Salento, der Kaffee & Wachspalmen

Salento ist ein in den 1860-er Jahren erbautes Schmuckkästchen kolonialer Baukunst und erfreut die Besucher mit seinen attraktiv farbenfrohen Häusern im Paisa Stil. Bemalte Türen und Fensterläden, Balkone aus Holz, Geländer aus Eisen und schattige Innenhöfe mit bunten Blumen. Der Ort ist recht überschaubar und vom Aussichtshügel Alto de la Cruz geniessen wir eine gute Aussicht über den Ort und die Umgebung. Wir haben Jeannine und Adi zu einem späten Mittagessen getroffen, haben die Aussicht gemeinsam bewundert, sind durch die Gassen geschlendert und entdeckten am Ende eine gute Bar, welche nicht nur exzellenten Mojito in allen Variationen macht (daher auch der Name Mojiteria Resto Bar / Calle 4, 5-54) sondern auch einen ausgezeichneten einheimischen Rum ausschenkt, welcher schon internationale Preise gewonnen hat (Parce Rum, "Parce" heisst in Kolumbien "guter Freund"). Wir plaudern, tauschen uns aus und sie erzählen von Ihrer Reise durch Kuba, während im Hintergrund Kubanische Musik läuft. Was für eine Freude die beiden hier zu treffen.

 

Tagsdrauf holen uns die Zwei am Camping ab und gemeinsam folgen wir der unbefestigten Strasse für ungefähr eine Stunde durch schöne Umgebung, vorbei an lila blühenden Bäumen und verschiedenen Café Fincas sowie dem Nebelwaldreservat Kasaguadua. Fast Tür an Tür bieten zwei Kaffeeplantagen Führungen an, die El Ocaso Coffee Farm und die Finca Don Elias. Wir entscheiden uns für die zweite, kleinere Farm mit preiswerterer und persönlicherer Führung. Nebst uns vier aus Winterthur, finden sich auch noch die beiden sympathischen Australier Anne und Bob vom Camping ein und so geniessen wir zu 6st eine interessante, ca. 1h1/2 dauernde Tour mit einem jungen Kolumbianer, der zu unserem Erstaunen ein hervorragendes Englisch spricht. Was uns dabei besonders gefallen hat waren nicht nur die Informationen zur Kaffeeproduktion selbst, sondern die vielen kleinen Hinweise auf die anderen Pflanzen, welche eine Koexistenz mit den Kaffeepflanzen haben. Er führt uns durch die biologisch bewirtschaftete Plantage und lässt uns die reifen roten Kaffeekirschen pflücken. Später lernen wir anhand eben dieser Früchte wie daraus die Kaffeebohne und später der Kaffee wird, welchen wir dann auch verkosten.

 

Beim Anbau von Kaffee finden sich Parallelen zum Wein, Bodenqualität und Klima sind ausschlaggebend. Der Boden muss leicht säurehaltig (vulkanischer Grund ist ideal) und nährstoffreich sein (daher pflanzt man hier zwischen den Kaffeestauden auch Mais, den man später im Jahr zur Düngung unterackert). Das Klima muss ausgeglichen sein und die Pflanze mag keine grossen Temperaturschwankungen von Tag zu Nacht, das ganze Jahr über sollte genügend aber nicht zu viel Niederschlag fallen (Nebel ist gut) und zu viel direkte Sonne verbrennt die Pflanzen. Wie beim Wein ist auch beim Kaffee der richtige Zeitpunkt und die sorgfältige Ernte von Hand ein wichtiger Qualitätsaspekt.

 

Die Kaffeekirschen reifen an bis 3.5 Meter hohen Sträuchern und man erntet sie von Hand, wenn sie rot sind. Die Kaffeepflanze ist ein immergrüner Strauch und auf dieser Farm kultivieren sie 50% kolumbianischen und 50% Arabica Kaffee. Bananenstauden zwischen den Kaffeesträuchern spenden Schatten, damit die Sonne nicht zu intensiv auf die Früchte brennt. Wie bei Weinstöcken werden ab und an neue Pflanzen gesetzt, ältere Pflanzen aber von Zeit zu Zeit kurzgeschnitten, so dass draus wieder neue Schösslinge wachsen können. 3 Jahre brauchen die Setzlinge bis die erste Ernte von den Sträuchern geerntet werden kann und die Sträucher blühen 2x im Jahr, somit ist hier in Kolumbien alle halbe Jahre Erntezeit, wobei nicht alle Früchte gleichzeitig reifen und somit die Lese über mehrere Wochen andauert. Die Blüten sind wirklich schön, allerdings riechen die Blüten der Organgenbäume, welche zwischen den Kaffeestauden wachsen, noch besser. Ausserdem wirken die verschiedenen Pflanzen, welche in Koexistenz mit den Kaffeesträuchern kultiviert werden, gemeinsam gegen Schädlinge. Ohne das Spritzen von giftigen Produkten, können die Kaffeekirschen die so kultiviert werden einzig von einem kleinen Würmchen befallen werden, man sieht dann eine kleine schwarze Einstichstelle. Findet ein Ernteleser so ein befallenes Früchtchen, dann legt er dieses nicht in den Korb sondern steckt es in die Hosentasche und später werden die befallenen Kaffeekirschen verbrannt.

 

Ein Ernteleser sammelt bis zu 15kg Kaffeekirschen am Tag ein. Kaffeekirschen sind Steinfrüchte, bricht man die Kaffeekirschen, dann kommen zwei Bohnen zum Vorschein. Diese dunkelgelben Bohnen schmecken erstaunlich fruchtig und süss, enthalten aber kaum Fruchtfleisch. Eine Bohne wiederum ist umhüllt von einem Pergamenthäutchen, welches der eigentliche Samen ist, welcher zur bekannten Kaffeebohne verarbeitet wird. Um dies zu erreichen wird somit die Kaffeekirsche in einer Presse aufgebrochen, welche die Hülschen von den Bohnen trennt. Dann werden diese Bohnen zum Trocknen in der Sonne ausgelegt. Sind die Bohnen getrocknet, werden diese nochmals über eine Rüttelmaschine geschüttelt, so dass sich die Pergamenthäutchen von den Bohnen lösen. Danach werden diese Bohnen geröstet, manchmal werden die getrockneten Bohnen bereits verkauft, aber hier in den kleinen Fincas werden die Bohnen vor Ort verarbeitet. Die über leichtem Feuer gerösteten Bohnen haben nun die bekannte, dunkle Farbe und schmecken gut, wenn man sie knabbert, man kann sie mit Schokolade überziehen oder eben zu Kaffeepulver mahlen. In Kolumbien wird Kaffee traditionell mit Stofffilter aufgegossen und man trinkt ihn schwarz, manchmal mit Wasser verdünnt und Zucker.

 

Für die Rückfahrt nehmen wir eines der Jeep Willis Taxis, die hier in der Gegend verkehren. Natürlich wird auch hier das Maximum der Kapazität auf die Spitze getrieben, bzw. überschritten. Jeannine und Anne sitzten eingequetscht zwischen anderen Touristen, Markus, Adi und ich stehen mit Bob auf der Stossstange und halten uns am Überrollbügel fest. Jeannine zählt, die beiden Passagiere auf dem Vordersitz neben dem Fahrer eingerechnet, 14 Personen... wenn das die SUVA wüsste. Beim Camping angekommen steigen wir 6 aus bzw. ab und verbringen den Nachmittag im schönen Camping La Serrana. Wir bewirten unsere Gäste aus Winterthur mit Spaghetti und der letzten Flasche Rotwein aus Chile. Leider hat der Wein aus Chile schon etwas unter der unsachgemässen Lagerung gelitten und auch die Spaghettipackung aus Kolumbien ist irgendwie nicht ganz so wie wir uns das gewohnt waren, aber zum Glück schauten unsere Gäste wohlwollend darüber hinweg und wir genossen den sonnigen Nachmittag beim gemeinsamen Austausch über die vergangenen 6 Monate und Reiseerfahrungen im Allgemeinen.

 

Einen Tag später verabreden wir uns früh am Hauptplatz in Salento, dort warten auch wieder die für die Gegend typischen Jeep Willis Taxis. Diesmal ergattern Jeannine und ich vorne in der Fahrerkabine Plätze und unsere Herren sind mal wieder auf die Stossstange verbannt. Die eigentlich als Oldtimer deklarierten Jeeps sind bunt bemalt und fahrtüchtig in Schuss gehalten, die Tachoanzeige jedoch zeigt bei jeder Geschwindigkeit O und auch andere Instrumente oder unnötiges Krimskrams ist offensichtlich entbehrlich. Aber es fährt und nach rund 25 Minuten erreichen wir das berühmte Valle de Cocora. Am Eingang dieses Tales liegt der Weiler Cocora mit mehreren Restaurants, einer Forellenzucht und einer Pferdevermietung beim Parkplatz. Wer nicht zu Fuss die rund 6 stündige (Pausen eingerechnet) Wanderung machen möchte, kann sich auch auf dem Pferderücken die eindrückliche Landschaft anschauen. Der Weg ins immer engere Tal führt erst durch grüne Grassmatten talaufwärts, vorbei an mit Stacheldraht eingezäunten Hängen auf denen Milchkühe, Pferde und Esel weiden. Darüber erheben sich, umwoben von Wolkenschwaden, steile Gipfel, bewachsen mit Nebelwald. Am oberen Rand der Graszone stehen die bis zu 60 Meter hohen Palmas de Cera (Wachspalmen), deren zierliche Krönchen sich vor dem schweren Dunkelgrau der über den Felsgrat quellenden Wolken abzeichnen. Ein wirklich schönes Naturschauspiel. Die Wachspalmen gehören zu den höchsten Palmarten der Welt und sind der Nationalbaum Kolumbiens. Nach einer Weile erreicht man den Saum des Nebelwaldes und quert über sechs teils äusserst wackelige Hängebrücken den sprudelnden Bergbach, entlang dessen sich der Weg weiter bergaufwärts schlängelt. Bromelien, Farne und Flechten sind stetiger Begleiter bis zum Naturreservat Acaime auf 2900MüM. Auf dieser von Indigenen geführten Farm gibt es jede Menge unterschiedlicher Kolibris zu bewundern, zumal sie sich hier an eigens aufgestellten, kleinen Gefässen zur Nahrungsaufnahme einfinden. Man sieht sie auch den Nektar aus den Blüten saugen, mit den Flügeln so schnell schlagend, dass sie in der Luft zu stehen scheinen und dann schwirren sie wieder blitzschnell, fast zu schnell für unsere Augen, ab und ziehen durch die Bäume, während die Sonnenstrahlen das Gefieder der kleinen Vögelchen zum Glänzen bringen.

 

Nach einer kleinen Stärkung mit heisser Schokolade bzw. Zuckerrohrpunsch und Käse (ja der an Feta erinnernde Käse schmeckt wirklich überraschend gut zu den Heissgetränken) machen wir uns auf den Weg zur Farm Montana. Klar, der Name ist Programm und so geht es erst etwas hinunter und dann wieder steil bergan. Doch von der Farm haben wir einen wirklich schönen Blick auf die Umgebung und der Rückweg ins Dorf entlang eines guten Fahrtweges und durch Wachspalmenhaine, welche kaum anderswo in solcher Zahl vorkommen, war wirklich eindrücklich und schön. Auf dem Rückweg beginnt es dann zu regnen und dank der Tatsache, dass wir diesmal alle auf den Rückbänken des Jeep Willis platz gefunden haben, waren wir unter dem Verdeck jedoch gut geschützt. In Salento gab es in einem Restaurant ein frühes Abendessen und wir genossen unsere Trutcha con Patacones (ok, die Patacones schmeckten uns nicht ganz so gut, zu viel Öl in dem der Kochbananenfladen ausgebacken wurde, aber die Sauce dazu war lecker und auch die Forelle war gut zubereitet). Bei einem Glas Wein (nein, den Wein haben die Kolumbianer nicht erfunden, und wenn es ausländischer Wein ist, dann wissen sie den nicht zu lagern und verkaufen ihn teuer) schauten wir auf den Tropenregen, der draussen vor der Veranda auf die Bananenblätter prasselte und stiessen auf gute Weiterreise und unser nächstes Wiedersehen an.

 

Jeannine und Adi reisten weiter und wir genossen ein paar weitere Tage in Salento, bzw. auf dem Camping La Serrana. Wir unterhielten uns viel mit dem jungen kanadischen Surfer Paar Alex und Graig, welches die PanAmerica südwärts bereist und uns gute Tipps zum Aufenthalt in USA und Kanada geben konnten und mit dem pensionierten australischen Paar Anne und Bob, welches wie wir nordwärts unterwegs ist und vermutlich so zur gleichen Zeit in Cartagena verschiffen wird. Wir tranken Kaffee mit den anderen Overlandern und machten gegenseitig "Hausführungen", mussten aber auch ziemlich viel Zeit ins Formulare ausfüllen investieren, unglaublich, was die Amis alles für Formulare brauchen für die Einreise unseres Bobilchens per Schiff. Davon aber ein andermal... und zum Glück hatten wir trotz allem genug Zeit die Ruhe und die friedliche Umgebung des Campings bei Salento zu geniessen. Markus brache eine grosse Ladung Wäsche zum Waschen ins Dorf, fand dort ein gutes Burger Restaurant, genoss ein Bier (diesmal ohne seinen Bierbuddy Adi) und ich schrieb einige E-Mails und las über Nord Kolumbien.

 

In der Nacht gewitterte es gewaltig, vielleicht das heftigste Gewitter das wir überhaupt bisher erlebt hatten. Das Gewitter blieb eine gefühlte Ewigkeit stationär über uns, so dass wir uns ernsthaft fragten, was wohl passieren würde, wenn der Blitz einschlägt, unangenehme Vorstellung, und wir blieben beunruhigt wach. Und dann krachte es und wurde extrem hell. Mir entwich ein Schrei, die Haare stellten sich auf und es hat tatsächlich eingeschlagen, aber zum Glück nur in den Sendemasten unweit des Hostels. Am nächsten Tag gab es dann Probleme mit dem W-Lan Empfang, der Elektrizität und der Wasserversorgung, aber das Wetter war herrlich und wir verlängerten den Aufenthalt nochmals um eine Nacht.