Frösche & Faultiere

Die Fahrt von der Karibikküste ins Hochland nach San José zieht sich. Bei der Abfahrt an der Küste hat es noch geregnet, bei der Fahrt ins Hochland regnet es wieder und dichte Nebelschwaden umhüllen die grünen Bäume. Dichter Regenwald und Brücken über reichlich wasserführende Flüsse prägen das Bild, bis wir in der Hauptstadt ankommen, wo es angenehm kühl aber auch sonnig ist. Nach 6 Stunden Busfahrt quetschen wir uns zu viert mit unserem Gepäck in ein Taxi und fahren zum Flughafen, von dort dann mit dem Alamo Schuttlebus zur Anmietstation. Dort werden wir äusserst freundlich begrüsst, bekommen Wasser, Infomaterial und einen kompetenten Service geboten und können alsbald in einem Suzuki Grand Vitara, einem 4x4 mit grösserer Bodenfreiheit (gute Entscheidung, wie sich später herausstellt) und genügend Platz für uns und unser Gepäck, Richtung La Fortuna losfahren. Die Strassen rund um die Hauptstadt sind etwas stark frequentiert, so kommen wir anfänglich nicht so schnell voran, dennoch überrascht uns wie zivilisiert es hier vor sich geht. Die Leute scheinen die Verkehrsregeln zu kennen und fahren normal und ruhig. Als wir in die Nebenstrasse abbiegen, wird es ruhiger, aber auch kurviger. Kurz vor der Dämmerung erreichen wir unser Tagesziel, eine Ferienwohnung etwas ausserhalb von La Fortuna. Das Appartement liegt in einem neuen Gebäudekomplex, der von einem wunderschön angelegten Garten umsäumt ist, dahinter liegt ein grösseres, privates Biotop.

 

Der Besitzer der Anlage ist ein Biologe und erklärt uns, dass der Garten und das Biotop so angelegt wurde, dass eine natürliche Umgebung mit idealen Voraussetzungen für Frösche geschaffen werden konnte. Er ermutigte uns, das Biotop abends mit Taschenlampe zu erkunden, gerne würde er uns, wenn er in 2 Tagen zurück aus der Stadt sei, eine Privatführung geben. Wir waren positiv überrascht, nicht nur über den Luxus des geschmackvoll und modern eingerichteten Appartements mit zwei Schlafzimmer, Sofalandschaft, Küche (die Saftmaschine nutzen wir intensiv) und Terrasse, sondern im Speziellen über dieses grossartige Biotop, quasi als Extrazugabe im Preis inbegriffen. Wie wir später erfuhren, ist es dem Biologen ein Anliegen eine Symbiose zu schaffen, zwischen Hotelanlage und Natur, es soll eine Harmonie und Balance entstehen, in der nicht die Menge der Zimmer sondern die Diversität der Natur im Vordergrund stehen soll. Erst erstellte er das Biotop, dann den angrenzenden Garten (mit wunderschönen Pflanzen, so z.B. der rote Fackelingwer) und zuletzt das Apart Gebäude. Er erklärte uns, dass mit den richtigen Pflanzen, dem Teich und der Nähe zum vorbeifliessenden Fluss eine optimale Umgebung für Amphibien geschaffen werden konnte. Mit den Amphibien kommen die Reptilien und mit diesen die Vögel und Säugetiere. Schon auf unserem ersten Streifzug mit Taschenlampe entdecken wir viele verschiedene Frösche und Kröten. So zum Beispiel den grün-blauen Rotaugenlaubfrosch, wunderbar fotogen und allerliebst anzuschauen. Er ist unser erklärter Liebling und wohl nicht umsonst auf vielen Werbeplakaten für Costa Rica abgebildet. Wenn er schläft, überzieht er seine auffälligen Augen mit einer Haut, so dass er besser getarnt ist. Wir beobachten wie eines dieser Kerlchen aufwacht... tolle Beobachtung. Aber auch das maximal zwei Zentimeter grosse Erdbeerfröschli fasziniert, obwohl es hochgiftig ist. Es gehört zu der Familie der Baumsteigerfrösche bzw. Pfeilgiftfrösche. Innerhalb von 20 Minuten können sie einen Menschen töten. Da sie das Gift jedoch nicht selber produzieren, sondern durch die Nahrung (z.B. Ameisen) aufnehmen, sind sie in Gefangenschaft gehalten, interessanterweise ungefährlich. Zu diesem freilebenden Exemplar halten wir aber gebührend Abstand. Irgendwie süss ist auch das winzige, durchsichtige Glasfröschlein, welches ganz unscheinbar auf einem Blatt sitzt, das durch seinen Körper, in welchem man die Organe erkennen kann, durchscheint.

 

Tags darauf erkunden wir den Nationalpark um den Vulkan Arenal. Teuer der Eintritt und gering die Ausbeute. Costa Rica ist kein billiges Reiseland, dafür ist die Infrastruktur sehr gut entwickelt und es ist ein fortschrittliches Tourismusland. Da wir zu Viert unterwegs sind, können wir aber Kosten wie Automiete, Benzin und Unterkunft gut teilen und so trotz allem an unserem Budget festhalten. So liegen auch die 15 USD pro Nase für den Eintritt in den Nationalpark drin, allerdings hätten wir uns mehr Tiersichtungen erhofft. Wir gehen betont langsam dem Weg entlang, richten unseren Blick in die Baumkonen und hoffen irgend was zu entdecken, im Speziellen ein Faultier. Aber nix da, nach rund 3 Stunden haben wir Genickstarre und fallen fast über den davonhuschenden Nasenbär am Boden. Der Spaziergang ganz allgemein war schön und führte uns durch unterschiedlichen tropischen Wald, ausser einem Paar Great Curassow (fast Truthahngrosse Vögel), dem erwähnten Nasenbär und ein paar nassen Eichhörnchen war die grosse Würgfeige (dieser Baum wird bis zu 60 Meter hoch) jedoch das einzige Highlight. So kehrten wir zurück in unsere Ferienwohnung, kochten gemeinsam, öffneten eine Flasche Wein und zückten die Stirnlampen nach dem Eindunkeln, um erneut das Biotop hinter unserem Apartment zu erkunden. Hier übrigens der Link zur Unterkunft: Cabanas del Rio

 

Der zweite Morgen beginnt anders als sonst, wir stehen früh auf und fahren noch vor dem Frühstück los. Nach ein paar Kilometer, wieder in die Richtung des Vulkanes, fällt uns auf, dass eine Gruppe Touristen gebannt auf einen dicken Knoten in den Ästen eines Baumes starren. Wir halten an, denn von Jeannine haben wir gelernt, dass es sich bei solch vermeintlichen Knoten gerne mal um ein Faultier handeln kann. Und tatsächlich, es ist eines. Das erste Faultier das Markus und ich in freier Wildbahn sehen. Leider sitzt es da eingekrungelt mit Rücken zu uns, macht keinen Wank und verschmilzt mit seiner Umgebung zu einem Knoten aus grün in grün. Wir können an sich nichts sehen und beschliessen, später nochmals vorbei zu kommen. So machen wir uns auf den Weg zum warmen Fluss, eine Empfehlung unseres Gastgebers Cristian. Die meisten Resorts mit heissen Quellen verlangen eine Unsumme Geld für den Eintritt, doch hier im Fluss fliesst das gleiche Wasser und wir können ganz kostenlos ein entspanntes Bad nehmen. Wie wir da so im warmen Wasser tümpeln können wir jede Menge Tiere beobachten, Schmetterlinge, Vögel (auch schön gefärbte, hektisch flatternde Kolibris) und verschiedene Echsen. So auch die faszinierende Jesus Eidechse, welche eigentlich Emerald Basilisk Echse heisst, aber wie alle Basilisken Leguane den eigentümlichen Übernamen haben, da sie über das Wasser laufen können. Ermöglicht wird dies durch den Stau von Luft in Mulden unter den Füssen und der hohen Geschwindigkeit mit welcher sie die Wasserfläche, in unserem Falle den Fluss, queren. Das muss man sich mal anschauen (einfach bei YouTube nach Jesus Eidechse suchen). Die Tiere sehen zudem auch noch aus wie lebendige Dinos.

 

Auf dem Rückweg halten wir wieder bei dem lebendigen Knoten im Baum, jetzt sind keine Touristen vor Ort, aber wir können den Knoten gut erkennen. Da wir zum Baden im Fluss keine Wertsachen mitnehmen wollten, war auch keine Kamera zur Hand und so hielten Jeannine und ich Stellung, während Markus und Adi eine gefühlte Ewigkeit zurück zur Unterkunft fuhren, um Kamera und Teleobjektiv zu holen. Während die Herren unterwegs waren, wachte der Knoten auf und entpuppte sich als Dreifingerfaultier mit Jungem. Wir waren fasziniert von diesem Tier und der Sichtung, denn nicht oft erlebt man, dass sich dieses Tier überhaupt gross bewegt. Unser Exemplar jedoch, mit Baby, welches sich am Bauch festhielt, griff übertrieben langsam von Ast zu Ast, liess sich etwa zwei Meter dem Stamm entlang hinunter (wo sind denn die Herren mit den Kameras, sowas glaubt uns ja wieder keiner) und balancierte weiter zu einem stärker mit Blätter bewachsenen Ast. Dort setzte es sich wieder und begann sich genüsslich Blätter in den Mund zu stopfen. Da kamen dann auch unsere Herren mit Kameras wieder und wir konnten nun doch noch ein paar Bilder von Mama und Baby machen, wie sie da in der Baumkrone ein spätes Frühstück nahmen. Dreifinger Faultiere sind die einzige Gattung innerhalb der Familie der Bradypodiae und stellen eine der zwei heute noch bestehenden Linien der Faultiere dar. Sie sind Einzelgänger und ernähren sich von Pflanzen. Bekannt sind die Tiere vor allem für ihre niedrige Stoffwechselrate und der damit verbundenen energiesparenden Lebensweise. Je nach Blickwinkel können die Tiere einen süssen Gesichtsausdruck bekommen, man könnte sogar meinen sie lächeln, doch der Kopf ist klein und rund, die Nase erhebt sich leicht aus dem Gesicht und die Augen sind klein und nach vorne gerichtet, die ebenfalls kleinen Ohren bleiben im Fell verborgen. Die Gliedmassen des bis zu 80cm grossen und bis zu 10kg schweren Tieres sind von langem und kräftigem Bau, wobei die vorderen Extremitäten die hinteren um das etwa anderthalbfache an Länge übertreffen, eine spezielle Anpassung an die Lebensweise in den Bäumen. Sie haben an Händen und Füssen drei Finger, welche in scharfen, hakenförmigen Krallen enden. Sie haben einen kurzen Schwanz und das Fell des Körpers ist meist graubraun bis grau gefärbt, einige Tiere besitzen jedoch eine ausgeprägte Gesichts- und Rückenfärbung, in vielen Fellen wachsen aber auch Algen, ein eigentlich eigenes, lebendes Biotop, das da auf dem Tier wächst und zusätzlicher Tarnung dient. Die Tiere bewegen sich nur wenige Meter pro Tag und kommen nur rund alle 10 Tage auf den Boden, um zu urinieren und ihre Fäkalien zu vergraben (damit allfällige Fressfeinde keine Infos bekommen, auf welchem Baum sie leben). Rund alle 3 Tage bewegen sie sich von einem zum nächsten Baum, vermeiden aber den Boden soweit sie können, denn dort sind sie ungleich unbeholfen, erstaunlicherweise sind sie aber gute Schwimmer. Ihr Leben spielt sich auf dem Baum ab, Essen, Fortpflanzung, Geburt. Die Dreifingerfaultiere sind Tag- und Nachtaktiv und die wenigen Stunden, die sie nicht schlafend oder ruhend verbringen, können sowohl am Tag als auch in der Nacht liegen.

 

Inspiriert von der Trägheit dieser Tiere genossen auch wir einen gemütlich faulen Nachmittag und besuchten das Biotop hinter unserem Appartment nun auch mal am Tag. Tiere sahen wir wenige, bewunderten aber um so mehr die exotischen Pflanzen. Unser Tagesprogram wurde dann durch die Begleitung des Biologen am Abend abgerundet. Unter fachkundiger Führung lernten wir das Biotop nochmals aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen. Nebst den giftigen Fröschchen, zeigt er uns Raupen, deren Haare Hautreizungen hervorrufen können, Spinnen, giftige Tausendfüssler und die giftige Pflanze Poison Ivy. Diese Pflanze ist auch in Amerika gut bekannt, hat mit dem eigentlichen Efeu wenig zu tun, kann aber bei Menschen zu ganz unterschiedlichen allergischen Reaktionen führen. Sumasumarum heisst die Devise: bloss nix anfassen. Uns wurde aber auch vieles über Schlangen, Spinnen und andere Gifttierchen erzählt, nicht um uns Angst zu machen, sondern um die Zusammenhänge besser zu verstehen und unangenehme Begegnungen zu vermeiden. Interessant fand ich auch, dass die Costa Ricanische Regierung offensichtlich international anerkannte Projekte unterstützt, welche die verschiedenen Medizinalpflanzen und natürlichen Gifte erforschen, um so für ihr Land eine ganz neue Einkommensquelle im Bereich natürlicher Pharmazeutika zu eröffnen. Noch immer werden täglich neue Substanzen entdeckt und auch die Wahrscheinlichkeit eine neue Art zu entdecken ist nicht ausgeschlossen.

 

Am nächsten Tag fahren wir dem Arenalsee entlang und weiter durch eine schöne Hügellandschaft bis nach Monteverde auf der gegenüberliegenden Seite des Vulkanes. Hier ist es merklich kühler, wir sind auch auf rund 1400 MüM. Wir haben diesmal nur für eine Nacht eine schöne Unterkunft in einem eben fertig gestellten Holzhaus gebucht. Der Besitzer und Künstler Tulio wohnte direkt unter uns, über uns noch eine weitere Wohnung. Alles sehr einfach aber äusserst geschmackvoll und mit einem Blick fürs Detail eingerichtet. Casa Tulio liegt etwas ausserhalb des Dorfes und ist ein klarer Kontrastpunkt zum modernen Appartement, welches wir vorher bewohnt haben, aber wir mögen es sehr, speziell auch den Balkon mit Blick in den Nebelwald. Lange verweilen wir jedoch nicht in der Ferienwohnung, wir haben eine Nachtsafari in einem Privatreservat beim Naturreservat Monteverde gebucht. Wir werden mit Taschenlampen ausgestattet, welche wir jedoch nur nutzen dürfen, um auf den Boden zu leuchten. Der Führer selbst hat eine grosse Taschenlampe, mit welcher er immer wieder die unterschiedlichsten Tiere aus dem Schleier der Nacht auf die natürliche Bühne bringt. Als erstes kann er uns gleich ein Zweifingerfaultier zeigen, dieses ist entgegen dem Dreifingerfaultier nachtaktiv. Leider aber beglückt uns das Tier nur mit einer Ansicht von Hinten und will uns sein Gesicht nicht zeigen. Weiter geht es mit grossen Taranteln, welche der Führer geschickt aus ihrem Erdloch lockt, verschiedene bunte Vögel, die schlafend wie bunte Pompons im Geäst wirken, auch ein schlafender Tukan (leider der einzige den wir in Costa Rica zu sehen bekommen) sowie unzählige Ameisen, grüne Vipern und mehrere Skorpione. Diese schimmern im UV-Licht bläulich und sind damit der Liebling aller Fotografen, obwohl wir alle gebührend Abstand halten. Nach rund 2 Stunden Nachtführung fahren wir mit vielen Eindrücken und Informationen zurück in die Unterkunft und fallen alsbald müde ins Bett. Morgen geht es weiter zur Pazifikküste.