Atlantikküste Argentinien

Von Ushuaia geht es der Atlantikküste entlang bis Rio Grande, wo wir nochmals wenig einkauften (Lebensmittelkontrolle an der Grenze!), tankten und Brauchwasser auffüllten. Danach ab über die Mini-Zollstelle bei Bella Vista und wieder am Lago Bianco in Chile vorbei Richtung Bahia Inutil. Am Ende der Bahia Inutil, ganz in der Nähe der Ansiedlung Onaisin befindet sich die einzige Kolonie von Königspinguinen, welche sich nördlicher als auf den Antarktischen Inseln, also auf Festland, angesiedelt hat.

 

Hier brüten seit Jahren rund 150 Pinguine, einige von ihnen bleiben das ganze Jahr über, andere schwimmen lange Distanzen, bis z.B. nach Südgeorgien nahe der Antarktis. Man weiss dies, weil die Tiere von einer Organisation geschützt und beobachtet werden, zu Forschungszwecken aber auch Sender tragen. Da diese Kolonie sozusagen eine Sensation ist, zahlt man ein nicht unerhebliches Geld, um die Tiere zu besuchen. Für mich, die das Glück hatte die Tiere in nächster Nähe auf Südgeorgien zu beobachten, eine kleine Enttäuschung, für Markus aber ein umso interessanteres Erlebnis die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, wenn auch von einem Sichtungspunkt hinter einer Holzwand und mindestens 50 Meter von den Tieren entfernt. Mit der Distanz und dem starken Wind war es nicht einfach einigermassen scharfe Bilder zu machen und so konzentrierte ich mich hauptsächlich darauf, die Tiere durch den Feldstecher zu betrachten und die Informationen zu lesen, welche die Lebensweise der Tiere beschrieben haben.

 

Königspinguine sind sehr schön gefärbt (nebst weiss und schwarz auch orange und gelb) und die zweitgrösste Pinguinart der Welt. Pinguine leben nur auf der südlichen Hemisphäre, die grössten, Kaiserpinguine, nur auf dem Antarktischen Kontinent. Die Königspinguine werden zwischen dem 3 und 6 Lebensjahr geschlechtsreif und der Fortpflanzungszyklus dauert rund 14-15 Monate. Unter guten Umständen werden somit in 3 Jahren 2 Eier ausgebrütet, denn der Vogel legt nur ein einziges Ei pro Brut. Es werden keine Nester gebaut, die Eier werden auf den Füssen und unter dem darübergestülpten Bauch ausgebrütet. Für das Brüten und die Aufzucht werden sanfte Buchten und Grasland bevorzugt. Ideales Gebiet also hier auf Feuerland. Die Küken sehen recht komisch aus, wie riesige braune Sofakissen, wenn sie ihr Daunenkleid, in dem sie nicht schwimmen können abwerfen und darunter die Schwimmfedern sichtbar werden, erinnern sie an geplatzte Sofakissen. Die Schwimmfedern färben mit dem Alterungsprozess aus und erst als erwachsener Vogel haben sie auch die typischen orangen Einfärbungen. Jeder Pinguin kommt zwischen September und Oktober in die Mauser und erhält ein neues Federkleid. Von Oktober bis Dezember ist die Paarungszeit. Danach, zwischen November und Januar werden die Eier ausgebrütet und von Januar bis Dezember werden die Kleinen dann gefüttert, bis sie zwischen November und Dezember "platzen", sprich das flauschige Daunenkleid verlieren und gegen März dann selbständig werden. Der Reproduktionszyklus dieser Pinguin Art ist somit der längste aller Pinguinarten: Inkubationszeit rund 2 Monate, danach Aufzucht über ein Jahr bis zur Selbstständigkeit der Tiere. Das sie verwöhnte Bettelsäcke sind, sieht man auch noch den "geplatzen Sofakissen" an, welche durch das Daunenkleid noch grösser als ihre Eltern wirken. Die Pinguine ernähren sich von Fisch, Kalmaren und Krustentieren und wenn sie vom Strand zurück zum Nistplatz watscheln, dann strecken sie die Flügel aus, um die Balance zu halten. Die Tiere sind sehr monogam und wenn sich der eine Elternteil zur Nahrungsbeschaffung begibt, übergeben sie das Ei sehr sanft von einem Füssepaar zum anderen. Der Königspinguin erreicht stehend eine Kopfhöhe von 95cm und misst von Füssen bis zur Schnabelspitze 120cm. Diese Tiere werden rund 25 Jahre alt und 10 - 12kg schwer. Alle 18 Arten von Pinguinen sind exzellente Schwimmer, aber keiner kann fliegen.

 

Eine kurze Fahrt per Fähre über die Magellanstrasse bei Manatiales führt uns wieder zurück aufs Festland, dann der Zollübertritt (bei weitem nicht so effizient wie der Minizoll) bei Punta Delgada und weiter nach Rio Gallegos an den Atlantik. Auf der Weiterfahrt zum Nationalpark Monte Leon fällt uns immer wieder auf, das hier Guanakos die kleinen Erdhügel in der sonst flachen Steppenlandschaft als Aussichtspunkte nutzen.

 

Der Monte Leon Nationalpark (notabene mal wieder kostenlos und mit freundlichem Ranger, der uns eine ausführliche Broschüre in die Hand drückt) wurde zur positiven Überraschung. Es ist ein Schutzgebiet für Seevögel wie Kormorane und Austernfischer, Seelöwen und Pinguine, aber auch Pumas sollen darin vorkommen. Landschaftlich reizvoll und mit schönem Lehrpfad zur Pinguine Kolonie. Diesmal gab es Magellan Pinguine zu bewundern, putzige Tierchen und man ist so nahe am Geschehen dran, sie spazieren sogar an einem vorbei und queren den extra angelegten Besucherpfad. Die Kolonie hat angeblich über 60´000 Paare und erstreckt sich von unten am Meer bis hoch auf die Klippen, wo sie brüten und die Jungen aufziehen. Im Dezember schlüpfen die Jungen und werden von den Eltern abwechselnd gefüttert, ab Februar gehen beide Elternteile gleichzeitig auf Futtersuche (Jagdgründe liegen bis zu 80 Meter tief und 50km von der Küste entfernt), um den Hunger des Kleinen zu befriedigen, der dann alleine auf der Klippe zurückbleibt, alleine unter tausenden andern. Wie die ihre Kleinen jeweils wieder finden, ist mir ein Rätsel. Ende Mai sind die Kleinen dann schwimmfähig und lernen sich selbst zu ernähren, die meisten Tiere ziehen dann in Jagdgründe bei den Falklandinseln und kommen im September zurück um mit dem Nestbau zu beginnen. Im Oktober beginnt die Paarungszeit und im November legen die Pinguine ihre Eier, welche sie nun ausbrüten und vor den natürlichen Fressfeinden an Land schützen müssen (Frettchen, Füchse, Pumas, Seemöven, die noch grössere Antarktische Skua etc.). Im Wasser müssen sie sich in Acht nehmen vor Orkas, Seelöwen und Leopardrobbe, aber auch vor Fischernetzen und Bootsmotoren. Leider erkranken sie durch die Nahrungsaufnahme von Krustentieren auch oft an der Marea Roja, einer Krankheit welche auch beim Menschen zu tödlichen Lähmungserscheinungen führen kann.

 

Die Marea Roja ist eine Epidemie giftiger Mikroalgen im Meer, die sich in Muscheln und im speziellen Austern anreichern. Mensch und Tier kann sich durch die Nahrungsaufnahme infizieren, was ohne Behandlung zum Erstickungstot durch Muskellähmung führt. Daher wird im Zweifelsfalle auch davon abgeraten, in Südpatagonien Schalentiere zu konsumieren. Dies wiederum hat natürlich für die lokalen Fischer fatale finanzielle Folgen. Aber nun zurück zu den süssen Pingis.

 

Die Schreie der Pingis erinnern manchmal an Esel und offensichtlich ist dies während der Paarungszeit, wenn sie mit den Köpfen rhythmisch wackeln und sich in Kreise drehend folgen, noch intensiver. Die zwei Eier werden dann im Abstand von jeweils einer Woche gelegt und abwechselnd von Mama und Papa ausgebrütet. Die süssen kleinen Frechdachse werden rund 44cm gross und wiegen ca. 4kg. Die Lebensdauer beträgt ca. 15 Jahre und sie kommen im gesamten Südatlantik vor, im Südpazifik und den vorgelagerten Inseln. Sie ernähren sich hauptsächlich von Sardinen, Makrelen, und Kalmaren, gelegentlich auch von Schellfisch, Seehecht und Tintenfischen. Im Daunenkleid sehen die kleinen Dreckfinklein einfach fluffig und süss aus, wirken sogar irgendwie grösser als ihre Eltern. Wie alle Pinguine sind sie exzellente Schwimmer, können aber nicht fliegen. Natürlich wussten das die ersten Europäer nicht, die die Küsten erkundeten und hielten die Tiere für entenartige Vögel, assen deren Eier und manchmal auch die Pinguine selbst.

 

Die lieben Entdecker, Eroberer und ersten Siedler, eine ganz andere Geschichte. Wie dem auch sei, die Gegend war auch lange bekannt für den Guano Abbau. Guano (die weisse Vogelscheisse der Kormorane, welche sich auf gewissen Eilanden und Felsen vor der Küste oft meterweise türmt) wurde hier in grossem Stile jahrzehntelang gewinnbringend abgebaut (zwischen 1930 und 1960 rund 10000 Tonnen) Guano enthält viel Nitrogen, Phosphor und Kalium und war begehrt als hervorragendes Düngemittel. Die Kormorane hier stehen seit 1966 unter Schutz und sie können ihre Ausscheidungen zusammen mit Seegrass wieder zum Bau ihrer Nester brauchen, wodurch sich auch ihre Anzahl wieder stabilisiert hat.

 

Wir genossen eine schöne Abendstimmung am Meer, sinnierten über den gewaltigen Unterschied von Ebbe und Flut an dieser Küste (laut Tidenkalender je nach Mondphase bis zu 12 Meter) und machten uns dann wieder auf im Landesinnern ein Übernachtungsplätzchen hinter einer YPF Tankstelle zu suchen.

 

Am nächsten Tag besuchten wir weiter nördlich den Parque Nacional Bosques Petrificados de Jaramillo. Kompletter Kulissenwechsel und Kleiderwechsel, es war plötzlich wieder Hochsommer und die Sonne knallte vom wolkenlosen Himmel. Der Park ist absolut sehenswert und der gute Ranger erklärte uns aufs Ausführlichste den Prozess der Versteinerung, und auf spätere Nachfrage hin auch noch den Unterschied zum Bosques Petrificados bei Saramiento weiter im Landesinnern, den wir später auf dem Weg nach Chile noch besuchen wollen. Daher werde ich weitere Schilderungen auch auf jenen Blog verschieben, wenn wir

vergleichen können was die Unterschiede denn nun sind. Ebenfalls von diesem Ranger haben wir gelernt, dass es zwei unterschiedliche Arten von Gürteltieren gibt, die hier heimisch sind. Das Peludo ist das grössere, haarigere Tier (welches ich beim Fitz Roy habe fotografieren können) und das Piche ist das zierlichere, weniger behaarte und eher an einen Igel erinnernde Tierchen. Ein Piche zeigte sich nicht, umso schöner war aber die Sichtung einer Gruppe Maras, das sind die grössten Nagetiere und erinnern irgendwie an eine Mischung aus Kängi und Hase. Wir konnten den Tieren, einer Mutter mit zwei Jungen, lange zuschauen. Erst spät kamen wir an diesem Abend an unserem Übernachtungsplatz an, einer Kiesgrube. Wir grüssten ein anderes Paar, das sich dort ebenfalls vor dem Wind schützend für die Nacht eingefunden hatte.

 

Etwas ausser Sichtweite auf der abgewandten Seite des Bobils gab es dann noch eine erfrischende Bobil Aussendusche (aus dem Duschsack). Herrlich erfrischend. Eben beredeten wir noch, ob wir die Weiss- oder Rotweinflasche mitnehmen sollen, um das andere Paar näher kennen zu lernen, da kamen die zwei auch schon auf uns zu und brachten eine Flasche Wein mit. Sehr sympathisch die zwei! Etta und Stefan sind mit Brunhilde, einem super selbst umgebauten VW Bus mit Schweizer Kennzeichen unterwegs. Ihre Webpage. Wir hatten einen echt schönen Schlummertrunk zusammen, Markus offerierte seinerseits noch von seinem hochheiligen Whisky und wir tauschten uns über Reiseerfahrung und Reiseziele aus.

 

Am Morgen wurden wir sogar noch auf einen Kaffee aus einer italienischen Espressomaschine eingeladen. Wie sich danach herausstellte hatten sie eine kleine Maschine „zu viel“ und die schenkten sie uns, einfach so, zusammen mit ein paar ausgelesenen Büchern. War ja wie Weihnachten und Ostern zusammen. Wir wünschten den beiden weiterhin gute Fahrt und hoffen sie an einem anderen Ort wieder zu treffen, denn auch sie haben das Ziel Kolumbien und allenfalls später Alaska.