum und lösen einen Museumspass. Leider merken wir hier schon, dass Costa Rica ein klassisches Touristenland ist und die Preise dementsprechend höher sind, als was wir bisher gewohnt waren. Der Colon ist die gängige Währung, aber schnell merkt man, dass man fast überall im touristischen Bereich (zu einem fairen Kurs) in US Dollar zahlen kann. Schön ist auch, dass die Statistiken Costa Rica als ein sicheres Reiseland einstufen, es gibt weder Militär, Guerillas noch Terroristen, aber natürlich gelten die gleichen Vorsichtsmassnahmen wie überall, denn wie überall gibt es auch hier Langfinger in den Touristenballungszentren und unsichere Quartiere in der Hauptstadt.

 

Das Nationalmuseum begrüsst seine Besucher erst einmal mit einem grossen Tropenhaus, welches man auf dem Weg zu den eigentlichen Ausstellungsräumen durchschreitet. Unglaublich grosse, blaue Schmetterlinge flattern um einem herum oder liegen halb beschwipst auf und neben den vergorenen Früchten, von denen sie sich ernähren. Die Blauen Morphofalter erreichen eine Flügelspannweite bis zu 120mm und haben leuchtend blaue Flügeloberseiten. Dieses Blau entsteht durch Interferenz des Lichtes auf den Schuppen der Flügel und interessanterweise nicht durch Pigmente. Bei den Weibchen ist das blau nicht so kräftig. Die Unterseiten der Flügel sind braun und erst im Flug geben sie ihre Farbenpracht preis.

 

Rund 4.8 Menschen leben in Costa Rica und somit hat sich die Gesamtbevölkerung in den letzten 40 Jahren verdreifacht. Der Anteil der städtischen Bevölkerung liegt bei über 60%. Die Ticos, wie sich die Costaricaner nennen, sind ein stolzes aber freundliches und friedliebendes Volk. Sie wohnen auf 51^100 km2 (im Vergleich: die Schweiz weisst eine Fläche von 41^000 km2 auf) und ihr Land liegt zwischen Atlantik (Karibisches Meer) und Pazifik. Die Vielfalt der naturgeografischen Erscheinungsformen in dem relativ kleinen Land ist überwältigend und mitunter ein Grund für die grosse Anziehungskraft auf Touristen aus aller Welt. Es ist Teil der mittelamerikanischen Landbrücke und erstreckt sich auf einer Länge von etwa 450km zwischen den beiden Meeren. Eine Gebirgskette mit Höhen über 3000m trennt das atlantisch-karibische vom pazifischen Küstentiefland. Das Bergland ist grösstenteils vulkanischen Ursprungs. Die Bergkette im Nordwesten ist eine Aneinanderreihung erdgeschichtlich relativ junger Vulkankegel. Südöstlich vorgelagert bildet ein weiterer Gebirgszug ein Bindeglied zur Cordillera Central, die Berge hier sind meist bewaldet und erreichen eine Höhe bis etwa 1500müm. Die dritte Gebirgskette wartet mit den bekanntesten und am besten erschlossenen Vulkanen des Landes auf (z.B. Poas). Sie erreichen Höhen von über 2500müm und gehen sanft in das auf rund 1000müm gelegene Zentraltal über, im Osten fallen sie steil zum karibischen Küstentiefland ab. Südöstlich folgt das bisher am wenigsten erschlossene Gebirgsmassiv mit dem 3820 Meter hohen Vulkan Chirripo. Costa Rica liegt in der tropischen Klimazone, gekennzeichnet durch geringe jahreszeitliche Temperaturschwankungen. Das Klima ist geprägt von der jeweiligen Höhenlage und der Niederschlagsmenge. Von Oktober bis März liegt Costa Rica im Einzugsbereich der Nordost Passate, die der karibischen Abdachung monatlich Niederschläge von über 400mm bescheren. Auf der pazifischen Seite herrscht von Dezember bis April Trockenzeit. Ab Mai überwiegen Winde aus südwestlicher Richtung, die auf der pazifischen Seite Costa Ricas zu Niederschlägen führen.

 

Das Museum widmet einen ganzen Saal der Isla del Coco, welche rund 500km vor der Küste im Pazifik liegt. Es ist ein Felsmassiv mit hohen Klippen und einigen wenigen Buchten. Die Insel ist relativ jungen vulkanischen Ursprungs und Heimat einer sehr seltsamer Pflanzen und Tierwelt. Die Insel ist beliebt bei Tauchern, da die Meeresfauna rund um die Insel extrem vielfältig ist. Allerdings steht die ganze Insel unter Naturschutz und es gibt keinen Flughafen, man kann die Insel somit nur per Boot erreichen. Vom geografischen Gesichtspunkt her, gibt die Insel Costa Rica einen riesigen Anspruch auf Ozeanische Gewässer und macht Costa Rica somit zum grössten Land in Zentralamerika. Das Ozeanische Hoheitsgebiet (Karibik & Pazifik) von Cosa Rica ist somit 12 Mal grösser als seine Landfläche. Aus diesem Blickwinkel betrachtet hat Costa Rica nicht nur mit Nicaragua und Panama eine Landesgrenze, sondern auch Meeresgrenzen mit Ecuador und Kolumbien.

 

Im Gegensatz zu den benachbarten Hochkulturen im Norden und in Südamerika entstanden in Costa Rica keine Pyramiden, Tempel oder Paläste, und auch sonst ist wenig erhalten, nicht zuletzt durch die blinde Zerstörungswut der spanischen Eroberer. Dennoch sind Zeugnisse von drei grossen archäologischen Zonen erhalten geblieben: polychrome Tongefässe (oft ist ein mexikanischer Einfluss nicht von der Hand zu weisen), Steinbearbeitung (Metates: aufwändig gestaltete Steinplatten und Tische), kunstvolle Jade Arbeiten und kostbare, fein gearbeitete Schmuckstücke und Kultgegenstände aus Gold. Die Metates faszinierten uns, denn sie sind aus einem einzigen Steinblock vulkanischen Ursprungs gearbeitet. Eine Tischplatte wird dabei von dreidimensionalen, komplex gearbeiteten Skulpturen getragen, manchmal wirkt sie wie über den Figuren zu schweben. Ab und an wurden diese Tische auch zur Aufbahrung gebraucht und in Gräbern gefunden, man vermutet jedoch, dass sie vielerlei kulturellen Aktivitäten dienten, jedoch eher nicht im Alltag gebraucht wurden, da sie wenig Abnutzungserscheinungen zeigen.

 

An den Hängen des Vulkans Turrialba findet man Zeugnisse einer Stadt welche wohl 1000 vor bis 1400 nach Christus existierte und Rundhütten mit festen Lehmböden, Bewässerungskanälen und gepflasterten Strassen kannte. Die Bedeutung der runden, glatten Granitkugeln, deren Durchmesser von 0.05m bis 2.5m variieren, liegt weiterhin im Dunkeln. Auch Fertigung und Transport der bis zu 25 Tonnen schweren Kugeln (man fand sie an Orten wo Granit gar nicht vorkommt) gibt Rätsel auf. Die Ankunft der Spanier war der Anfang vom Ende der indigenen Bevölkerung und bald bevölkerte nur noch eine kleine Menge weisser Plantagenbesitzer und deren Arbeiter die Gegend.

 

Zwischen 1870 und 1900 war Costa Rica zur "Bananenrepublik" aber auch "Kaffeenation" geworden und der Bau einer Eisenbahn zum Atlantikhafen Limon ermöglichte den Kaffeehändlern direkt nach Europa zu exportieren, ohne den 3-monatigen Umweg über Kap Horn an der Südspitze Südamerikas. 1899 wurde die United Fruit Company gegründet und monopolisierte den Anbau von Bananen (weltweit bekannt ist das Markenemblem von Chiquita Banana). Damit begann die wirtschaftliche Abhängigkeit Costa Ricas von den USA. Andererseits läutete der wirtschaftliche Aufschwung um die Jahrhundertwende eine Zeit der liberalen Politik mit vielen Modernisierungen ein. Damit einher stieg die Bevölkerungszahl rapide an, um 1900 lebten rund 300^000 Menschen in Costa Rica. Im Jahr 1960 begann der Staat auf Druck der USA mit dem Zuckerrohranbau, da diese mit Kuba ihren Hauptlieferanten verloren haben. In den 70er nahm Costa Rica als erstes Land Zentralamerikas diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion auf. In den 80ern gefährdeten die fallenden Weltmarktpreise für Kaffee, Bananen und Zucker das bis dahin stabile soziale System des Landes. Die internationale Verschuldung stieg und die Staatsausgaben mussten drastisch gekürzt werden. Unter dem Druck der sich zuspitzenden Konfrontation mit Nicaragua rief Costa Rica 1983 die Neutralitätserklärung (permanente, unbewaffnete Neutralität) aus und distanzierte sich vom Konflikt, um sich auf den eigenen wirtschaftlichen Aufbau zu konzentrieren. Trotz z.B. einer Militärbasis der USA im Norden des Landes zählt Costa Rica seit über 40 Jahren zu den stabilsten Ländern in Lateinamerika. Seit den 90er Jahren werden neue Agrarprodukte exportiert, Schnittblumen, Zierpflanzen sowie diverse Früchte und der Tourismus wird zur wichtigsten Einnahmequelle. Rund 2.5 Millionen Menschen besuchen Costa Rica jedes Jahr. Seit neustem jedoch machen die im Auftrage der US Firma Intel gefertigten Computerchips einen Anteil von 35% des Gesamtexporteinkommens aus. Auch im Bereich Pharma macht Costa Rica grosse Fortschritte, man möchte die natürlichen Heilkräfte der enormen Biodiversität des Landes erforschen.

 

Das zweite Museum, welches wir besuchten, war das Jademuseum. Seit 1977 ist die archäologische Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich und umfasst neben der wahrscheinlich grössten Jadesammlung Amerikas auch zahlreiche steinerne Kult Metates und aussergewöhnlich gut erhaltene und künstlerisch hochwertige Exemplare präkolumbianischer Keramik die in Form von Menschen, Tieren und Früchten gearbeitet sind. Die Detailgenauigkeit und dekorative Kunstfertigkeit fasziniert. Es gibt sogar eine Abteilung bei welcher sich alles um die Fruchtbarkeitssymbolik dreht und eine weitere, welche sich dem Körperkult widmet und erklärt, wie mit Keramikstempel und Rollern geometrische Motive auf die Körper aufgemalt wurden. In modern aufgearbeiteten Themenbereichen werden die Exponate in Relation mit der jeweiligen Kultur gestellt, was die Ausstellung äusserst interessant macht. Ausserdem ist diese Sammlung eine der bedeutendsten Sammlungen präkolumbianischer Kunst Zentralamerikas und wirklich sehenswert.

 

Jade wird oft auch grünes Gold genannt, schon bei den frühen regionalen Kulturvölkern war Jade ein gefragtes Material, aus dem man Schmuck und religiöse Kultobjekte fertigte. Jadekünstler waren bei den Maya bedeutende und geachtete Persönlichkeiten und oft wurden diese mit ihren Werkzeugen und einigen Ihrer Arbeiten beerdigt. Auf der Suche nach der begehrten blauen Jade, welche hier vermutet wurde, kamen bereits 800 vor Christus die Olmeken und mit ihnen erste Jade und Verarbeitungstechniken ins Land. Aber sie wurden enttäuscht und auch die Archäologen, die vergeblich nach Jade in Costa Rica suchten. Die Tatsache, dass in einem Land in dem niemals Jade gefunden wurde, die Bearbeitung dieses harten Gesteins dennoch eine Blüte erlebte, ist mit dem regen Handel zu erklären, der vor allem in Richtung Guatemala bestand, wo die reichsten Jadevorkommen Zentralamerikas liegen. Wurden die frühen Stücke noch etwas grob gearbeitet, so wurden mit immer ausgereifteren Techniken mehr und mehr Details plastisch herausgearbeitet. Ihren Höhepunkt erreichte die Kunst der Jadebearbeitung in Costa Rica um das 5. Jahrhundert, aber noch bis hinein ins frühe 16. Jahrhundert wurden aus Jade und Nephrit, einem sehr ähnlichen Gestein, in einem komplizierten Bearbeitungsprozess Amulette, Halsketten und auch Büstenhalter für die Damen des gehobenen Standes gefertigt. Häufig findet man auch Tiermotive deren mythologische Kraft den Schamanen zu Hilfe kam.

 

Das dritte und kleinste Museum, welches wir besuchten, war das im unterirdischen Museumskomplex der Banco Central befindliche Numismatische- und Goldmuseum. Die relative Grösse des Museums soll jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es sich damit um eine der grössten Goldsammlungen Amerikas handelt. Nach einer kurzen ethnologischen Einführung in die Lebenseise der früheren Bewohner dieser Region folgt eine eindrucksvolle Sammlung von Kultur und Schmuckgegenständen aus Gold: über 2000 schön präsentierte Exponate. Auf zahlreichen Schautafeln werden die symbolischen Bedeutungen der verschiedenen Tiere und die unterschiedlichen Techniken der Gold Verarbeitung erklärt. Am faszinierendsten fand ich die Technik der verlorenen Form. Bei diesem Verfahren wurde zunächst ein Abbild des gewünschten Schmuckes in Wachs modelliert und mit dünnen Wachsfäden versehen. Das Modell wurde dann mit Holzkohle überpudert und mit einer Form aus Ton umgeben. Beim Brennen schmolz das Wachs und floss über die dünnen Kanäle der Wachsfäden ab. In den so entstandenen Hohlraum goss man flüssiges Gold ein, die Gussform wurde nach dem Erkalten zerschlagen und das Goldmodell durch Feilen, Glätten und Polieren fertig gestellt. Immer wiederkehrendes Motiv sind neben dem Frosch (Fruchtbarkeit) und Krokodil (Erdgottheit) die Veraguas, wahrscheinlich symbolhafte Darstellungen des Königsgeiers, der als Vermittler zur Überwelt galt. Die Symbole und verwendeten Materialien der gefundenen Schmuckstücke weisen auf einen regen Handeln mit anderen Völkern Mittelamerikas hin.

 

Persönlich haben mir das Jade- und das Nationalmuseum am besten gefallen, es werden ein breites Spektrum an Exponaten anhand sehr informativ und modern aufgearbeiteten Themenbereichen ausgestellt. Markus war umso mehr von den filigranen Exponaten im Goldmuseum fasziniert. Am späten Nachmittag holten wir unser Gepäck im Hotel ab und bestiegen unseren Bus an die Karibikküste, wo wir rund 6 Stunden später von Jeannine und Adi erwartet wurden, welche bereits ein einfaches Bungalow in Puerto Viejo bezogen und einen feinen Fruchtsalat zum Verzehr vorbereitet hatten.