Südlich und Nördlich von Santiago

In Constitucion an der Küste (nichts Schönes, obwohl es sich vom Tsunami 2010 langsam erholt hat und nun mit einer neuen Strandpromenade aufwartet) haben wir einen super freundlichen Tankwart erlebt, der uns sogar beim Auffüllen unseres Wassertankes behilflich war, bzw vom Schlauch mit welchem eigentlich die Rabatten der Tankstelle gewässert werden sollten einfach etwas für uns abzweigte. Überhaupt sind die Leute hier in Chile sehr freundlich, geduldig und hilfsbereit. Von der Küste ging es landeinwärts nach Santa Cruz im Zentrum des Weinanbaugebietes. Das Valle de Colchagua ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt für guten Wein und wir besuchten etwas ausserhalb von Santa Cruz das Weingut Viu Manet. 180km ist es von hier noch nach Santiago und freundlicherweise erlaubte man uns, auf dem Personalparkplatz des Weingutes zu nächtigen und die super saubere Gästetoilette des geschlossenen Restaurants zu nutzen. Wissend, dass wir am Abend nicht mehr Autofahren müssen, genossen wir eine ausführliche Degustation und anschliessendes Abendessen im Café mit Weinen des Gutes. Erst wurden wir per Pferdekutsche durch die Weinfelder gefahren, dann zum Weinkeller wo Weinherstellung, Kreation und Lagerung erklärt wurde und zuletzt zur professionellen Verkostung von 5 verschiedenen Weinen. Dieses Gut ist federführend in der Entwicklung des Wein-Tourismus in der Gegend und bietet auch Gelände zum Polo Spielen etc. Als erstes gab es Anschauungsunterricht, verschiedene Traubensorten und wie die Reben kultiviert werden. Aus über 50 Rebsorten könne man weltweit Wein herstellen, weit über 30 davon würden in Chile gedeihen. Dennoch gäbe es markante Unterschiede, so zum Beispiel ist der Chilenische Malbec weicher, fruchtiger und hat weniger Tannine als der Argentinische. Bewässert wird hier durch Wassergräben, rund 5-7 mal im Jahr wird geflutet, denn die Böden seien wie Schwämme und speichern die Feuchtigkeit. Die Reben werden mit Netzen vor der starken Nachmittagssonne geschützt und bekommen erst im letzten Reifestadium die volle Sonne ab und der Leseprozess findet zu 70% von Hand statt. Der Ausbau der Weine geschieht in unterschiedlich grossen Fässern aus französischer Eiche (amerikanische sei zu heftig für den sanften Chilenischen Wein), Inox und Betontanks aber auch dem Beton Ei welches wir bereits in Argentinien kennen gelernt haben und angeblich aus dem Burgund stammt. Es scheint die Bestrebung dieses Weingutes zu sein, hochqualitativen Wein mit natürlichem Geschmack herzustellen, sprich, sie arbeiten ohne Aromazugabe, Holzschnitzel oder ähnliches und wollen Geschmack und Charakteristik der jeweiligen Traubensorte erhalten. Interessant ist, dass per Gesetz erlaubt ist, nur die Rebsorte zu nennen, welche den Hauptanteil am Endprodukt hat, will heissen,  ich kann einen Shyrah kreieren, welcher noch mit 25% anderen Weinsorten verblendet ist, ohne diese Sorten nennen zu müssen. 

 

Dank der abgeschotteten Lage des Landes (Anden im Osten, Atacama Wüste im Norden und das Fjordland im Süden) sind die hiessigen Pflanzen von den meisten Weinkrankheiten verschont geblieben, insbesondere von der Reblaus, welche Ende des 19. Jahrhunderts die meisten Reben in den europäischen und überseeischen Weinanbaugebieten zerstört hat. Daher wachsen in Chile alte, wurzelechte Rebklone, die sonstwo auf der Welt nicht mehr angebaut werden können.  Die wichtigsten drei Rotwein-Rebsorten in Chile sind der Cabernet-Sauvignon, Merlot und Carmenère. Diese Traubensorte war für uns bisher unbekannt und eine interessante Entdeckung. Während ich mir den Carmenère gut als Begleitung zu einem Spaghetti Essen vorstellen kann, gab Markus dem Merlot den Vorzug. Die Carmenère Traube hat das Potenzial zu schwer gewichtigen, samtigen Weinen mit denen sich Chile einen Namen machen möchte, ist es doch nach der Weinpest in Europa das einzige Land, wo die Stöcke überlebt haben. In der Verkostung schmeckte er nach Roter Beere, Pflaumen und auch etwas Tabak und Leder, aber neu waren mir die Elemente von weissem Pfeffer und Peperoni. Als fertiger aber noch nicht ausgebauter oder  gelagerter Wein schmeckt er extrem nach Gemüse, etwas was mir bisher wirklich fremd war, aber erstaunlich gut zu Tomatenpasta passt. Er ist vollmundig und hat eine gut balancierte Säure. 

 

Die Strasse nach Santiago führt durch Wein und Obst Anbaugebiet, im Dunst kann man in der Ferne die Andenkette erahnen. Es ist heiss und dicht besiedeltes Gebiet, wir sind geografisch wieder etwa auf der Höhe von Mendoza. Die Durchfahrt durch Santiago verläuft gut und reibungslos, die Chilenen erweisen sich mal wieder als geordnete und geduldige Autofahrer, zwar ist die Hektik der Grossstadt klar wahrnehmbar, aber wir haben es schlimmer befürchtet. Einmal am nördlichen Ende der Stadt finden wir eine Autobahnraststätte mit Duschen, eine herrliche Erfrischung, auch wenn es einige Überredungskünste brauchte, dass auch ich duschen durfte, denn die Duschen sind eigentlich nur für Fernfahrer, und die sind nun mal nicht weiblich... 

 

In Los Andes, einem Dorf an der Passstrsse nach Argentinien, konnten wir unsere Vorräte aufstocken und erkennen nun auch visuell die Veränderung von Süd nach Nord. Der spanische Einfluss nimmt zu und aus Giebeldächern werden Flachdächer, Holzfenster, Innenhöfe und Backsteinkirche. Die Natur wechselt ebenfalls ihr Kleid, steppenartige Halbwüste und knorrige Dornbüsche nehmen überhand und stehen im krassen Gegensatz zur grünen Seenlandschaft des Südens. Oberhalb der alten Nord/Südstrasse, welche dem ehemaligen Inka Trail folgt und seit dem Bau der PanAm etwas abseits liegt, haben wir eine Seitenstrasse entdeckt, welche uns an ein von der Strasse her nicht einsehbares Aussichtsplätzchen in der Halbwüste bringt. Hier verbringen wir de Nacht, vorher bekommt Markus aber einen Haarschnitt verpasst. Anfänglich zögerlich, getraue ich mich dann etwas mehr zu schneiden und am Ende sind wir beide mit meinem Erstlingswerk recht zufrieden, zumindest sieht es nun wieder nach Haarschnitt aus, dachte schon ich muss Markus bald einen meiner Haargummis ausleihen, damit er ein kleines Pferdeschwänzchen binden kann. 

 

Um uns herum ist es extrem still, nur eine Hasenmama und ihr Junges huschen vorbei, ein Esel schreit in der Ferne und das Flattern eines einzelnen Vogels durchbricht die Stille. Es ist unglaublich friedlich. Die Sonne geht merklich früher unter als weiter im Süden, um 9 Uhr ist es dunkel und das Sternenmeer auf über 1000 Meter ist wunderschön.