Roadtrip durch Peru

Grenzübergang von Chile nach Peru, der verworrenste Prozess bisher, aber am Ende dann doch nur ca. 90 Minuten, bis wir den ganzen Papierkram erledigt haben. Erst einmal parkt man und sucht sich einen Taxifahrer, bei welchem man ein A5 Formular mit 4 Durchschlägen kaufen kann, welches "particular / empresa de transportes" heisst. Warum einem die Zollbehörde dieses Papier nicht geben kann, sondern einem dafür zu einem Taxifahrer schickt, ist zwar keinem klar, aber so ist das nun mal. Nur gut spreche ich wenigstens ausreichend Spanisch um diese Information zu verstehen. Dann füllt man dieses Formular aus, als wenn der Besitzer des ausländischen Fahrzeuges ein regionaler Taxifahrer und die Beifahrer die Fahrgäste wären. Anschliessend spaziert man damit zur Chilenischen Immigration, erhält den Ausreisestempel im Pass und ebenfalls einen Stempel auf diese Formulare. Bei der Immigration Peru erhält man dann den Einreisstempel und ebenfalls Stempel auf dem Formular. Dann spaziert man zu einem kleinen Aussenhäuschen und gibt die temporären Einfuhrpapiere des Autos für Chile ab, und erhält noch ein paar mehr Stempel auf dem Formular. Danach geht es zum Zollamt Peru welches die neuen temporären Einfuhrpapiere für das Auto ausstellt. Dann steht die Gepäckskontrolle an. Da wir unsere Sachen ja nicht in Taschen oder Koffern sondern im Bobilchen hatten, mussten wir den Grenzlern erst mal klarmachen, dass wir in einem Wohnmobil unterwegs seien, und somit nicht damit durch die X-Ray Kontrolle fahren können. Dafür durften wir dann mit unserem "Casa Rolante" zu einem weiteren Auto Checkpoint, wo ein Herr ins Bobilchen einstieg und sich alles zeigen liess, unsere Äpfel konfiszierte und nach weiteren Früchten suchte. Danach gab es wiederum Stempel auf dem Formular, bzw. er reisst auch ein Blättchen für sich ab. Ein paar hundert Meter später kommt man zum letzten Check-Point, wo man die verbleibenden Kopien abgeben muss (nur eine kann man behalten, wozu war uns schleierhaft, denn danach hat keiner mehr danach gefragt). Dann ist man an sich schon in Peru, doch muss gleich an der Grenze noch die SOAT, also die Autoversicherung lösen. Das war einfach und unkompliziert und wenige Minuten später winkte uns die Polizeikontrolle, welche überprüft, dass man die SOAT auch gelöst hat, ins Land hinein. Zu unserem Erstaunen stellten wir kurz danach fest, dass wir nicht Zeit am Zoll verloren hatten, sondern dazugewonnen. Denn auf der Peruanischen Seite ist es 2 Stunden früher. Somit sind wir zeitlich früher nach Peru eingereist, als in Chile ausgereist und unserer erster Tag in Chile hat 26 Stunden.

 

Die Fahrt nach Tacna geht durch staubige Landschaften und vorbei an ärmlichsten Ziegel und Strohmattenbehausungen. Aber keiner ist zu sehen. Tacna, eine staubige Zweckstadt, liegt bald hinter uns und die erste Nachgrenzkontrolle vor uns. Die Papiere werden überprüft und wir werden nach dem Tagesziel gefragt, danach durchgewunken. Es geht durch staubige Sand-/ Kieslandschaft auf rund 650MüM hoch und manchmal erfreut sich das Auge an einem grünen Flecklein Land am Talboden, beim Hindurchfahren kann man einfache Bepflanzungen und Pisco Anbau sehen. Mal sieht man jemanden zu Fuss, mal auf einem Mopet mit Anhänger, ansonsten wirkt alles ausgestorben. Strassenbaustellen und weitere Polizeikontrollen sonst nix, und wir fahren weiter auf 1300MüM hoch und wieder runter, immer der PanAm entlang. Berge und Hügel wirken wie die Hügel in einem Sandhaufen durch den man mit einem Matchbox Auto fährt, monoton und trostlos, dann ein Tal mit Reisbepflanzungen und noch mehr Monotonität. Es ist heiss und wir machen  A-Z Spiele und wechseln uns beim Fahren ab. Langsam kommen ärmliche Behausungen und Verkaufsstände entlang der Strasse in Sicht, Feldarbeiter, Kühe und Tuck-Tucks / Töffli Ritschkas). Ein krasser Gegensatz zu Chile. Wir erreichen die Ortschaft Camara am Meer und werden durch die freundliche Bedienung an einer total modernen Tankstelle überrascht. Die Tankwartin trug einen schönen Verlobungsring und sprach einwandfreies Englisch - ein Zeichen der Wirtschaft in Peru? Gute Ausbildung und danach kein Job? Oder hat sie zusammen mit ihrem zukünftigen Ehemann hier ein Unternehmen gegründet? Auf alle Fälle schenkt sie uns gratis Flaschenwasser und wünscht gute Weiterreise. Wir quatieren uns ein in einem Touristenhotel, welches neu und sauber wirkt, dennoch aber auch steril und kalt, ein Ambiente wie ein Metzgergeschäft mit Plättchen an der Wand. Zumindest bekommt Bobilchen ein sicheres Dach über dem Kopf, es passt knapp in die Tiefgarage, und wir ein sauberes Bett für die Nacht. In der Stadt gehen wir Essen und stellen fest, dass die Preise gegenüber Chile wirklich niedriger sind. Der peruanische Tischwein ist zwar trinkbar, aber definitiv nur den billigen Preis wert, den wir zahlen. Draussen vor dem Restaurant Fenster wusselt das Leben, Menschen, Tuck-Tucks und Autos quälen sich durch die engen Gassen und die Damen haben sich mit Make-up und Ausgehkleider (Shorts und Trägertops) in Schale geworfen, tragen hohe Plateausolen und sehen trotzdem nicht wie Models aus, denn allesamt sind recht gutgenährt, was durch die knappe Bekleidung nicht eben vorteilhaft zur Schau gestellt wird. Auch hier trägt man die Mobiltelefone aufreizend für jeden Langfinger Typen in der Gesässtasche und wackelt damit. Einzig die Politessen sehen aus, ähnlich wie schon in Chile beobachtet, als wenn sie als Einstiegsexamen für die Polizeischule erst einmal einen Schönheitswettbewerb gewinnen müssten.

 

Wir fahren aus Camera heraus, entlang eines fruchtbaren Deltas am Meer und kaufen an einem Stand Wassermelone. Dann steigt die Strasse wieder an und es beginnen die Sanddünen. Die Küste bleibt in Sicht, wirkt jedoch nebelig und grau, sogar das Meer wirkt mehr grau als blau. Die langen Sandstrände sehen wenig einladend aus und dann wird die Küste felsig und die grossen Brandungswellen klatschen an den nackten Fels. Die PanAm schlängelt sich kurvenreich der Küste entlang, kreuzt mal ein Flusstal und führt dann auf der anderen Seite wieder den steilen Fels hinauf. Auf den Strassen sieht man einige neuere Autos, überladene Busse und viele Lastwagen, aber auch ältere Modelle, die man schon als Oldtimer Lastwagen bezeichnen könnte und schön anzusehen sind. In Siedlungsnähe finden sich Tuck-Tucks, Motorräder und wirkliche Rostlauben mit Motor. Es fährt was fährt und die Qualität der Strasse scheint nicht schlecht. Auch die Ausblicke aufs Meer wären eigentlich ganz nett, wirken aber dennoch trostlos und monoton. Auch der Abfall entlang der Strasse bzw. die unfertigen und wenn überhaupt nur auf einer Seite bemalten Häusern mit ihren Rohbau Armierungseisen oben raus, ändern an diesem deprimierenden Eindruck wenig. Auffallend oft sieht man Rotkopf Geier, aber kaum Möwen oder andere Küstenvögel. Nichts scheint hier zu wachsen, Sandhügel und Sandsteinberge entlang der Steilküste. Teilweise stinkt es undefinierbar. Unten im Meer sieht man einige Fischkutter in einer kleinen Bucht und eine Fischfabrik, weitere 50km weiter nördlich dann einige Kakteen und verdorrte Sträucher. Hier finden sich zumindest auch ein paar Kormorane, die sturzflugartig ins Meer eintauchen und Beute machen. In einer durch Untiefen und Felsen von der Brandung etwas geschützten Bucht, beobachten wir zwei Männer in Neoprenanzügen, wie sie Algen einsammeln, weiter oben dann ein Auto , dessen Kofferraum vor Algen überquillt... wird auch riechen in diesem Auto.

 

Stunden später fahren wir durch Nazca, noch ist alles wo es 2004 auch war, der Flugplatz, von welchem ich zusammen mit Annä-Käthi den Flug über die mystischen Linien unternommen habe, und die nicht schöner gewordenen Gebäude des kleinen Wüsten Städtchens. Es scheint als wenn sich nichts verbessert hätte, im Gegenteil, mehr Wildwuchs bei den Häusern, dreckiger und abgenutzter als ich es in Erinnerung hatte. Auch der Aussichtsturm, für welcher nun ein saftiges Besuchergeld erhoben wird, steht noch an der PanAm. Die Sicht auf die Linien ist sicher nicht besser geworden, dafür der Turm schiefer. Die Gegend zwischen Nazca und  Ica ist belebter und begrünter, es wachsen verschiedene Früchte und es scheint genügend Wasser für die Bewässerung der Felder zur Verfügung zu stehen. Ica ist eine Grossstadt, sogar mit modernem (total überteuerten) Supermarkt, ansonsten aber mit dem üblichen Stadtchaos. Unverputzte Häuser deren Dachterrassen eigentlich die nächste, nie gebaute Etage sind, Armierungseisenromantik und Dreck. Strohmatten überall gegen den Wind und Staub, wenn überhaupt schiefe Vorhänge und lieblos behandelte, vertrocknete Pflanzen vor der Haustüre. Es scheint als wenn sich hier niemand ein schönes Zuhause machen möchte, obwohl einige zumindest wie Sisifus persönlich den Vorplatz fegen, nur um zuzusehen, wie der Wind gleich wieder Dreck und Müll heranweht. Kaputte Plastikstühle und schmutzige, zerfledderte Plastiktischtücher laden nicht eben in die zahlreichen Verpflegungsstände am Strassenrand ein, Taxis und Tuck-Tuck quetschen sich durch den Abendverkehr und überall liegt Plastik und Müll, als gäbe es weder Sammelstelle noch Müllabfuhr.

 

Wir biegen nach Paracas ab und suchen dort nach einem auf IOverlander empfohlenen Mini-Camp mit sicheren Mauern und einem Standplätzchen für die Nacht. Nach mehrmaligem Klopfen und Hupen wird das grosse Metalltor geöffnet und wir werden von der Mutter des Inhabers hereingelassen. Sie verpflegt uns mit Wasser und frischen Mangos, eine Wohltat, denn wir sind echt geschafft von der langen, anstrengenden Fahrt. Sie erklärt, wir könnten schon mal parken, ihr Sohn käme dann später und erkläre alles. Es gab eine kleine Bar, vier Cabanas ein Kinderplantschbecken sowie Toiletten. Es dunkelte ein und just nachdem wir das Dach vom Bobilchen hochgeklappt hatten, kam der Sohnemann und stellte sich vor. Gleichzeitig jedoch erklärte er uns, dass wir nicht bleiben könnten, denn alle Cabnnas seinen besetzt und somit könne er uns weder Dusche anbieten noch hätte das Camp genügend Wasser für mehr Gäste. Etwas belämmert und hilflos schaute ich ihn an und fragt, wo wir denn  nun hinsollen, es sei ja schon Nacht und wir würden auch nicht viel Wasser brauchen... Er blieb bei seinem Nein, doch seine Mutter fand, er könne uns doch nun nicht in die unsichere Nacht hinausschicken. Sie bat uns um einen kurzen Augenblick, und kam kurz darauf mit der Köchin/Putzfrau zurück. Dieser teilte sie gleichzeitig mit uns mit, dass sie vertrauenswürdig sei, in der Nähe wohne und einen Garten hätte, wo wir für die Nacht stehen könnten. Die gute Frau sah etwa gleichermassen verständnislos aus der Wäsche wie wir, traute aber als Angestellte nichts zu sagen und so kam sie unverhofft zu Gästen und wir zu einem sehr eigenwilligen Plätzchen für die Nacht. Sie stieg ins Bobilchen ein, fuhr 5 Minuten mit uns durchs Dorf, bat uns kurz im Auto zu warten, damit sie ihrer Familie die Nachricht überbringen konnte, dass nun fremde Gäste im Garten übernachten werden und öffnete danach eine Strohmatte im Strohmattenzaun. Kurz die Wäscheleine umhängen und wir durften hineinfahren. Sie zeigte uns dann den Hintereingang, das private Badezimmer und ihr bescheidenes Heim, stellte uns ihrem Sohn und Tochter vor, und sprach uns die Gastfreundschaft aus. Wir nehmen an, ihr war das Ganze so unangenehm wie uns, doch wir waren froh um die Gelegenheit, durften sogar kurz Duschen und Zähneputzen und sie hielt die Hintertür die ganze Nacht offen, so dass wir Zugang zur Toilette hatten. Wir schliefen bald erschöpft im Bobilchen ein, hörten die nahe Strasse mit den Lastwagen kaum noch, sondern erst wieder die Hunde und Hühner kurz vor Sonnenaufgang. Wie am Vorabend vereinbart, fuhren wir die nette Gastgeberin am nächsten Morgen wieder zurück zur Arbeit und bedankten uns mit einer Tafel Schokolade und einem grosszügigen Batzen Geld. Zum Abschied lächelte sie und winkte uns zu, nicht sicher ob aus Freude über den guten Ausgang dieses ungewöhnlichen Besuches oder aus Erleichterung, dass dieser so schnell wieder aus dem Garten verschwunden war.

 

Die PanAm führte uns auf dem Weg nach Lima durch weitere hässliche Städtchen, wo es schon kurz vor 8 Uhr an einem Sonntagmorgen wusselte. Der übliche Strassenanblick, Müllberge um die Stadt, Müllhügel entlang der Strasse und daraus heraus Schilder auf denen steht "verschmutze nicht die Umwelt" oder "werfe keinen Abfall in die Natur". Schilder so sinnlos wie die Werbebilder von glücklichen Mittelstandsfamilien beim BBQ auf einer grünen Wiese an einem idyllischen blauen See. Sinnlos, weil die Botschaft der Werbung der jeweiligen Versicherung oder Immobilienagentur nichts mit der umliegenden Realität zu tun hat. Etwas weiter nördlich beginnt die PanAm eine Autobahn zu werden, 4-spurig und mit Mautstelle. Plötzlich fällt der Blick auf ein aufgeräumt wirkendes Landwirtschaftsgebiet, grün und mit Mangobäumen, Bananensträuchern und anderen Pflanzungen, die Abwesenheit von Müll ist schon fast irritierend auffällig. Dann folgt Santa Cruz de Asia eine Retortensiedlung mit modernster Tankstelle (mit gutem aber überteuertem Kaffee) sowie Aussicht auf einem Luxusvillen Hügel, moderne Behausungen, mit Sicherheitszugang, Blumenrabatten, und allem Pipapo. In diesem Land prellen die Gegensätze aufeinander... Vom nahen Meer hingegen sieht man nicht viel, der Nebel auf der westlichen Seite der PanAm ist dicht und auf der östlichen Seite erstrecken sich teilweise Felder bis zur ersten, kargen Hügelkette auf die die Sonne brennt. Je näher wir Lima kommen, umso mehr exklusive Wohnanlagen und moderne Häuser sehen wir, exklusive Blockwohnungen und Ferienvillen. Dann ein Strand mit Liegestühlen, Sonnenschirmen (die aus dem Nebel hervorschauen), Kioske und Beachzelten. Chilca, der nächste Ort ist wieder ärmlich und staubtrocken. Werbung für Autowäsche wird in diesem Land fast notorisch mit Damen in Bikinis und in anzüglichen Posen gemacht, vor den Verpflegungsständen entlang der Strasse wedeln dann normal angezogene Damen mit Federbommeln und wollen den Kunden so wohl anzeigen, dass es da was zu Essen gibt. Die grossen Werbeschilder nehmen zu und ich betrachte eine Werbung der Ziegelsteine Firma "Lark - wir bauen ein sicheres Land". Sie werben mit einer knapp bekleideten Blondine die an ein Hootersgirl erinnert und lasziv ein Massband hält. Der Zusammenhang bleibt mir rätselhaft, schockierender aber fand ich die Fernsehwerbung am ersten Abend im Hotelzimmer: da werben die tatsächlich für schusssichere Schulranzen. Ich fühle mich hier nicht wohl. Ein Land so reich an Kulturschätzen, aber leider erinnert mich bei der Durchfahrt vieles an die Bilder, die uns aus dem Irak erreichen.

 

Die Durchfahrt durch Lima ist nervenaufreibend, chaotisch und unübersichtlich, doch Markus schlägt sich souverän. Ich halte mich nur an der Armlehne fest und hoffe, dass wir heil durch das Durcheinander kommen. Wir folgen konsequent der PanAm, die die Stadt durchquert, doch die Peruaner schaffen es aus zwei, fünf Spuren zu machen, durch welche sich rücksichtslos alles drängt und schupst was Füsse oder Räder hat. Tuck-Tucks, Lastwagen, Busse, Taxi, Privatautos, Eisverkäufer mit Bauchladen oder Schubkarren und so weiter. Speziell die Busse halten, lassen aussteigen und quetschen sich dann rücksichtslos nach dem Motto der Stärkere gewinnt, wieder ins Fahrbahnenchaos zurück. Autos vor uns halten abrupt, weil der Familienpapa noch Eis für die Kinder kaufen will, während dem Zahlungsprozess fällt das Eis zu Boden, das Auto beginnt wieder anzufahren, der Verkaufer rennt daneben her und reicht das Eis durch die kaputte Seitenscheibe, die Kinder drücken die Nase an die Plastikfolie, die die Rückscheibe sein soll und auf der anderen Seite baumelt der Überrest eines Rückspiegels. Derweil drängt sich ein Lastwagenfahrer quer durch und wechselt von der 5. in die 1. Spur und ein Auto überholt grad alles und jeden auf der Fussgängerdreckstrasse entlang der Essensstände, ohne Rücksicht oder Skrupel und es scheint das normalste der Welt. Die Leute reagieren noch nicht mal darauf. Am Strassenrand kann man auch gleich wieder neue Seitenspiegel kaufen, und je nördlicher wir kommen umso zahlreicher werden die Verkaufsstände für Badeenten und Schwimmringe, die nördlichen Strände können nicht mehr weit sein. Wir öffnen ein Inka Cola, welches wie aufgelöster Lolipop schmeckt und beginnen durchzuatmen. Wir erreichen den Armengürtel Limas, es folgt wieder eine Mautstelle und das Chaos nimmt ab. Bald haben wir wieder Blick auf die Nebel umwogende Küste und Müllberge ausserhalb Limas. Wir sind froh, als wir am frühen Nachmittag im Hostal Sunset oberhalb des Ortsstrandes von Chancay einchecken, ein kleines, billiges aber sauberes Zimmer bekommen und Bobilchen einen sicheren Parkplatz innerhalb der hohen Mauern des Hostals, welches wohl bei einheimischen Familien beliebt ist, da sich gleich unterhalb ein für peruanische Verhältnisse schöner Strand befindet. Uns erinnert der Strand jedoch eher an die schlimmsten Zeiten Riminis und als der Nebel wieder aufzieht, verziehen sich auch die letzten Badegäste. Wir genehmigen uns noch ein Abendessen in einem kleinen Restaurant nebenan und gehen früh zu Bett.

 

Am kommenden Morgen fahren wir zeitig los und der Nebel ist wieder dicht und hüllt die Küste ein. Dieser Nebel ist für viele Pflanzen die einzige Feuchtigkeit, es ist karg und wo der Nebel aufreisst drückend heiss. Ich klebe im Autositz, wir fahren durch weitere ewig gleich trist wirkende Siedlungen und Städte, es wird gehupt statt geblinkt, und wenn der Blinker im Eimer ist, dann kann man ja auch mit den Armen fuchteln. Und das in einem Land in dem ausländische Fahrzeuge ohne Taglicht angeblich saftig gebüsst werden. Die Müllmenge entlang der Strasse und um die Siedlungen herum nimmt unzumutbare Zustände an, teilweise stinkt es erschreckend nach Verwesung und Erbrochenem, Verfaultem und ätzenden Dämpfen, wenn irgendwo der Müllberg mal wieder brennt. Und wir beobachten, wie die Menschen auf diesen Müllhaufen nach Brauchbarem suchen, ja sogar Petflaschen öffnen und den Restinhalt (was da auch immer drin sein mag) trinken. Die Bilder erinnern an die Bilder aus den Armensiedlungen in Indien und haben mit dem touristischen Image des Landes wenig gemeinsam. Klar, Machu Picchu und Cuzco mögen nach wie vor ein Highlight sein, genauso wie der Colca Canyon (zweimal so tief wie der Grand Canyon) oder der Cotahuasi Canyon (mit über 3350m Tiefe der tiefste Canyon der Welt), und vermutlich sieht man in den Hochtälern des Landes auch weniger Müll und Elend, aber hier entlang der Küste ist es erschreckend und abstossend. Wir sind froh, dass wir das Land und seine Hotspots vor 15 Jahren bereist haben, so können wir diesmal das Land im Eilzugtempo durchqueren und mehr Zeit in Ecuador und Kolumbien verbringen.  

 

Die Weiterfahrt führt durch wenig besiedelte Landstriche, manchmal sogar menschenleer. Wir fahren der Küste entlang und streckenweise überrascht diese mit bunten Felsen und schönen Sanddünen, Sandstränden und blauem Meer mit grossen Brandungswellen. Kaum Behausungen, mal ein Fischerdorf, dann wieder eine Flussoase oder einige Bepflanzungen. Trotz allem endet die Müllbegrenzung beidseitig der Strasse kaum und in der starken Sonne riecht es unangenehm. Die Nebelschwaden von der Küste jedoch bieten ein interessantes Gegenspiel zur starken Sonne. Wir steuern eine im IOverlander beschriebene Übernachtungsmöglichkeit an, ausserhalb der kleinen Ortschaft Chao. Eine wirkliche kleine Oase, wenn man darüber hinwegsieht, dass es eigentlich ein Stundenhotel ist. Obwohl normalerweise das Zimmer nur für 12 Stunden vermietet wird, können wir dieses für 18 Stunden mieten, zum Preis von 10 CHF. Da ich Spanisch spreche, verhandle ich, das findet der Vater des Familienbetriebes wohl spannend, der Sohn eher verwirrend. Aber sie sind äusserst freundlich und zuvorkommend, öffnen das grosse Tor, zeigen uns das Zimmer, welches eigentlich ein kleines Bungalow innerhalb der hohen Mauern ist, mit eigenem Parkplatz für Bobilchen und einer wirklich ansprechenden Ausstattung: sauberes und bequemes Bett, grosses luxuriöses und offenes Badezimmer und riesigen Spiegeln an den Wänden. Naja, irgendwas muss ja daran erinnern für welchen Zweck dieses Etablissement gebaut wurde, und wenigstens ist die Toilette vom Bett her nicht einsehbar. Wir fühlen uns wohl und sicher, können sogar im Bobilchen kochen und bekommen noch ein kühles Bier serviert.

 

In der Nacht haben wir nur 2 Autos und ein Tuck-Tuck gehört, welches bei einem anderen Bungalow vorgefahren und wenig später wieder abgefahren ist. Ansonsten hatten wir eine ruhige Nacht, und der grosse moderne Ventilator gab uns angenehme Abkühlung. Wir fahren weiter nordwärts und um Trujillo herum. Ich erinnere mich, wie ich vor 14 Jahren mit Annä-Käthi diesen Ort besucht habe, und frage mich, ob das Stadtzentrum noch immer diese schönen hölzernen an Andalusien erinnernde Balkone hat. In der Umgebung hatten wir die Sonnen und Mond Pyramiden der Moche Kultur besucht, sowie die Chan Chan Kultur in Chimu kennen gelernt. Heute lesen wir die Warnung im Reiseführer und Online, dass man nur mit einem Guide hingehen soll, da trotz Polizeipräsenz bewaffnete Überfälle auf Touristen in diesen antiken Städten an der Tagesordnung seien. Gerne hätte ich auch nochmals die Königlichen Gräber von Sipan gesehen, beeindruckend und gerne mit dem Grab von Tutanchamun verglichen. Aber auch hier schrecken uns die Meldungen ab und wir freuen uns auf den Moment, wenn wir das Land wieder verlassen können, in welchem nicht nur strickt vom wild campen abgeraten wird, sondern auch bewaffnete Überfälle auf offiziellen Campingplätzen keine Seltenheit sind.

 

Markus durchquert auch Chiclayo souverän, sieht die Trickbetrüger, vor welchen gewarnt wird, und ignoriert sie gekonnt. Ich hab heiss und schwitze wie ein Schwein, bin froh, als wir die Müllhalden von Chiclayo hinter uns haben, in denen alles mögliche vor sich hin rottet, und schaue auf die Zuckerrohrfelder und die näherkommende Andenkette in der Ferne. Weiter nordwärts wird die Landschaft wieder ärmlicher, die Siedlungen erinnern mich an Afrika, sogar der Müll wird weniger, vermutlich weil hier die Menschen gar nichts haben was sie wegwerfen können. Savannenlandschaft, Verkaufsstände mit Benzin in PET Flaschen, Esel und Ochsenkarren und kaum Autos, abgesehen von den Lastwagen, die diese Strecke ebenfalls fuhren. Vereinzelt Tuck-Tucks, hier wohl der pure Luxus und Krähle aus Dornbüschen, Strohhütten mit Wellblechdach oder Lehmhütten mit Strohdach. Im Sudan sah es irgendwie besser aus. Einige reiten auf Eseln, andere binden den halbverhungerten Tieren jede Menge Säcke auf. Die Situation und der Anblick deprimiert uns zutiefst, dennoch sind wir erleichtert als wir unseren Schlafplatz finden, wiederum ein Stundenhotel mit sauberem Zimmer und hohen Mauern, hinter welchen wir die Realität für ein paar Stunden aussperren können. Wir schalten den Fernseher ein, wechseln vom Pornokanal auf einen Hollywood Film und Markus kann sogar auf Englisch umstellen. Was der nächste Kunde davon hält, wenn die textilfreie Dame auf Kanal 1 nicht professionell stöhnt und ihren Macker auf Spanisch lobt, sondern ein langweiliger englischsprachiger Film läuft, wissen wir auch nicht, aber wir schlafen gut im Lederbett mit Blick auf einen überdimensionierten Spiegel und können am nächsten Morgen zeitig Richtung Grenze fahren.

 

Um 5h20 am Morgen werden wir von einer Mischung aus "good morning Vietnam" Musik und Moralpredigt eines Wanderpredigers geweckt. Keine Ahnung ob dieser nette Nachbar des Stundenhotels eine spezielle Message für die Kunden des Etablissements hatte oder ob dieser Lautsprecher Wecker jeden Morgen läuft, aber wenigstens war es am Morgen angenehm kühl im Zimmer. Die ganze Nacht über lief der Ventilator, das war sehr angenehm, aber ich fürchte, ich habe mich erkältet. Irgendwie ist mir schon am frühen Morgen heiss. Umso angenehmer empfinde ich die Fahrt Richtung Berge, sobald wir das Morgenchaos der Stadt Piura und den Gestank des Müllgürtels hinter uns hatten. In Tambo Grande fallen uns die vielen Eselskarren und wenigen Tuck-Tucks auf und danach wird das Land grüner, wir sehen Bananenstauden, Mangobäume, Kokosnüsse, Trauben, Reis und weitere Pflanzungen. Je näher wir der Grenze kommen, umso mehr fallen die bemalten, einstöckigen Häuser ins Auge. Es ist der letzte Tag im Februar und auch unser letzter Tag in Peru. Wenige Stunden später reisen wir nach Ecuador ein. Wir werden von den Grenzbeamten in Peru freundlich und speditiv verabschiedet (die Beamten waren erklärte Fans der Schweiz, weiss der Geier warum) und in Ecuador noch freundlicher und zuvorkommender begrüsst. Der Zöllner verabschiedete sich sogar mit Handschlag und wünschte gute Weiterreise. Ein kleiner aber sympathischer Grenzübergang in Macara.

 

Das Überraschendste ist aber der Szenenwechsel nach dem Grenzübertritt. Wir überqueren die Grenzbrücke und sind in einem komplett neuen Land: kein Müll mehr am Strassenrand, grüne Vegetation, Vogelstimmen und frische Luft. Sogar die kleinen Ansiedlungen wirken aufgeräumt und gepflegt, selbst wenn die Behausung sehr einfach ist, so scheinen die Bewohner bemüht, sich ein schönes Heim zu schaffen, mit blühendem Vorgarten und sauberen Vorplätzen.