Der Süden ist voller Geheimnisse

Wie eng die Region Südwest Kolumbien, bzw. das Departement Narino mit Ecuador verbunden ist, merkt man nicht nur daran, dass die indigene Bevölkerung auf den Märkten in beiden Ländern regen Handel treiben, ähnliche Kleidung tragen und Kunsthandwerk herstellen, sondern auch in der Küche. Die Spezialität in dieser Region ist Cuy Asado, also gegrilltes Meerschweinchen, welches mit Mote (aufgeweichter und gekochter Mais) oder Ilapingachos (Kartoffel Omelet) serviert wird. Das Meerschweinchen probieren wir diesmal nicht (hat uns schon vor 15 Jahren nicht geschmeckt, wenig am Knochen und sehr salziges Fleisch), dafür Yaguarlocro (eine Suppe mit Kartoffel, Bananenchips und Avocado). Diese Speisen sind auch in der Andenregion Ecuadors typisch.

 

Wir besuchen unweit von Ipiales den Wahlfahrtsort Santuario de Las Lajas. Gemäss der Überlieferung soll hier 1754 einem indigenen, taubstummen Mädchen die Jungfrau Maria erschienen sein und sie deutete auf die Erscheinung und sagte "La mestiza me llama." Dies waren ihre ersten Worte und nach dieser Begegnung konnte das Mädchen hören und sprechen. Am Ort dieser Begegnung wurde 1803 die erste Kapelle gebaut, dann zwischen 1916 und 1949 die heutige, welche in neugotischem Stil errichtet wurde. Direkt aus der Flanke des beinahe vertikalen Felsens, auf dem sich die Jungfrau Maria gezeigt haben soll, schiebt sich die Basilika seitlich über den engen Canyon hinaus, gestützt auf Pfeiler einer Steinbrücke die in 45 Metern Höhe den rauschenden Fluss überquert. Jedes Jahr im September pilgern Scharen von Menschen aus ganz Kolumbien und Ecuador hierher um der Mestiza zu huldigen. Wir finden die Schlucht, die Kirche und den Wallfahrtsort in angenehmer Ruhe vor, ein paar Verkäufer haben die Souvenirstände geöffnet, aber es scheint keiner mit einem Ansturm zu rechnen und wir können in Ruhe und unbehelligt von irgend welchen Verkäufern den Ort erkunden. Der schöne Kopfsteinpflaster Weg führt vom Dorf hinunter zur Kirche, immer wieder mit Ausblicken auf die Schlucht und unzählige Votivtafeln am Berghang, Danksagungen, welche von den bereits vollbrachten Wundern berichten. Irgendwie berührend. Die Kirche selbst wirkt vor allem durch die spezielle, die Schlucht überspannende Lage. Überraschend jedoch ist für uns die Krypta, bzw. Kapelle unter dem Kirchenschiff: gross, hell und sehr modern, da durch wechselnde Beleuchtung die Wände immer wieder in unterschiedliche Farbstimmungen gehüllt werden und so die gesamte Kapelle im Minutentakt eine neue Wirkung erzielt.

 

Auf dem Weg nach Pasto, bekannt für seinen Karneval, kommen wir am Restaurante Los Guaduales (in Pedregal) vorbei und werden positiv überrascht. Nicht nur ist das einfache Restaurant sauber, es bietet auch ein reichhaltiges (Vorspeise, Hauptgang und ein Getränk) und gutes Mittagessen zu einem prima Preis (4 CHF pro Person). Wenn das so weiter geht, können wir in Kolumbien unser Budget nicht nur problemlos einhalten, sondern sogar gut unterschreiten. Die Menschen sind freundlich und die Landschaft grün und sauber. Parallelen zu Ecuador sind klar sichtbar.

 

Wir nächtigen an der Laguna de la Cocha, auf dem Parkplatz eines im alpenländisch anmutenden Chalet Hotels. Es ist kühl im Hotel, der einzige Ort mit etwas Wärme ist das Cheminée, doch das Feuer brennt kaum und so verziehen wir uns nach einem Glas kolumbianischem Rum in unser kuschliges Bobilchen. Am nächsten Morgen erkunden wir die Uferpromenade, auf 2780müm. Es ist kühl aber die Sonnenstrahlen wärmen angenehm, man blickt über den See und kann angesichts der friedlichen Stimmung kaum glauben, das noch heute am schwer zugänglichen, südlichen Ende des 75 Meter tiefen, glasklaren Sees tatsächlich noch Guerilla Gruppen aktiv sind. Die Häuser der Ansiedlung El Puerto sind alle aus Holz gebaut, mit Schweizer Balkonen, Blumengirlanden und Kaminen. Leider finde ich nirgends eine Erklärung warum diese Häuser alle so gebaut wurden, und nach Schweizer Auswanderern sehen die Bewohner auch nicht aus.

 

Pasto ist Ausgangspunkt für die Fahrt zur Laguna de la Cocha und den Andenabstieg ins Departamento Putumayo (Richtung Amazonas) sowie ins Departamento Cauca (Richtung Norden). Es wird empfohlen, in Narino nur tagsüber zu fahren und auf der PanAm zu bleiben. Die flachen Küstengebiete, welche zum Pazifik hinuntergehen, sind sehr regenreich und weitgehend bedeckt mit Küstendschungeln. Die dünn besiedelten, nahezu infrastrukturlosen Pazifikregionen gelten als unsicher und Tummelplatz der Narcos, hypermodern ausgestatteter und hervorragend organisierter Drogenproduzenten und Händler. Hier werden angeblich bis zu 50 Tonnen Kokain pro Jahr hergestellt und (teils mit U-Booten) verschifft. Zu einem erheblichen Teil durch Antipersonenminen kontaminiert, ist das Gebiet gegenwärtig unter dem Einfluss der Guerilleros und Paramilitärs aufgeteilt, welche die Kokalabors oft für private Auftraggeber überwachen und beschützen. Trotz der im Zuge des Plan Colombia erfolgenden Flugzeugaktionen, bei denen viele Anbauflächen bereits durch hoch giftiges Glyphosat zerstört wurden, finden sich nach wie vor auf Zehntausenden Hektar gerodeten Dschungellandes Kokaanbau: Neue immune Arten widerstehen den Herbizid Attacken. Die Besprühungsaktionen wurden angeblich oft von US Unternehmen (private militärische Dienstleister) durchgeführt und stehen damit im Zeichen eines in Kolumbien generell zunehmenden "Outsourcings" im militärischen Bereich, der sich dadurch teilweise staatlicher Kontrolle und Verantwortung zu entziehen vermag.

 

In der dichter besiedelten Andenregion wird Landwirtschaft betrieben, man durchquert schöne Täler, geniesst Blicke in tiefe Schluchten (Canon del Rio Guaitara) und sieht spezielle Pflanzen (z.B. Frailejones). Leider scheint der touristische Nutzen von Aussichtsplattformen oder auch nur der Möglichkeiten neben der Strasse anhalten zu können, sich noch nicht herumgesprochen zu haben und so geniessen wir das Panorama einfach beim Hindurchfahren. Dann führt die Strasse hinunter und es wird schwülheiss, es heisst Pullover ausziehen und bald klebt das T-Shirt am Körper. Das Departamento Cauca umfasst eine kontrastreiche Landschaft, gehört aber auch kulturell zu den vielseitigsten Regionen Kolumbiens. Während im Cauca Tal Mestizen und Weisse Rinder züchten und Gemüse anbauen und mit Popayan eine Perle kolonialer Baukunst geschaffen haben, bevölkern vor allem Nachfahren ehemaliger afrikanischer Sklaven das dünn besiedelte Flachland am Stillen Ozean. Die Guambianos und Nasa, zwei der grössten indigenen Völker in Kolumbien, leben dagegen noch nach uralten Stammesgesetzen in Dorfgemeinschaften im Osten des Deparmamento, an den Hängen der Zentralkordillere. Im geheimnisvollen Tierradentro, einer zum UNESCO Kulturerbe der Menschheit gehörenden archäologischen Region, befinden sich faszinierende, einzigartig verzierte Schachtgräber aus vorspanischer Zeit.

 

Wir fahren im Spätnachmittagsverkehr nach Popayan hinein, kein schönes Erlebnis. Die Autofahrer sind wiederum rücksichtsloser als in Ecuador und die unglaubliche Zahl von Motorrädern, welche keinem Strassengesetz folgen, machen die Sache auch nicht leichter. Ich bin froh, das Markus fährt und noch glücklicher, als wir endlich im Zentrum einen geeigneten (Durchfahrtshöhe) sicheren Parkplatz für Bobilchen finden. Im Gürtel um die auf 1700müm liegenden Stadt mit rund 300^000 Einwohnern ist es laut und chaotisch, doch im Stadtkern erstrahlt ein koloniales Kleinod und so entschliessen wir uns, hier für ein paar Tage zu verweilen. Wir finden ein nettes und zahlbares Hotel (Popayan Inn / weniger als 30CHF pro Nacht und Zimmer inklusive gutem Frühstück) und erkunden die Altstadt zu Fuss. Popayan gilt nebst Cartagena und Mompos als wohl beeindruckteste Kolonialstadt Kolumbiens. Die wegen ihrer streng konstruierten, zweigeschossigen, meist schneeweiss getünchten Fassaden auch "Ciudad blanca" genannt, liegt am Fusse des Westhanges der Zentralkordilliere innerhalb eines Ringes aus noch nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle befindlichen Gebietes. Wie man uns jedoch im Touristenbüro versichert, sind die Strassen nach Tierradentro tagsüber sicher und die Präsenz von Militär und Polizei ist nicht zu übersehen.

 

Trotz der angenehmen Höhenlage, ist es tagsüber in der Stadt heiss und irgendwie schwül, vielleicht aber müssen wir uns auch erst wieder an das wärmere Wetter gewöhnen. Im Historischen Zentrum der Stadt liegt der Parque Caldes und die Südwestflanke des von hohen Palmen bestandenen Platzes nimmt die imposante schneeweisse Kathedrale ein. Uns gefallen die schönen Häuser und Balkone, aber auch die vielen Kirchen und berühmten Kopfsteinpflasterbrücken von Popayan. In engen Halbbögen überspannen diese den Fluss, und führen aus der Altstadt hinaus. Im Stadtzentrum beeindrucken auch einige Paläste mit prächtigen Innenhöfen, welche teilweise kostenlos besichtigt werden können.

 

Auf dem Weg nach Tierradentro fahren wir durch saftig grünes, stark zerklüftetes Land. Hohe Berge mit nebelverhangenen Spitzen. Rote Vögel mit schwarzen Flügeln, Papageien und andere Vögel kreuzen den Weg. Wir durchqueren ein Tal mit Frailejones und dann führt die Strasse wieder hoch. Die Strasse wird derzeit ausgebaut und ist daher manchmal extrem schlecht und manchmal super gut zu befahren. In Inza machen wir Rast und beobachten vom Balkon eines kleinen Kaffees (Tierra Aroma) wie die Leute am Hauptplatz von einem in den anderen bunten Bus (hier Chivas genannt) umsteigen. Diese bunt bemalten und meist ohne Türen ausgestatteten Busse bzw. alten Lastwagen sind wirklich schön anzuschauen und kommen hier in der Region öfter vor. Wie bequem es ist darin zu reisen, weiss ich jedoch nicht so genau. Wir reisen in unserem Bobilchen weiter und erreichen eine halbe Stunde später den Eingang zum Archäologischen Park Tierradentro. Der Besuch der schön bemalten Schachtgräber war äusserst beeindruckend - im Detail berichten wir im nächsten Blog.