Tamarugal, ein Baum trotzt der Salzwüste

Wir fahren von der Hochebene der Atacma Wüste wieder hinunter zur Küste, bzw. nicht ganz, denn die PanAm verläuft auf rund 1000m Höhe mitten durch eine ewig lange und trostlose Wüste. In Quillagua, einer kleinen Oasenstadt irgendwo im nirgendwo treffen wir auf die Provinzgrenze, welche hier einen speziellen Status hat, denn nördlich davon ist Freihandelszone und daher bedarf es eines Stempels auf unserem temporären Importpapier für Bobilchen. Ansonsten aber keine weiteren Kontrollen, und nach diesem Stempel hat irgendwie später auch nie jemand gefragt, daher hätten wir wohl doch auch über die Bergstrasse und den bolivianische/chilenischen Grenzort Ollagüe fahren können. Andererseits hätten wir dann aber auch zwei Sehenswürdigkeiten der Region verpasst: den Tamarugal und die Geoglyphen.

 

Wenn man es weiss, dann folgt kurz nach Quillagua die Salar de Llamara (unscheinbar und bräunlich) welche ebenfalls zum Nationalpark Pampa del Tamarugal gehört - und an deren nördlichem Ende, kurz bevor die Strasse nach Tamentica rechts abzweigt ein Hinweisschild, aber so klein und unauffällig, dass wir es verpasst haben. Dieser Abzweiger führt auf die Salar und dort zu einem grossen Salzauge, mit weissem Rand und tiefklarem Wasser, um welches herum ein Besuchersteg führt. Tja, wenn man es denn weiss, ansonsten kann man davon ein Filmchen (LINK) mit Drohne aufgenommen, im Besucherzentrum rund 2.5 Stunden weiter nördlich bewundern. Auf der Strecke haben wir auch die ersten Geoglyphen gesehen. Diese ersten Figuren waren aber nicht derart überwältigend, und wir fragten uns ernsthaft, ob sich da jemand einen Jux mit den Touristen erlaubt, denn wer sagt denn nicht, dass jemand erst kürzlich ein wenig kreativ war, ganz abgesehen davon sind auf dem gegenüberliegenden Hügelzug Reifenspuren zu sehen, welche ebenfalls geometrische Muster bilden und wohl von einem Wochenendausflug eines Offroadbegeisterten erzählen.

 

Geoglyphen sind eine Art Konzept-Kunst. Einige dieser Kunstwerke sind schon vor Jahrhunderten entstanden, zwischen 1000 und 1400 wurden die meisten der grossformatigen Erdbilder geschaffen, ohne dass man heute genau weiss, von wem und warum. Es bestehen nur Theorien darüber, dass die nomadischen Völker in diesen Gegenden mit diesen riesigen, von weit her sichtbaren Bildern eine Art Wegweiser durch die Wüste geschaffen haben, entlang von Handelsrouten, Oasen und Wasservorräten. Es könnte aber auch einen mythisch-religiösen Hintergrund haben, nur welchen weiss man so genau nicht und daher dürfen auch die berühmtberüchtigten Theorien über ausserirdischen Einfluss nicht fehlen. Es wurden drei verschiedene Techniken angewandt: Die Mosaiktechnik (man legt im hellen Wüstensand dunkle Lavasteinchen zu flächigen Mustern aus), die Abschabung (das Ergebnis sind helle Figuren auf dunklem Hintergrund, die dunkle oxidierte obere Schicht des Wüstenbodens wurde abgeschabt, so dass das hellere Gestein darunter zum Vorschein kam), und die dritte ist eine Mischung aus den beiden Techniken. Im Bereich des Cerro Pintado, welcher zum Naturschutzgebiet Tamarugal gehört, kann man vor allem die Abschabungstechnik, aber auch Mischformen bewundern. Die meisten Geoglyphen finden sich an den Osthängen der Küsten Kordilleren und man findet sie über eine Strecke von rund 700km im Norden Chiles und Süden von Peru. Die bekanntesten sind die Nazca Linien in Peru, welche sich jedoch weitgehendst nur aus der Luft bewundern lassen, im Gegensatz zu den Geoglyphen in Chile, welche gut vom Boden her sichtbar sind. Es gibt drei Motivgruppen: geometrische Figuren, Tierdarstellungen und menschenähnliche Figuren. Wir hatten das Glück die eindrücklichen Erdbilder am Cerro Pintados zu bewundern, obwohl der Zugang am Montag geschlossen ist, aber als wir dort eben wieder umdrehen wollten, kam eine Armada von Cars daher, welche Kreuzfahrttouristen transportierte. Und der Wärter, der eben diesem Schwall von Touristen das Tor öffnete, erkannte uns (er war auch der Wärter am Abend im Camp des Tamarugal Nationalparks) und liess uns mit reinschlüpfen, nicht ohne uns natürlich die obligatorischen Tickets auszustellen.

 

Windhosen und Luftspieglungen dominieren die Landschaft. Kaum zu glauben, aber in der Wüste des Nordens wächst etwas: der Tamarugo Baum trotzt der Trockenheit und dem versalzenen Boden. Bis der Salpeterboom begann und man für den Aufbau der Orte und der Industrieanlagen den Tamarugo Baum grossflächig abholzte, waren weite Teile der Wüste mit lichten Wäldern bewachsen (100'000ha). Das Holz ist herausragend in Stärke, Farbe und Langlebigkeit. Die sehr tief reichenden Wurzeln des Baumes können das Grundwasser aus 5 bis 12 Meter Tiefe ziehen. Der Baum besitzt kleine harte Blätter, welche wie auch die Fruchtschoten als Viehfutter genutzt werden. Im Schutzgebiet werden nun eben diese Bäume wieder aufgeforstet (inzwischen wieder bei 10'000ha). Rund 20km südlich von Pozo Almonte, einem kleinen aber durchwegs ansprechenden Dörfchens, liegt das Conaf Informationszentrum und ein kleiner, mit Liebe gestalteter Campingplatz, auf welchem wir die einzigen Gäste waren. Die Sonne ging langsam zwischen den Bäumen unter und beleuchtete diese sanft.

 

Der Tamarugo Baum ist eine endemischen Art, welche sein Lebenselixier aus dem oberflächennahen Grundwasser zieht und nur hier wächst. Regen fällt hier nie, es ist eine der trockensten Gegenden der Welt. Der Tamarugo wächst nur hier auf einer Höhe zwischen 950 und 1150 MüM. Die Ebene oder Senke in welchem der Tamarugo wächst, liegt zwischen der Küsten-Kordillere, an dessen Westhang die nicht unattraktive Küstenstadt  Iquique direkt am Meer liegt, dann folgt eben diese Senke (Pampa del Tamarugal genannt), danach von West nach Ost, kommt die Pre-Kordillere, an deren Westhang die Regenfälle versickern und sich oberflächennahe im Bereich der Salzseen der Senke wieder sammeln. Hinter der Pre-Kordillere folgen dann die Anden und ihre Vulkane, bzw. ebenfalls eine trockene Hochebene wie die Atacama. Dort kommt ebenfalls eine Baumarten vor, die Weisse Algarrobo (Foto/verwandt mit dem Tamarugo aber nicht endemisch), welcher hier zusammen mit dem Tamarugo als lichter Wald wächst. Entgegen dem Algarrobo (bis 15 Meter hoch) ist der Tamarugo wie man ihn derzeit antrifft, eher von gedrungener Statur und breitet sich eher in der Breite als in der Höhe aus, kann aber ebenfalls bis 20 Meter hochwerden und einen Stamm von 1.5 Meter Durchmesser haben. Beide Bäume sind immergrün und blühen saisonal mit schönen gelben Blüten und bohnenartigen Fruchtständen.

 

Seit über 8000 Jahren und bis zur Besiedlung der Spanier bot dieser Baum / Wald den nomadisierenden Völkern Ressourcen auf deren Reisen, Verpflegung und Wasser. Der Tamarugo bietet ein ganz eigenes Ökosystem in einer der trockensten Gegenden der Welt. Die Blüten, welche in manchen Jahren zweimal spriessen bieten Bienen und anderen Insekten Nahrung, es lebt das Yaca del Norte, eines von 4 Beutelmäusen in Chile, in dessen Schutze, und jede Menge weiterer Vögel, Reptilien und Säugetiere, so auch der Fuchs, welcher sich hier nebst von Kleinsäugern auch von dem Fruchtstand des Tamarugo ernährt.

 

Ein weiteres Gewächs der Salzwüste ist das Salzgrass, welches auf Salz/Erdkustehügeln wächst und Heimat einer endemischen, maulwurfartigen Maus namens Tuco Tuco ist. Hoch interessant das alles, und die nette Parkwächterin liess uns nicht nur ewig Zeit im Infozentrum und erklärte alles, sondern zeigte auch Filme und gab uns fein säuberlich in einem Umschlag jede Menge Material mit. Wirklich wieder eine Parkwächterin der Conaf wie sie im Buche steht, super synaptisch. Wer mehr Infos über dieses relativ neue Schutzgebiet möchte, besucht deren SEITE (Film ist sehenswert und hat englischen Untertitel).