Schachtgräber und mystische Steinfiguren

Im saftig grünen, stark zerklüfteten Hinterland in der Nähe des Dorfes San Andres de Pisimbala befinden sich die bedeutesten archäologischen Fundstätten von Tierradentro, seit 1995 auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes. Als erstes besuchten wir das kleine archäologische und ethnografische Museum gleich beim Parkeingang. Die Dame, die den Eintritt kassierte war zwar nicht sonderlich freundlich, übergab uns aber den Museums Pass mit vielen zusätzlichen Informationen in Spanisch sowie Übersichtskarten mit den im Tal verteilten Ausgrabungsstätten. Der Museumswächter und der Parkwächter beim Eingang waren um Welten freundlicher und erklärten uns nochmals alles ausführlich, redeten über das was und wo und packten sogar ein paar Brocken Englisch aus.

 

Nach der Besichtigung der Museen waren wir mit vielen Informationen versorgt und durften uns etwas sportlich betätigen, es ging nämlich einem befestigten Weg entlang durch schönen Wald bergauf, heiss und recht schwül wie das Wetter war, spürten wir die Höhenmeter umso mehr. Oben erwarteten uns die Wächter, welche die mit Vorhängeschloss gesicherten Holzklappen zu den Gräbern öffneten. Unter weitverstreuten Holzdächern sind die rund 20 bereits ausgegrabenen und zu besichtigenden Totenkammern vor Regen geschützt. Wir durften mit Stirnlampen in die bis 7 Meter tiefen Gräber hinuntersteigen, eine ziemliche Kraxelerei, denn die Stufen sind sehr hoch und der Abstieg eng, eigentliche Steinblöcke und selbstverständlich ohne Geländer, dafür mit einem Schacht in der Mitte. In den stickigen Gruben roch es modrig und mir lief der Schweiss nur so runter ab der hohen Luftfeuchtigkeit, schlimmer als in einem Dampfbad. Unten angelangt eröffnete sich uns ein Blick in die rund 9qm grossen, mit geometrischen Mustern dekorierten, in den leichten Tuffstein der Gegend gehauenen Grabkammern, die Kuppeln gestützt durch mit stilisierten Gesichtern verzierte viereckige Pfeiler. Je nach Grösse der Grabkammer, unterteilen mehrere Stützpfeiler verschiedene Grabnischen. Die Grabkammern waren einst mit Stroh und Holzdächern den indigenen Wohnhäusern nachempfunden und mit Malereien wie in den Zeremonie Häuser (Rot und Schwarz = Leben und Tod) ausgeschmückt, Farbe, welche von Hand und mit Pinsel auf die vorgeweisselten Wände aufgetragen wurde. In einigen der Gräber haben sich diese intensiven Wandgemälde eindrücklich erhalten.

 

Die Gräber wurden ca. 600 bis 900 nach Christus gebaut (sind also jünger als die archäologischen Funde in San Augustin) und werden im Fachjargon "Hîpogeos" genannt. Es handelt sich um Gräber mit senkrechten Zugangsschächten zu waagrechten Grabkammern, welche in Gruppen bzw. auf Friedhöfen auf den umliegenden Hügel, weit oberhalb des Tals errichtet wurden. Die Hipogeos sind zweit-Begräbnisstätten, zuerst wurden die Körper in einfachen Gräbern beerdigt (ca. 4 Meter tief und 2.5 Meter lang, ebenfalls mit senkrechten Zugangsschächten). Als nur noch Knochen übrig waren, wurden diese zerrieben und in Urnen gefüllt. Diese dekorativ verzierten Urnen wurden für die finale Bestattung in Kollektivgräbern, den Hipogeos, zur letzten Ruhe gebetet. Während die erst-Begräbnisstätten in dieser Form in vielen prä-kolumbianischen Kulturen (e.g. in Mexiko, Panama, Ecuador etc.) bekannt sind, sind die Hipogeos einzigartig.  

 

Die Gräber in der Ausgrabungsstätte Segovia fanden wir mit Abstand die beeindrucktesten, obwohl im kleineren Ausgrabungsfeld bei San Andres die Farben noch besser erhalten sind und wir diese beim Besuch am kommenden Tag als Highlight empfanden. Hier kann man auch sehen, wie es aussieht, wenn eines dieser Gräber noch nicht ausgegraben ist, klar erkennbar sind die eingefallenen trichterartigen Einsenkungen in der mit Grass bewachsenen Hügellandschaft. Viele Gräber wurden jedoch schon vor langer Zeit geplündert, was von den Grabbeigaben gerettet werden konnte, wird im Goldmuseum in Bogota (zum Schutze der filigranen Goldschmiedearbeiten nicht vor Ort) ausgestellt. Zudem sind der Wissenschaft viel mehr Gräber zugänglich als den Touristen, dies aber auch, weil die neu entdeckten Gräber nicht der Kontamination mit Atemluft und Licht ausgesetzt werden sollen. Das Gebiet ist weitläufig und man kann gut zwei Halbtageswanderungen von Stätte zu Stätte unternehmen. Viel Wasser mit zu nehmen ist ein Muss, aber wir erfreuten uns auch ab den guten frischen Fruchtsäften, die wir im Hostal Portada genossen, gleich beim Trailhead zu den weiter entfernten Gräbern. Jugos naturales gibt es in allen erdenklichen lokalen Fruchtsorten und "en leche" schmecken diese wie ein Frappé.

 

Übernachtet haben wir etwas ausserhalb des kleinen Dorfes auf dem Parkplatz einer Bungalowanlage, mit Zugang zur Dusche und Toilette im Poolhaus. Camping ist hier als Reisekonzept nicht so bekannt, und wenn dann eher im Zelt im Garten eines Backpacker Hostals. Doch immer mehr Hotels und Hospedajes scheinen zu entdecken, dass sich mit "Car Campers" ebenfalls Geld verdienen lässt, und derzeit zahlt man in der Regel den gleichen Preis wie einer, der mit dem Zelt übernachtet, es sei denn, man würde Strom oder Wasser benötigen. Da es am Abend leicht regnete, kochten wir unsere Spaghetti unter dem Dach des Poolhauses und unterhielten uns dort mit einem Kolumbianer aus Bogota, der im Zelt übernachtete und immer mal wieder in diese Gegend kommt. Er empfahl uns auch unbedingt San Augustin zu besuchen, welches im Gegensatz zu Tierradentro nicht für die Gräber sondern für die Steinfiguren bekannt sei. Die Kultur von San Augustin und Tierradentro haben viele Gemeinsamkeiten, obwohl sich San Augustin am Oberlauf des Rio Magdalena befindet. Während wir den drei beknackten Pferden zuschauten, welche auf der Hotelwiese herumtollten und den Müll aus der Tonne auf dem ganzen Rasen verteilten, holte sich der obligate Camping Hund namens Mini (allerdings war an dem Riesen Beagle Mischling nix mini) seine Streicheleinheiten. Kein Dorf ohne sein eigenes Hundekonzert und Hahngeschrei mitten in der Nacht (diese Gockel scheinen hier einfach nicht zu verstehen, dass sie erst zum Morgengrauen schreien sollen, und keiner um 3 Uhr in der Nacht geweckt werden will). Am nächsten Morgen besuchten wir das Dorf und weitere Stätte im weitläufigen Gebiet, bevor wir uns auf den Weg nach San Augustin machten. Auf dem Weg lassen wir die Informationen über die Gegend und die verschollene Kultur, über welche man heute nicht mehr viel weiss, nochmals Revue passieren.

 

Die Bevölkerung, welche die Gräber erstellt hatte, lebte im 7-9 Jahrhundert in dieser Gegend und betrieb Landwirtschaft, waren aber auch tätig im Bereich Textilarbeit, Bildhauerei und Töpferei. Sie kultivierten Baumwolle, Mais, Kürbis, Bohnen und Kartoffel aber auch Coca und Tabak. Fischfang, Jagt und Salzabbau komplettierte die Ernährung. Wie und warum die Kultur verschwunden ist, ist nicht bekannt, die Statuen und Keramiken, welche sie  hinterlassen haben, zeugen jedoch von grossem Kunstverständnis und tiefer Religiosität und sind Hinweis auf eine hoch entwickelte Kultur, welche Spezialisierung zuliess.  Aus Grabfunden weiss man, dass sie kurzgewachsene, kräftige Menschen mit kurzen Gliedmassen waren, Kopf und Körperschmuck trugen und einfache Kleidung aus Baumwolle.

 

Das magisch-religiöse Universum dieser Kultur war erfüllt mit Wesen mit übernatürlichen Kräften. Echsen und Spinnen sind Symbole der Fruchtbarkeit, Jaguar Symbole der Macht, Schlangen Symbole des Lebens, Eidechsen Symbole der Männlichkeit, Hundertfüssler Symbole der Weiblichkeit und Vögle Symbole der Intelligenz sowie des Himmels. Diese Menschen lebten in Clans, mit Priestern und Clan Chefs, und man vermutet, dass sie Pazifisten waren, denn es gibt keine Hinweise auf Kriegswaffen bei den Grabbeigaben (ganz im Gegensatz zu anderen Völkern in der Umgebung).

 

Der Weg nach Garzon zieht sich, ist aber gut befahrbar und führt durch teils entlegene Dörfer des Mittelgebirge. Tierradentro bedeutet Bergland und dies widerspiegelt sich in den bis 4000 Meter hohen Hügelketten mit fruchtbaren Böden und reinem Wasser, welches seit über 3000 Jahren besiedelt ist. Die heutigen Indigenen sind den Traditionen noch immer stark verhaftet, Textilarbeit ist hauptsächlich Frauenarbeit, doch Männer stellen Strohhüte, Capes, Netzte und Hängematten her. Jeder Mann macht ausserdem den eigenen und den Hut seiner Frau selbst. Werkzeuge und Kochutensilien werden zugleich von beiden Geschlechtern hergestellt. Auf dem Weg fahren wir durch ein Dorf wo wir eine traditionelle Musiktruppe sehen und hören, die Männer spielen Instrumente, die Frauen singen. Wir fahren auf einer engen Erdstrasse, blicken in tiefe Schluchten, bewundern rote Vögel mit schwarzen Flügeln, Pferde und Rinder mit Schlappohren. Die Menschen schauen kritisch, Touristen sind hier wohl selten und vielleicht erinnern sie Gringos in Geländeautos an Drogenhändler, was für eine andere Erklärung kann es geben, dass sie mein Lächeln und unser freundliches Grüssen nicht erwidern? Bald aber sehen wir wieder bunte Lastwagen und wir erreichen Garzon und die Teerstrasse. Irgendwie sind wir erleichtert, denn viele Landstriche ausserhalb der Hauptverkehrsstrassen sind noch immer nicht vollständig unter staatlicher Kontrolle und seit die FARC die Friedensverträge unterzeichnet hat, ist ein Macht Vakuum entstanden, welches sich nun durch verschiedene, sich langsam organisierende Splittergruppen verschiedener Ideologien füllt. Trotz allem, die Landschaft ist schön und abwechslungsreich, edle Callas wie Unkraut am Strassenrand und blühender Primärwald. Alles auffallend sauber, Truthähne und Hühner kreuzen den Weg und Zikaden lärmen in den Bäumen, manchmal leise wie eine elektrische Zahnbürste, manchmal laut wie ein Wald voller Motorsägen.

 

Dann ein Landschaftswechsel, wir sind im breiten Tal des Oberlaufes des Rio Magdalena, es ist trockener und heisser. Ein anderer Menschenschlag, zwar schauen sie weniger skeptisch, aber noch immer nicht wirklich freundlich. Dafür scheinen sie sich sehr für ihre Autos zu interessieren, wie schon in Ecuador beobachtet, kann man auch hier viel Bling-Bling fürs Auto kaufen, bunte Fussteppiche, edle und manchmal mit merkwürdigen Stacheln versehene Felgen sowie verschiedene Lichter, damit man sicher auffällt, ein einfaches Bremslicht wäre ja auch langweilig. Leider fällt uns hier aber auch ab und an ein wenig Müll am Strassenrand auf, wenig, aber dennoch, gibt es einen Zusammenhang zwischen Hitze und Müll? Ob man allerdings die Bewohner dafür verantwortlich machen kann? Wir beobachten, wie auf dieser stark befahrenen Strasse immer wieder irgendwas aus vorbeifahrenden Autos geworfen wird... Wir fragen uns allerdings auch, ob ein gewisser Zusammenhang zwischen Hitze und Hirn besteht, je heisser, umso weniger Gehirn? Jedenfalls glauben wir einen gewissen Einfluss auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer ableiten zu können, hier fahren alle einfach grad wie es ihnen so passt und nicht eben vorsichtig oder rücksichtsvoll.

 

Wir kommen in San Augustin an, welches auf angenehmen 1700müm liegt und suchen eine Unterkunft. Nach zwei Anläufen (eine der Herbergen, die auch Stellplätze anbietet, ist wegen Renovation geschlossen, eine andere war ausgebucht) werden wir an einen Nachbarn verwiesen, der seit neustem auch auf Camping macht. Er kam direkt auf uns zu, sehr freundlich, stellte sich als einfachen Campesino vor, der auf seinem Land gerne Gäste empfange und zeigte uns alles. Irgendwas kam mir an ihm etwas komisch vor, war er alkoholisiert oder schwul oder beides? Er überwarf sich fast vor Freundlichkeit und Dienstbarkeit, stellte uns gleich seinem Vater vor, einem netten älteren Herrn, und bot uns die Nacht zum ortsüblichen Tarif. Er zeigte uns das neu errichtete Gästezimmer mit 4 Betten und privatem Badezimmer und liess uns Bobilchen vor der überdachen Terrasse parken. So konnten wir das Badezimmer nutzen sowie die Terrasse mit Stühlen und einem Tisch. Kurz nachdem wir uns eingerichtet hatten, kam er mit zwei Tassen Kaffee und zeigte uns voller Stolz seinen Flachbildschirm, den er im Gästezimmer, welches er auszumieten gedenkt, angebracht hatte. Wir sollen doch bitte einen Youtube Film anschauen über die tollen Ausgrabungsstätten, welche wir am nächsten Tag zu besuchen gedenken. Was für ein Aufwand er um uns zwei machte. Waren wir seine ersten Gäste? Auf alle Fälle haben wir im IOverlander einen positiven Eintrag gemacht, was ihn ungemein freute, und schliesslich verbrachten wir hier eine angenehme und ruhige Nacht, auch wenn ich den Moment etwas komisch fand, als der Gastgeber nur mit Handtuch bekleidet aus der Aussendusche kam, sich vor Markus aufstellte und erklärte, dass er nun ins Dorf fahren würde und uns gerne etwas mitbringen würde, wenn wir was bräuchten.

 

Als eine der ersten Besucher waren wir am nächsten Tag beim Eingang des archäologischen Park San Augustin. Die Region San Augustin und Isnos ist seit 1995 UNESCO Weltkulturerbe und eine der bedeutendsten und zugleich geheimnisvollsten archäologischen Fundstätten des Kontinents. An fruchtbaren, sich über mehrere Klimazonen erstreckenden Hängen leuchtend grüner Hügel des Oberlaufes des Rio Magdalena bestand in vorkolumbianischer Zeit eine indigene Zivilisation, die mindestens 300, teils riesige aus Tuffstein und Basalt gehauene Statuen sowie Grabanlagen und Erdwälle schuf. Die heutige indigene Bevölkerung baut, oft auf fast vertikal ausgerichteten Feldern, die wie Flickenteppiche ganze Hügel überziehen, Kochbananen, Mais, Yuca und Zuckerrohr an und aus den Bergbächen fangen sie Speisefische, wissen aber nichts mehr über das Volk welches ehemals hier lebte und Keramiken, Holzsakophage und Urnen für rituelle Bestattungen herstellten, die Bewässerungsanlagen und den Terrassenfeldbau begründeten sowie Verbindungswege zwischen den verschiedenen Siedlungen errichtete.

 

In der frischen Morgenluft war es angenehm durch die grünen Hügel und Bambuswälder von Mesita zu Mesita zu gehen. Wir waren fast alleine auf dem schmalen, gepflasterten Fussweg unterwegs, welcher durch dichten Sekundärwald zu den Mesitas führte, welche parkähnlich in Waldlichtungen angelegt sind. Ein paar Stunden später war es wieder unerträglich feuchtwarm, aber die 4 1/2 Stunden die wir hier verbracht haben gehören wohl zu den Höhepunkten unseres Kolumbienbesuches. Mesitas werden hier die Grabhügelansammlungen genannt. Grosse Grabhügel und Rampen, steinerne Sarkophage, welche teilweise wie Krokodile gestaltet sind, feine Goldschmiedearbeiten, wenige cm grosse aber auch mächtige bis sieben Meter hohe, anthropomorphe und zoomorphe Statuen, meist mit überdimensionierten, furchteinflössendem Antlitz sind zu bewundern. Die teilweise bemalten Statuen hatten unterschiedliche Funktionen, einige waren mit im Grab beerdigt worden, einige als Wächter der Gräber aufgestellt und wieder andere als Stützsäulen genutzt. Die menschlichen und tierischen Figuren aus Stein, oft die natürliche Form des Steinblockes nutzend, sind jede für sich einzigartig. Obwohl symbolisch oft ähnlich, ist die extreme Vielfalt der Gesichter, Hände, Augen, Münder, Kleider, Positionen, Hairstyles und Gesten sowie Gegenstände die gehalten werden, überraschend und faszinierend. Vieles kann und wird in die Figuren interpretiert, aber belegt ist nichts. Am besten hat uns die Figur "der Vogel" gefallen, eine dreidimensionale Statue einer Eule welche eine Schlange im Schnabel und in den Krallen hält, Symbolik für Weisheit und Leben?

 

San Augustin ist die wichtigste Kulturstätte im Gebiet des Alto Magdalena, aber es handelt sich nicht nur um Grabstätten, sondern auch um Wohnorte einer spezialisierten Kultur, welche hier zwischen 1100 vor und 1500 nach Christus existiert hat. Die Gegend ist seit rund 6000 Jahren besiedelt, doch die Kultur entstand erst rund 1000 vor Christus, hatte ihre Hochblüte zwischen 100 und 900 nach Christus (in dieser Zeit wurden die grossen Gräber und Statuen erbaut) und verschwand irgendwann zwischen 900 und 1500 nach Christus. Die Figuren, die die Grabdeckel und Sarkophage schmücken, aber auch die zoomorphen Wächterfiguren geben Hinweise auf den regen Austausch der Kultur mit den Völkern im Amazonas Tiefland. Neusten Erkenntnissen zu Folge haben die Menschen hier vor rund 2000 Jahren um die Gräberfelder herum auch gelebt, somit waren die Gebiete des täglichen Lebens nicht von dessen der Begräbnisstätten getrennt. Tägliches Leben und Begräbnisstätte, Tod und Leben, hier in einem Zustand stetiger Interaktion. Man hat im Gebiet der Mesitas mittlerweile 75 Wohnhäuser um die Begräbnisstätten herum ausgemacht und es wird davon ausgegangen, dass hochrangige Familien in unmittelbarer Nähe zu den grosszügig ausgestatteten Begräbnisstätten lebten. Als Grabbeigaben hat man allerlei verschiedene Sachen gefunden, von Musikinstrumenten bis zu persönlichem Schmuck. Obwohl hier Goldornamente nicht so gebräuchlich waren wie in anderen Kulturen, wurde hier extrem pures Gold in sehr glatte Objekte gehämmert, teilweise mit Relief und tierischen Motiven versehen. In den grossen Grabanlagen wurden die wichtigsten Personen begraben (es gab auch kleine, einfache Gräber), dann Grabbeigaben gemacht, anschliessend ein Sarkophag aus Stein mit verziertem Deckel darübergelegt und hernach mit Erde zugeschüttet, so dass bis 4 Meter hohe Hügel entstanden, mit horizontalen Zugängen, welche von Wächterstatuen bewacht wurden. In den Holzhäusern neben den Gräbern lebten mehrere Familien zusammen. In einem dieser Häuser (welche der dritten Phase zugeordnet wird) fand man einfache Gräber und geht davon aus, dass dies mit der hohen Bevölkerungsdichte in dieser letzten Phase einhergeht. Grosse Gräber und Statuen wurden in dieser Phase nicht mehr errichtet. Warum dieser soziale Wandel stattfand weiss man nicht, es kann aber sein, dass zugewanderte Völker einen Einfluss hatten, leider ist nichts über diese mysteriöse Kultur überliefert.

 

Nebst den Mesitas ist auch eine Brunnenanlage namens Fuente de Lavapatas zu sehen, leider schon recht verwittert und daher lassen sich die Wasserwege in Form von Schlangen und Brunnen mit stilistischen Gesichtern (welche in eine Felsplatte gehauen sind, über die Wasser des nahegelegenen Baches fliesst) nur mit viel Fantasie erkennen. Von der höchsten Erhebung (Alto de Lavaplatos) hat man einen schönen Blick über die grüne, hügelige Landschaft mit Palmen und tropischen Pflanzen. Der Besuch des Museums gab (teilweise auch in Englisch) über die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse der San Augustin Kultur Auskunft und der Spaziergang durch den Skulpturenpark, eine Sammlung von früher gefundenen und willkürlich zusammengestellten Figuren, waren ebenfalls interessant. Die ersten Funde wurden schon vor über 100 Jahren gemacht und damals war die Archäologie eher noch Grab Raub für international renommierte Museen, als Wissenschaft. Viele der Statuen sind weltweit in unterschiedlichen Museen zu besichtigen, einige weitere hier im Skulpturenpark. Im gesamten Gebiet könnte man mehrere Tage verbringen, viele der Fundstätten sind jedoch nur in mehrstündigen Reitausflügen zu erreichen.

 

Wir haben auch die Fundstätte von San José de Isnos besucht (im Eintrittspreis San Augustin enthalten), rund 24km von San Augustin entfernt. Diese Fundstätte bietet nur 2 grasbewachsene Mesitas, welche verbunden durch einen künstlichen Wall, einen nach Südosten geöffneten Halbmond bilden. Diese Stätte mag zwar kleiner sein, ist aber nicht weniger beeindruckend als San Augustin, im Gegenteil, uns haben die hier gezeigten, von Steinplatten gesäumten und überdachten Grabhügel noch besser gefallen, noch detaillierter und raffinierter die Bildhauerkunst, noch besser erhalten (teilweise sogar mit Farbresten) die Skulpturen.

 

Am Ende des Tages genossen wir an einem kleinen Stand eines Farmers die Erzeugnisse seines Familienbetriebes. Wir probierten den wild gewachsenen Wein, den er mit Honig und Gewürzen anreichert und kauften Honigwaben, tropfend von leckerem Honig seiner Bienen. Das beste aber war der Jugo de Cana, frisch gepresster Zuckerrohrsaft mit Limette. Super lecker und ein toller Abschluss eines kulturellen Höhepunkts unserer Reise.