Eine Wüste die keine ist

Die Fahrt nach Norden unterteilen wir in mehrere Etappen, wir wollen uns mit Jeannine und Adi, unseren Freunden aus Winterthur, in Salento treffen. Beide sind ebenfalls auf Weltreise, oder wie sie es nennen, Weltferien. Ein gutes Motto und wer mag, kann lesen was die zwei so unternehmen, gestartet haben sie in Kuba und sind nun in Kolumbien unterwegs: Blog. Wir fahren von San Augustin Richtung Desierto de la Tatacoa und übernachten in Altamira in einem einfachen Hotel entlang der Hauptachse der R45. Eine sehr freundliche Dame bot uns ein sauberes Zimmer für weniger als 9 CHF pro Nacht, inklusive privatem Bad, Wifi und TV. Bobilchen steht auf dem Parkplatz neben dem Haus und das Tor wird über Nacht geschlossen. Ich unterhalte mich länger mit der Dame, deren Tochter nach dem Studium gerne bei Beiersdorf anfangen würde. Am nächsten Morgen macht sie uns noch zwei Tassen Kaffee, welche Markus ins Zimmer bringt, in dem wir uns bereits Cornflakes mit Früchten zum Frühstück gemacht haben. Die Gastfreundschaft in diesem Land scheint eine grosse Tradition zu haben, Personen welche wir in Restaurants treffen oder in kleinen Pensionen sind freundlich und es ist angenehm sich mit ihnen zu unterhalten. Ausserdem sind wir positiv erstaunt über die preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Land und das gute aber ebenfalls preiswerte Essen, welches wir zur Mittagszeit in den einfachen Restaurants geniessen können. Das Land gefällt uns, aber mit dem Auto unterwegs zu sein ist nicht so eine grosse Freude, die Autofahrer scheinen sich an keine Regeln zu halten, aber gerne zu Hupen. Gegrüsst wird nicht, gelächelt auch nicht, zumindest nicht, wenn man per Auto unterwegs ist. Das kommt mir irgendwie komisch vor, ich gebe zu, unangenehm. Dafür sind wir inzwischen Fans von Militär und Polizei entlang der Strasse geworden, zumindest was die Freundlichkeit und das Grüssen angeht. Anfänglich erschreckten wir uns noch, als wir sie in Grenznähe aus ihren Sandsackwällen hervorspringen sahen, aber mittlerweile haben wir begriffen, dass sie einem in der Regel nur freundlich grüssen, ein Lächeln immer entgegnen und uns mit Daumen hoch quasi salutieren, als Gruss zurück machen wir ebenfalls Daumen hoch. Einmal wollte dann aber doch ein Militär, dass wir anhalten. Erst fragte er nach unseren Papieren und während wir danach kramten, wollte er einen Blick ins Innere von Bobilchen werfen. Also stieg ich aus und öffnete die Hecktüre zu "unserem Zuhause" (wie ich immer betone). Ich zeigte ihm wo wir das Wasser haben, das wir kochen können im Bobilchen, auch Schlafen könnten und dass wir im Schrank unsere Kleider haben. Er guckte interessiert und liess ein paar lobende Worte hören, eine weitere oder genauere Kontrolle wollte er nicht durchführen, vergass auch, dass er die Papiere noch nicht gesehen hatte und wünschte uns von Herzen alles Gute und sichere Weiterfahrt. So eine Kontrolle lässt man gerne über sich ergehen.

 

Die Fahrt Richtung Neiva ist nichts besonderes, auch wenn wir hier einen deutlichen Landschaftswechsel miterleben dürfen und geniessen, dass teilweise alte Alleen entlang der Strasse herrlichen Schatten spenden. Es ist warm und feucht, die Jungs und Männer (egal ob mit oder ohne Bierbauch) schieben gerne das T-Shirt bis unter die Achseln, warum sie das Shirt nicht ausziehen ist mir nicht klar. Traditionell sind die Herren in Gummistiefeln unterwegs und tragen auf der Seite meist eine Machete. Es gibt hier auffallend viele Mopets und kleine Motorräder, oft sind die Leute zu viert auf dem Motorrad unterwegs, ganze Familien aber natürlich so gut wie nie mit Helm. Papa fährt, auf dem Tank sitzt das ältere Kind und hinten stillt Mama das Baby. Teilweise kriminell fahrlässige Bilder, wir sahen schon wie sich fast eine Babydecke in den Speichen des Motorrades verwickelte. Man sieht aber auch schöne Bilder, wo die jungen Mädchen herausgeputzt mit Ballerina bzw. Highheels hinter ihren Freunden im Damensattel sitzen, die schönen Röcke im Wind wehend.

 

Wir fahren durch Neiva und dann auf die Avenida 7 welche irgendwo hinter der auslaufenden Stadtgrenze von Teer auf Sandpiste mit Teerresten wechselt und zur 45A nach Villavieja wird. Nun sind wir auf der Ostseite des mittlerweile breiten Magdalena River, auf der Westseite verläuft die Hauptstrasse 45. Villavieja ist ein stilles Savannenstädchen am Rande der Galeriewälder des Magdalena Ufers. Wegen der zunehmenden Dürre und daraus resultierender Schwierigkeit Landwirtschaft zu betreiben, verlassen grosse Teile der Bevölkerung den Landstrich auf der Suche nach neuen Perspektiven. Das Dorf wirkt staubig und bis auf die lärmende Musik in der lokalen Dorfbeiz mit Billardtischen ruhig. Villavieja ist aber auch Tor zur Tatacoa Wüste. Tatacoa bedeutet Klapperschlange und so bezeichneten die ehemals indigene Bevölkerung die 330km2 grosse Trockensavanne nördlich von Neiva. Wie wir jedoch feststellen mussten, ist es wirklich eher eine Savanne und keine Wüste im eigentlichen Sinne, es gibt jedoch Abschnitte aus grau, rot und ocker gefärbten, wellenartig eingekerbtem Land mit kleinen Canyons. Erosion hat auch hier viele fossile Funde hervorgebracht. Die enge Strasse mit vielen Schlaglöchern, oder eher Schlaglöcher mit Strassenabschnitten, führt zur 2011 errichteten Sternwarte hoch, angeblich ein Platz der Ruhe, doch hier treffen wir zum ersten Mal auf Massentourismus, bzw. Massen von Touristen, welche in klimatisierten Bussen über die schlechte Strasse geschüttelt und dann in die Hitze entlassen werden, wo sie schnell ein paar Fotos machen, bevor sie wiederum in den Bus klettern. Es gibt einige Wanderwege und wir machen einen kleinen Spaziergang auf welchem wir grössere kerzenhalterartige Kakteen, aber auch kleine runde Melonenkakteen bewundern, deren knallrote, schotenartige Früchte angeblich essbar sind.

 

In der Nähe des Observatoriums soll es möglich sein, im Zelt oder in Hängematten zu übernachten und dabei den Sternenhimmel in der Ruhe der Nacht zu beobachten. Markus freute sich schon auf ein paar Sternenfotos, doch die Realität sieht anders aus. Ein Zeltlager nach dem anderen, man könnte meinen, ein Openair. Viele Hostals, allerdings mehr Holzverschläge als sonst was, bieten das Campieren an, einige davon scheinen auch Zelte auszumieten, und aus den grossen Musikboxen der Strohhüttenbars plärrt laute Musik. Kein Ort nach unserem Geschmack und so lassen wir das Partyvolk hinter uns und fahren nach dem Kehrplatz der Busse weiter entlang einer holprigen Strasse, eine gewisse Bodenfreiheit ist unabdingbar, aber 4x4 braucht es nicht. So holpern wir Richtung Valle de las Constelaciones, wo wir einen abgeschiedenen Campingplatz finden, offensichtlich ein Ort wo viele mit Motorrad und Zelt hinfahren. Erstaunt schauten wir einer Familie zu, die offensichtlich den Nachmittag am Pool verbracht hatten und nun die beiden noch nicht 10-jährigen Kinder in Motocross Outfits steckten und anschliessend zwei Mini-Bikes aus dem modernen Pick-up holten. Und los fuhren die zwei, wie die Grossen, und die restliche Familie im Pick-up hinterher. Offensichtlich scheint hier die Wüste eher ein grosser Vergnügungspark zu sein, als ein Ort der Ruhe. In der überdachten Bar wurde Musik gespielt, aber immerhin in angemessener Lautstärke, die sanitären Anlagen waren wirklich basic, umso glücklicher waren wir über den Pool. Da die Wüste ja keine war und es dementsprechend nicht heiss und trocken, sondern feuchtheiss war, genossen wir die Abkühlung umso mehr. Im Pool, mitten in der Wüste, ein kühles Bier in der Hand, genossen wir den Sonnenuntergang mit Blick über die grosse Fläche der weissgrauen Staubdünen mit minimalem Bewuchs.

 

Am späteren Abend hat es angefangen zu Regnen, ein Gewitter und es goss wie aus Kübel (notabene sind wir noch immer in der Wüste). Markus konnte es nicht verkneifen mich Regenmacherin zu nennen, schliesslich ist es nicht die erste Wüste, in der es nach meiner Ankunft zu regnen begann. Naja, am Morgen war der Boden wieder einigermassen trocken, aber natürlich noch feuchter die Luft und eine Abkühlung, wie man das aus einer Wüste in der Nacht kennt, gab es auch nicht. Wir fuhren in die gleiche Richtung wie die kleinen Motocross Fahrer tags davor und fanden eine schöne 4x4 Piste vor, einfach zu befahren, aber wegen des Regens mit einigen Furten und sandigen Stellen, bei welchen wir sicherheitshalber den 4x4 zuschalteten. Bald erreichten wir wieder das grüne Flussufer des Rio Magdalena, welchem wir noch für eine ganze Weile durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet hindurch folgten. Bei Golondrinas führt eine Brücke über den Fluss und kurz nach Pueblo Nuevo führt die Strasse zurück zur befestigten R45 nach Ibagué. Die Strasse war gut zu befahren und wir kamen schneller voran als gedacht, allerdings tauchten hier auch vermehrt Mautstellen auf, und Maut in Kolumbien ist nicht eben preiswert. Auffällig ist auch, dass viele Strassenarbeiter mit Gesichtsmasken arbeiten, erst dachte ich wegen des Staubes und der Abgase, aber später fanden wir heraus, dass auch andere Leute, welche viel draussen arbeiten, trotz der Hitze lange Hosen und Hemden, teilweise Handschuhe, eine Gesichtsmaske und dunkle Sonnenbrillen tragen. Dies alles, so erklärte man uns, um sich vor Sonnenbrand und Hautkrebs zu schützen. In Ibagué gab es für Markus ein halbes Grillhähnchen, für mich Fisch, dazu Reis, Yams, Kochbanane und eine Suppe. Einfaches Strassenrestaurant, aber erneut gutes, preiswertes Essen. Der einzige Nachteil, wenn wir ein spätes Mittagessen einnehmen, haben wir abends kaum mehr Hunger und kochen tun wir auch kaum mehr, ausser heisses Wasser für den Frühstückskaffee. So werden unsere Gasreserven ja nie leer bis wir in Cartagena sind, und wir denken kaum, dass wir die Campinggasdosen verschiffen dürfen.

 

Die Weiterfahrt von Ibagué nach Armenia wird spektakulärer als gedacht. Wir queren eine hohe Bergkette, kommen von der Hitze in die Kälte und zurück in ein gemässigtes, aber viel grüneres und feuchteres Gebiet als das Tiefland in der Nähe des Rio Magdalena. Die Strasse windet sich der Bergflanke entlang hoch, an sich gut ausgebaut, wird derzeit jedoch an einer neuen Streckenlegung mit vielen Brücken und Tunneln gearbeitet, was angesichts des Verkehrs, der sich hier durchzwängt durchaus Sinn macht. Wir sind mittlerweile auf der Hauptverbindungsachse Bogota - Cali und spüren den zusätzlichen Verkehr. Nicht nur sind hier wirklich viele moderne Auto unterwegs, sondern auch viele Lastwagen, Busse, Motorräder, Maultierkarren etc. Die Strasse ist eine klassische Bergstrasse, welche schöne Blicke auf die eingeschnittenen engen, grün bewachsenen Täler freigibt. Es wäre eine schöne Strasse, wenn es denn auch mal eine Ausfahrt oder einen Aussichtspunkt hätte, doch die touristische Infrastruktur steckt noch in den Kinderschuhen. Anhalten ist undenkbar und die Aussicht zu geniessen gelingt auch nur bedingt, denn man muss sich extrem auf den Verkehr konzentrieren. Erneut fällt uns auf, dass hier die Leute ohne Rücksicht und Verstand volles Risiko fahren. Wir sehen auf der Strecke mindestens 4 schwere Autounfälle und ein Motorradunfall. Die Polizei bzw. der Rettungsdienst ist schon vor Ort und es ist kein schöner Anblick. Man muss auf der gesamten Strecke damit rechnen, dass hinter jeder Kurve ein Auto auf der eigenen Fahrbahn entgegen kommt. Es scheint als würde nur uns der Anblick der Unfälle zum Denken anregen, die anderen Verkehrsteilnehmer überholen ohne Verstand in den unübersichtlichsten Kurven ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was sie hinter der Kurve erwartet. Wir fahren meist hinter den langsamen, schwarz rauchenden Lastwagen her, nutzen diese sozusagen als Sicherheitspuffer. Unser Sicherheitsabstand zu den Lastwagen wird aber regelmässig von anderen Autos, die sich in die kaum eine Autolänge grosse Lücke drängen, aufgefüllt. Markus schlägt sich geduldig und souverän, aber es macht beiden keinen Spass, Sarkasmus schleicht sich ein und auch unsere Bemerkungen zu einer Siedlung, bei welcher die Häuser bedrohlich nahe über dem abbröckelnden Abhang hängen, enden in den Worten "ohne Verstand, sinn- und zwecklos, aber vermutlich interessiert dies auch hier keinen, bis es zu spät ist".

 

Von der Umfahrungstrasse um Armenia bis nach Salento, einem kleinen 5000-Seelen Kolonialdorf auf 1900MüM ist es nicht mehr weit. Wir fahren durch das Dorf hindurch und etwas den Hang hinauf bis zum La Serrana Hostel. Was uns dort erwartet, ist wohl die beste Campingoption in ganz Kolumbien. Wir werden gleich bei Ankunft von ein paar anderen Overlandern aufs herzlichste empfangen und fühlen uns sofort wohl. Das Hostal liegt zu Fuss ungefähr 20 Minuten ausserhalb von Salento, in einer wunderschönen Umgebung mit tropischen Pflanzen und grünen, von Nebelwald überzogenen, sanften Hügeln. Wir stehen auf einer eigens für Overlander angelegten, ebenen Wiesenfläche, dahinter der zum Hostal gehörende Zeltplatz und alle haben wir eine super schöne Aussicht. Es ist ruhig und friedlich. Ein neuer Sanitärblock (fantastisch sauber, wie in einem Hotel) steht den Zelt- und Car Campern zur Verfügung, zum kochen kann man, sofern man will, die Küche des Hostel benützen, W-Lan Empfang gibt es ebenfalls im Hostal und die Camper, welche Extender haben, können das Signal sogar auf dem Stellplatz empfangen. Und das allerbeste: am Morgen gibt es Frühstück für alle, es sind keine grossen Portionen, aber auf welchem Camping bekommt man schon ein geschmackvolles und im Preis inbegriffenes Frühstück serviert? Ein wirkliches Glamping Erlebnis. Wir ziehen die Markiese aus, stellen die Stühle auf und blicken die die schöne Landschaft. Hier bleiben wir definitiv einige Tage.