Schokolade

Es gibt einiges an und bei der Karibikküste zu entdecken, so kann man beispielweise die Traumstrände im Osten der Sierra Nevada de Santa Marta aufsuchen, oder sich im Westen für ein heisses Bad im Vulkanschlamm entschliessen, wir entschieden uns für einen Besuch auf einer Touristen Finca am Fusse der Sierra Nevada. Die Sierra Nevada ist das höchste Küstengebirge der Welt: gewitterverdüsterte Schluchten und schneebedeckte Kuppen. Heute leben noch rund 20.000 Menschen eines indigenen Volkstammes in dieser Gegend, niemals erobert oder versklavt, sondern bis heute stolz die Hänge des höchsten Küsten Gebirges der Erde bewohnend. Der höchste Gipfel der Granitkette liegt auf rund 5700MüM und im 17.000km2 grossen Andenableger entspringen 36 Flüsse. Diese hohe Bergkette ragt nur 45km von der Karibikküste entfernt auf, nirgendwo sonst auf der Erde gibt es derart hohe Berge so nahe am Meer. Hier befindet sich auch die antike Ruinenstadt Ciudad Perdida, welche jedoch nur im Rahmen einer mehrtägigen, organisierten Wanderung erreichbar ist. Die Sierra bietet eine enorme Vielfalt an endemischen Arten und es sind sämtliche Klimazonen vertreten.  Die Küste ist nie weit entfernt und zeichnet sich teils durch mangrovenbewachsenes Marschland, teils durch feinen mit Felsnasen durchbrochenen Sandstrand und Kokoshainen aus.

 

Nach einer nicht sehr langen, aber unschönen Fahrt durch überfüllte Strassen mit chaotischem Verkehr und lauten Menschen denen das Lächeln auf dem Gesicht fehlt, zweigen wir rund 20km südöstlich der Provinzhauptstadt Santa Marta in eine schlechte Erdstrasse ab und fahren durch den lichten, trockenen Nebelwald bergan. Die letzten 500 Meter waren eine leichte Herausforderung, da die Zugangstrasse sehr ausgewaschen ist und daher eine gute Bodenfreiheit unabdingbar macht. Dann kamen wir in der Finca Carpe Diem (bei Paso del Mango, Minca) an, und durften auf dem vom erstaunten Rezeptionisten zugewiesenen Parkplatz parken. Normalerweise kommen die Gäste per Motorrad-Taxi oder werden im Finca eigenen Geländewagen abgeholt. Car Camping ist nicht mehr erlaubt und so leisteten wir uns zu Ostern ein nettes, freistehendes Doppelzimmer mit luftigem Dach. Die Temperaturen hier im Wald waren etwas angenehmer als an der Küste, aber wir waren dennoch froh, dass wir im Pool abkühlen konnten. Leider waren die vergangenen Monate ungewöhnlich trocken und so sind die natürlichen Felsenpools der umliegenden Bergbäche fast ausgetrocknet.

 

Wir nutzen den Aufenthalt, um uns unweit der Finca eine kleine, lokale Schokoladen Farm anzuschauen und lernen dort viel über die Produktion von Kakao. Grosse blau schimmernde Schmetterlinge und teils wunderschön in blau und orange gefärbte Eidechsen begleiteten uns auf dem Weg dem Flusslauf entlang zur Kakao Farm.

 

Es gibt 5 Sorten Kakaofrüchte und 3 Geschmacksrichtungen (bitter, süss und eine reichhaltige Mischung). Die bittere und süsse Variante sind natürliche Amazonaspflanzen, wobei hauptsächlich die Mischung angebaut wird. Die Früchte sind unterschiedlich gross, aber die Farbe entscheidet über den Reifezustand. Während violette und grüne Früchte unreif sind, sind orange, gelbe und rote Früchte reif. Die meisten Pflanzen auf dieser biologisch geführten Kleinfarm sind 15jährig und die Haupterntezeit ist der Sommer, aber es reifen Früchte das ganze Jahr über am Baum. Von der Blüte zur reifen Frucht dauert es rund 4 Monate, wobei nur aus jeder 10. Blüte eine Frucht wird. An einigen Stämmen konnten wir an den super kleinen Blüten bereits Miniaturfrüchte ausmachen. Es werden hier keine Pestizide verwendet, dies sei aber auch nicht notwendig, da der einzige wirkliche Schädling das Eichhörnchen sei, welches die Früchte gerne aberntet. Die Ameisen knabbern zwar an der Schale herum, was Dellen zur Folge hat, aber die Samen kommen dabei nicht zu Schaden.

 

Die nette Dame, welche uns über die Pflanzungen führte, öffnete mit einer Machete eine der reifen Früchte und gab uns die nun sichtbaren Samen zum Kosten. Die Samen bzw. das die Samen umschliessende Fruchtfleisch kann gegessen werden, schmeckt aber überhaupt nicht nach Kakao, sondern irgendwie nach Lichi und Mango. Leider gibt das spärliche Fruchtfleisch nicht viel her und der Kern der Samen schmeckt bitter und wird in der Regel nicht gegessen. Nichts in diesem Stadium erinnert an Schokolade, dafür braucht es weitere 3 Schritte.  Der erste Schritt von der Ernte zur Schokobohne ist die Fermentierung: in einem Jutesack, geschützt von Sonnenlicht und zusätzlicher Feuchtigkeit fermentiert das Fruchtfleisch im Schatten 3-10 Tage (je nach Witterung und Luftfeuchtigkeit). Jeden Tag muss daran gerochen werden, und wenn es anfängt nach Schokolade und nicht mehr nach vergorenem Wein zu riechen, dann sind die Samen reif für den zweiten Schritt, die Trocknung. Dafür werden die Samen bzw. die zukünftigen Schokoladebohnen auf einer Fläche ausgebreitet, viel Sonne, Hitze aber keine Feuchtigkeit ist notwendig (die Bohnen werden vor dem Regen geschützt). Wiederum braucht der Trocknungsvorgang je nach Wetter 3 - 10 Tage. In der Sonne dunkeln die Bohnen nach und wenn sie dunkel genug sind ist es Zeit für den dritten Schritt, das Rösten. Während 40 - 60 Minuten werden die Schokobohnen über kleiner Flamme geröstet, danach wird das trockene Pigmenthäutchen entfernt (die Bohne wird also geschält) und danach hat man die fertige Kakao Bohne. Diese kann so gegessen (schmeckt aber extrem trocken) oder gepresst werden. Durch die Pressung (in einer Art Mühle) werden die Fruchtöle freigesetzt und es entsteht eine Paste. Diese 100% Paste kann man in der Kosmetik als Schokomaske nutzen oder eben zu Schokolade verarbeiten. Schokolade wird hier traditionell wie folgt hergestellt: 100% Kakaopaste mit etwas Zucker und Zimt vermengen und dann für 24h in Form von kleinen (1EL) flachgedrückten Plätzchen zum Trocknen auslegen. Diese Plätzchen werden dann mit 1 Tasse Milch für 3 Minuten gekocht und mit dem Schwingbesen verrührt. Dies ergibt den klassischen Trinkkakao, oft verdünnt mit Wasser oder einem Schluck kalter Milch. Natürlich kann die Paste auch weiter verfeinert werden, mit Nüssen angereichert und zu einem Block Schokolade verarbeitet werden. Aber das kennen wir in der Schweiz ja nur zu gut.

 

Nach einer Verkostung von heisser Schokolade und frischem Schokoladekuchen machten wir uns wieder auf den Weg zurück zur Finca Carpe Diem, wo wir zu Ostern keinen Osterhasen futterten, dafür aber noch etwas rustikale, lokale Schokolade von der Farm.