Bobilchen wird Höhenkrank

Wir sind froh, haben wir die Stadt La Serena hinter uns gelassen, es ist Ferienzeit und alles ist überlaufen, zudem sind wir eh keine Stadtfans, zu laut, zu viele Menschen. Aber praktisch ist es natürlich schon, um Vorräte aufzustocken und Erledigungen zu machen. Zudem erleben wir hier wiederum, dass die Chilenen unglaublich geduldige Menschen sind, stehen wir doch teilweise fast 30 Minuten an der Kasse, aber keiner scheint sich daran zu stören. In Vallenar zweigen wir wiederum von der Strasse Richtung Küste und Huasco ab. Die Strasse führte durchs trockene, hügelige Inland, welches nur manchmal von riesigen Windrädern zur Stromproduktion durchbrochen, manchmal von Ausblicken auf die entfernte Küste begleitet wird.

 

Der Küstenabschnitt von Huasco nach Copiapo hat seine Reize, auch wenn das daran angrenzende Inland trocken und teilweise auf hässliche Weise industriell genutzt wird. Die Strasse führt durch den kleinen Nationalpark Llanos de Challe, in welchem dank dem aufsteigenden Küstennebel zahlreiche Kakteen und Wüstenblumen gedeihen und blühen. Die Strasse führt an über 50 Sand-und Felsenstränden vorbei, welche nun in der Hauptferienzeit sinnlos überlaufen sind, wo sonst nur Wind, Wellen und Sand zu finden sind, stehen jede Menge Zelte. Am meisten enttäuschte uns Playa La Virgen, angeblich eine der schönsten, schon fast karibisch anmutende Bucht. Dort sah es aus wie in Rimini im Juli und August, und für diesen kleinen Strandabschnitt hätte man auch noch Eintritt bezahlen sollen. Das bewog uns dann, der Küste endgültig den Rücken zu kehren und die Andenkette anzusteuern.

 

Vom Meer bis Copiapo folgte die Strasse einer fruchtbaren Flussoase, in der auch viele Olivenhaine angepflanzt waren, der grüne Talboden eingerahmt von an überdimensionale Sanddünen erinnernde Berge. Ab Copiapo Richtung Paso San Francisco wird die Wüste trostloser, monoton und irgendwie grau in staubgrau. Erst als wir auf die Nebenstrasse (C-601) Richtung Salar de Maricunga / Parque Nacional Nevados Tres Cruces fahren, wird die Gegend wieder ansprechender. Auf rund 2500 Meter war es möglich, von der gepressten aber gut befahrbaren Salz/Sand Strasse auf eine trockene, harte Oberfläche im Tal abzubiegen. Wir richteten uns für die Nacht ein und kurz danach kam aus der entgegengesetzten Richtung ein Landrover mit Schweizer Kennzeichen. So lernten wir Tobias und seinen Mitfahrer Oliver kennen. Tobias hat als Schreiner 1. Jahr in Villarica gearbeitet und bereist nun Südamerika in seinem Landrover, mit einer Leidenschaft fürs Offroad Fahren, je abgelegener und komplizierter umso lieber. Er hat sich in der Schweiz auch auf Aus- und Umbauten von Landrovern spezialisiert. Wir tauschen uns aus und staunen nicht schlecht, als er aus seinem Wagen einen Outdoor Backofen zieht, aufklappt und über den Benzinkocher stülpt. Man glaube es oder nicht, am Morgen konnte er frisch gebackenes Brot geniessen. Offensichtlich lässt sich darin auch Kuchen backen und Lasagne machen. Was es nicht alles gibt. Bei uns gab es dafür erste Probleme mit dem 20l Wassertank, der hat nämlich einen Sprung (Ermüdungserscheinung durch die Sonneneinstrahlung und das ewige Geholpere) und Ersatz in der passenden Grösse und mit Hahn ist in Südamerika nicht aufzutreiben, daher kauften wir zumindest mal einen angeblich lebensmittelechten Behälter mit 10 Liter, aber ohne Hahn. Leider passt darauf auch der Hahn des 5 Liter Behälters, den ich bei der Transa gekauft habe, nicht, der ist ja inzwischen auch hinüber. Hätten wir das schon in Puerto Varas gewusst, wäre es dort ein leichtes gewesen in einem Camping Shop passenden Ersatz zu finden, doch hier ist uns schon länger kein Campingshop mehr untergekommen und im Baumarkt gibt es solche Dinge nun auch wieder nicht.

 

Am nächsten Tag führt uns die Strasse hoch auf 4100 Meter, bevor sie wieder auf 3700 Meter zur Salar de Maricunga und der wunderschönen Laguna Santa Rosa abfällt.  Bobilchen gibt aber schon auf weniger als 3000 MüM jede Menge schwarzen Rauch von sich und es ist ein merkwürdiges Stottern zu hören, mit jedem Höhenmeter wird dies extremer, klingt wie Aussetzer des Motors. Als wir im November auf der Argentinischen Seite auf Höhen von 4000 Metern unterwegs waren, war davon nichts zu hören. Das macht uns unsicher. Falsche Gemisch-Einstellung (Diesel zu Luft), verstopfte Einspritzdüsen? Keine Ahnung, aber es wird auch nicht wirklich viel besser, wenn wir wieder einige Höhenmeter verlieren. Wir fahren langsam und schonend weiter und finden alsbald eine schöne Hochebene neben der Sandpiste zur Laguna del Negro Francisco. Traumhafter Blick auf die umliegenden 6000-er, das mit kleinsten gelben und grünen Mooshügeln bewachsene Hochtal und ein kleines mit verschiedenen Vögeln und Vicunas belebtes Hochmoor.  Der Wind wurde am Nachmittag wieder stärker, im Windschatten und in der Sonne ist es angenehm warm, doch nachdem sich die Sonne hinter die Hügel verzogen hat, wurde es auf 3900 MüM unangenehm kühl. Kälte empfindet man sowieso in der Höhe intensiver. Ich hatte ganz leichte Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit, aber nicht der Rede wert, Markus merkte nix von der Höhe, freute sich aber mächtig, als die Standheizung problemlos ansprang und es im Bobilchen innert kürzester Zeit angenehm warm wurde. Als die Sonne unterging nahm auch der Wind ab und wir hatten eine sternenklare aber kalte Nacht vor uns (Standheizung liessen wir ja nicht die ganze Zeit laufen). Allerdings war es so kalt nun auch wieder nicht, das Wasser war nicht gefroren und als die ersten Sonnenstrahlen kamen war es noch windstill und Bobilchen und wir wärmten schnell wieder auf. Ich machte danach sogar noch ein paar Yogaübungen, sozusagen Höhenyoga.

 

Wir fuhren Richtung Paso San Francisco hoch, doch kurz vor der Laguna Verde, so bei 4300 MüM machte Bobilchen auch im ersten Gang und Schritttempo schreckliche Geräusche und wir rechneten jeden Moment damit, dass der Motor komplett aussetzen würde. So wählten wir die konservative Variante und drehten um, ohne die Laguna Verde gesehen zu haben. Langsam und recht besorgt stotterten wir wieder runter zur Salar de Maricunga und folgten nun der Passstrasse bis zum Zollhäuschen. Dort mussten wir dem Zollbeamten klarmachen, dass wir weder ausreisen möchten, noch von Argentinien her eingereist sind, sondern auf der touristischen Rundroute unterwegs seien. Ah, vom Nationalpark herkommend, meinte der Zöllner, und verwies uns an den Polizeiposten neben dem Grenzposten. Dort erlaubte uns dann der Polizist die Metallkette zu öffnen und durchzufahren, er wünschte gute Weiterreise und bat, einfach danach die Kette wieder zu zumachen. Unkomplizierte Sache. Bobilchen stotterte noch immer, doch hatten wir den Eindruck, dass er etwas weniger nach Luft rang, inzwischen waren wir ja auch wieder unter 4000 Metern. Auch war mal wieder Wochenende und so würden wir ja eh niemanden in einer Werkstatt antreffen. Somit entschieden wir uns für die Weiterfahrt Richtung Salar de Pedernales (C-173). Wunderschöne Strecke, Hügelketten als wenn jemand einen Farbtopf umgeschmissen hätte und nun in allen Rotvariationen schimmernde Pastelltöne über den Fels laufen würden, wie Creme Tupfer und Puder. Dann kommt neben der gut zu befahrenden Salz/Erdstrasse (topfeben und ein Belag wie Asphalt, aber leider setzt sich dieser auch auf Bobilchen ab und am Morgen tropft Bobilchen an den Salzstellen, die Wasser ziehen) eine Ansammlung grosser Felsbrocken. Ein schönes Plätzchen für den Lunch oder allenfalls sogar für die Nacht. Der Wind hat wieder aufgefrischt und wie ich zu Fuss den Platz inspiziere, nach der Suche einer windgeschützten Stelle, fühle ich mich plötzlich beobachtet, und als ich mich umdrehe, steht da ein grosser Rotfuchs. Neugierig schaut er mich an, und trottet auf mich zu. Ich grüsse und gehe weiter, doch der Fuchs holt auf, keinen Anschein von Scheu. Das verunsichert mich, denn ich weiss nur von Füchsen, die wegen Tollwutbefall so zutraulich sind, und einen Biss von einem tollwütigen Tier kann ich nun echt nicht gebrauchen. Kann natürlich auch sein, dass dieser Fuchs einfach noch nie was Böses von einem Menschen erlebt hat, vielleicht sogar schon gefüttert wurde. Auf alle Fälle folgte er mir bis zum Auto quasi auf den Fersen und wäre beinahe ins Auto eingestiegen. Dies kam uns nun doch etwas komisch vor, und so liessen wir Fuchs und seine Heimstätte in Ruhe und fuhren weiter.

 

Nach unserer tierischen Bekanntschaft änderte sich die Landschaft, die Wüste wurde wieder karg, monoton und grau, Strommasten folgten der Strasse und erste Minenschilder folgten. Doch die Abzweigung (C-157) zur Salar de Pedernales entführte uns in eine Märchenlandschaft. Am Anfang windete es noch sehr stark, und wir suchten Schutz bei den Mauern und Höhlen einer verlassenen, verfallenen Salz Mine. Doch je tiefer die Sonne sank, umso schwächer wurde der Wind und wir begaben uns an den Salzseerand. Dort gab es eine Lagune, Traumpanorama und jede Menge rosa Flamingos. Wunderschön, nur leider versteckte sich die Sonne beim besten Abendlicht hinter einer Wolkenbank. Der Anblick war trotzdem unvergesslich schön. An dieser Lagune verbrachten wir auch die Nacht, das spezielle Tröten der Flamingos war die ganze Nacht zu hören, die kleine warme Quelle am Rand blubberte und stank nach faulen Eiern, am Morgen jedoch dampfte sie und gab der Umgebung etwas Mystisches. Im ersten Morgenlicht auch gelangen mir ein paar schöne Fotos, der gegenüberliegende Berg war noch mit einem Nebelschleier verhüllt und die Flamingos stocherten im Schlick nach kleinen Krebsen, denen sie ihre rote Färbung der Federn verdanken. In der Nacht konnte Markus schöne Sternenaufnahmen machen und auf 3300 MüM schliefen wir hervorragend.

 

Es war kühl an dem Morgen, aber nicht kalt. Ich setzte mich auf eine Holzplanke die da herumlag und beobachtete fasziniert den so friedlichen Anblick. Nach einem ausgedehnten Frühstück ging die Weiterfahrt an einer Eselherde mit Jungtieren vorbei, wir passierten einige Wellblech/Lehm Stallungen und sahen die Hinterlassenschaften von Minenarbeitern, eine kaputte Zugslinie, Wasserpumpwerke und sonstige Zeugnisse von menschlicher Nutzung. Je weiter wir fahren umso monotoner wird die Landschaft wieder, doch kurz bevor wir in die Industriewüste vordringen, fahren wir einem frisch sprudelnden Bächlein entlang, welches an ein Frühjahresbächlein in den Bergen erinnerte. Doch die Kruste durch welche das Bächlein floss, war weder Restschnee noch gebrochenes Eis, sondern pures Salz. Bald ist die Asphaltstrasse erreicht und ein Infotäfeli "Camino del Inca", aha, also historisch auf Asphalt unterwegs. Je tiefer wir kommen umso trostloser wird der Anblick der Industriewüste, auf 1000 MüM ist aus dem ehemals frisch sprudelnden Bächlein ein verfärbtes giftig aussehendes Rinnsal geworden. Wir wollen nicht wissen, was die ansässigen Minen alles für Chemikalien einleiten, um ihre Mineralien auszuwaschen. In Diego de Almagro, einer trostloser Ansiedlung mit Copec und Schule, erstaunt uns die neu angelegte, beschattete Promenade mit Grünfläche, Freiluftfitnessgeräten, Spielplätzen, Holzbänken und Fahrradweg. Hier verbringen dann wohl die Minenarbeiter und ihre Familien den Sonntag.

 

Bald biegen wir in die PanAm ein, die hier auf rund 1000 bis 1500 MüM eine trostlose Industriewüste durchquert und nicht viel mehr ist, als eine asphaltierte Strasse mit vielen geflickten Schlaglöchern. So sieht auch die Copec Tankstelle einige hundert Kilometer weiter aus, doch die kalte Dusche dort war herrlich. Frisch geduscht und mit frisch gewaschenem Haar fühlt man sich doch gleich wieder besser. In dieser Gegend gibt es auch riesige Observatorien. Die wenigsten kann man ohne Spezialanmeldung besuchen, und so erinnern wir uns lieber an die tolle Besichtigung und Sternenkunde im Leoncito Nationalpark in Argentinien. Für die Nacht gibt es mal wieder eine Kiesgrube in Hufeisenform unweit eines Windenergie Parkes. Die Geräusche des Bobilchens haben sich weitgehend eingestellt, doch beim Überholen eines Lastwagens waren sie wiederum stark hörbar und immer mal wieder gab es auch auf 1000 MüM stotternde Geräusche, wenn auch nur noch vereinzelt. Tags darauf kommen wir im Verlaufe des späteren Vormittages in Antofogasta an.

 

Wir fahren zu einer empfohlenen Garage, doch da ist keiner da. Die Nachbarin sagt, die beiden Burschen, seien nicht eben oft da, aber sie hätte die Nummer (wie sich später herausstellte, war es die Nummer des Vaters). So kamen wir über WhatsApp in Kontakt, allerdings erst nachmittags. Als wir über eine Stunde auf eine Antwort gewartet hatten, suchten wir eine andere Garage. Wir beschrieben dort unser Problem und er fragte nur: wann habt ihr denn das letzte Mal den Kraftstofffilter gewechselt? Sei ziemlich typisch, verstärkt wahrnehmbar in der Höhe, aber wenn es auch im Tiefland immer noch komische Töne mache, sei das der Kraftstofffilter. Wir sollen doch mit einem passenden Filter nach der Siesta zurückkommen, dann würde er diesen wechseln. Noch während der Siesta bekommen wir Antwort von Nico, er hätte vom Vater seines Partners gehört, dass wir Probleme mit unserem Fahrzeug hätten. Er sei gegen 16 Uhr bei der Garage und schaue sich unser Problem gerne an. Und schau an, auch seine Diagnose war Kraftstofffilter. Somit ersetzte er den Filter, kontrollierte den aus dem alten Filter auslaufenden Diesel und stellte viele Partikel fest. So ein Filter gehöre in Südamerika alle paar Tausend Kilometer, sicher aber alle 10.000 (genau wie ein Ölwechsel) einfach dazu. Einen Filter hatten wir noch vorrätig, einen weiteren konnten wir danach gleich noch in einem Repuesto erwerben. Nico war wirklich super hilfsbereit, wollte kein Geld und schickte uns auf Probefahrt, wir sollen Bobilchen in tiefen Gängen und hochtourig den Berg hochjagen (Antofogasta ist keine unschöne Stadt, liegt am Meer, aber an eine extem hohe und nahe an der Küste liegende Bergkette gepresst). Wir machten das und obwohl er so noch immer schwarz rauchte, waren keine Geräusche mehr zu hören. Geld wollte er keines dafür, es sei ihr Motto Overlandern zu helfen, auch sie seien in ihren Fahrzeugen gerne unterwegs. Er erwähnte noch, dass, sofern Wasser und Ölstand immer gut seien, schwarzer Rauch bei hochtourigem Fahren keine Bedenken auslösen müsse, wenn aber der Ölstand abnehmen sollte, müssten allenfalls Dichtungsringe überprüft werden. Auch erwähnte er, dass wir gerne jederzeit auf ihn zurückkommen könnten, er hätte auch einen sehr professionellen Motorenspezialisten zur Hand, sofern wir unser Bobilchen tunen möchten, oder der Motor wieder erwarten nochmals Schwierigkeiten machen sollte. Er und sein Partner seien geschäftlich (Maschinenspezialist) viel in Bolivien und im Süden des Landes unterwegs, aber wir könnten die Referenz des Spezialisten gerne nutzen, und im Falle einer längeren Reparatur/Ausbesserung auch in der Garage wohnen, Toilette, Dusche und Wifi nutzen. Dass dies nicht nur leeres Gerede ist, beweisen auch die Einträge im IOverlander. Wirklich, unglaublich nette Menschen trifft man hier in Chile.

 

Noch am selben Abend machten wir uns, ohne, dass Bobilchen irgend welche beunruhigenden Töne von sich geben würde, auf Richtung Atacama Wüste.