Feuerland & die südlichste Stadt der Welt

Von Punta Arenas geleitete die Fähre an einem wunderbar sonnigen 2. Januar 2018 auf die andere Seite der Magellanstrasse, nach Provenir in Feuerland. Das Örtchen überraschte mit einer idyllischen Lage an einer geschützten Bucht, wenig Wind und Sonnenschein. Eine kleine Strandprommenade, einige Bäumchen, Gehsteige und blumenbepflanzte Grünstreifen. Die Kirche liegt im Dorfzentrum und die bunten Holzhäusern mit Giebeldach erstrecken sich vom Ufer den Hügel hinauf. Der Hügel ist gleichzeitig auch "Tsunami Safe Area" und unten am Ufer gibt es Hinweisschilder mit "Tsunami Evacuation Route" welche auf den Hügel hinauf zeigen. Hmmm, ich hoffe, wir erleben weder Tsunami, Erdbeben noch Vulkanausbruch auf unserer Reise.

 

Die Strasse führt dem Ufer der Bahia Inutil (der nutzlosen Bucht) entlang. Die heisst so, weil sie recht weit ins Landesinnere hineinführt und sich bei der Suche nach der Durchfahrt von Atlantik zum Pazifik als nutzlos erwies, nachdem die Magellan Expedition tagelang erfolglos darin herumgetümpelt ist. Am Ende haben sie die Durchfahrt ja doch gefunden und nun trennt die Magellanstrasse Feuerland vom Festland, obwohl ich rein landschaftlich keinen sehr grossen Unterschied zwischen dem Festland auf der einen und Feuerland auf der anderen Seite feststellen kann. Es ist mehrheitlich flach, wird hauptsächlich von Schafen bevölkert und hat einige liebliche Hügel und Restwaldbestand. In der Ferne sieht man die schneeweissen Bergspitzen der einzigen Bergkette, welche in Ost/West Richtung verläuft (entgegen der Nord/Süd Richtung der Anden) und so etwas von den kalten Winden, welche aus der Antarktis kommen, abhält.  Wir verbringen eine erste Nacht irgendwo am Kieselstrand der Bahia Inutil, geniessen einen Strandspaziergang, beobachten Vögel und wundern uns über die grosse Anzahl von Muschelkolonien, welche sich auf den Steinen festhalten und die nächste Flut abwarten, sowie der Menge von angespültem Kelb und leeren Schalen von Königskrabben.

 

Am nächsten Tag fahren wir bei Regenwetter (es hat merklich abgekühlt) durch einige kleine Ansiedlungen. Dazwischen grosse Strecken Weideland und zwei Adler, die sich beim Regenwetter ungestört fotografieren lassen. Die Ansiedlungen bestehen meist aus einer grossen Schafscherhütte, einigen Wirtschafts- und Wohneinheiten sowie dem Gebäude der Estancia. Markus philosophiert gerade über guten Kaffee, richtigen Kaffee, nicht Instantkaffee und beginnt sogar zu hoffen, in der nächsten Ansiedlung ein Kaffeehaus zu finden. Es ist ja auch richtiges Kaffee/Kuchenwetter (so nennen wir Regenwetter seit unserer ersten Norwegen Reise) aber natürlich gibt es auch in der nächsten Ansiedlung nur eine Schafscherhütte und kein Kaffee. Doch was kommt dann: hinter der nächsten Kurve gondelt uns ein Basler Kaffee entgegen. Kein Witz! Ein Expeditionsfahrzeug mit Basler Nummer. Natürlich halten wir an und begrüssen uns. Kurz darauf werden wir in die Wohnkabine eingeladen, parken also auf der gleichen Strassenseite (pro Stunde kommt eh nur so geschätzt ein anderes Fahrzeug), gleich hinter dem Fahrzeug. Und was bekommen wir? Einen, nein am Ende sind es zwei Kaffees aus einer Nespresso Maschine mit Nespresso Kapseln. Das schmeckt doch wie Kaffee! Wir unterhalten uns gut mit Pia und Werner und tauschen unsere Webpages aus. Herzlichen Dank nochmals für den unerwarteten Kaffeegenuss und herzliche Gastfreundschaft!

 

Die kommenden Nächte verbringen wir in einer Waldlichtung und an einem idyllischen See (Lago Bianco). Das Wetter bessert sich kaum, es bleibt regnerisch, kühl und erstaunlich windstill. Wie wir so bei Standheizung und heissem Tee am Buch lesen sind, rollt plötzlich unser Modell (oder fast, es ist ein HZJ 78) von Toyota Landcruiser (aber in blau) an den See. Zuger Nummer, und so lernen wir Danielle und Tisi (Webpage) kennen. Wir tauschen uns lange aus, bis uns allen einfach zu kalt wird. Scheint als wenn die halbe Schweiz hier unten in ihren eigenen Fahrzeugen unterwegs wäre... Am Abend kommt dann doch noch die Sonne und wir geniessen einen schönen Abendspaziergang und Sonnenuntergang über dem Wasser.

 

Der Grenzübergang nach Argentinien am Paso Bellavista, einer auf der Karte kaum verzeichneten Grenzstelle, verläuft zügig und problemlos. In Rio Grande heisst es mal wieder Tanken, Brauchwasser auffüllen und Abfall abgeben und ab geht es der Atlantikküste entlang Richtung Süden. Etwa 160´000 Menschen leben auf Feuerland, der grössere Teil des Feuerlandarchipels gehört zu Chile, ist aber mit nur rund 10´000 Menschen weit dünner besiedelt als der argentinische Teil. Argentinisch Feuerland erlebt seit ca. 10 Jahren einen Boom, die argentinische Regierung lockt mit Steuerfreiheit internationale Unternehmen an, darunter Firmen der Elektroindustrie. Dies ist neben dem Tourismus in Rio Grande und Ushuaia, den beiden Städten auf der argentinischen Seite Feuerlands, der Hauptarbeitgeber. Man merkt, das es den Menschen hier besser geht als in anderen Teilen des Landes, angeblich soll auch das Lohnniveau besser sein und gleichzeitig sind gewisse Dinge wie Benzin subventioniert und daher billiger (auch für uns Touristen, sofern man maximal 100 Liter pro mal tankt). Traditionell leben die Menschen aber auch hier von der Viehwirtschaft, den Schafen und der Wolle sowie von der Fischerei und der Verwertung, sprich dem Abholzen der letzten Wälder.

 

Noch einmal zwischen Dünen schlafen (irgendwie ist das Wetter hier wärmer und so können wir sogar draussen kochen & essen) und dann kommen wir nach Ushuaia, wo wir für zwei Nächte ein Hotelzimmer gebucht haben. Ushuaia ist die südlichste Stadt der Welt und liegt auf 54° südlicher Breite. Den Ort selbst kann man als bunt, lebhaft und putzig bezeichnen, oder auch einfach als schnell gewachsen und touristisch orientiert. Mit rund 60´000 Einwohnern ist es eine prosperierende Siedlung, an auch im Sommer schneebedeckte Berge gedrängt und eine ruhige Bucht und das eisblaue Meer überblickend.

 

Nach einer langen, warmen Dusche ziehen wir unsere "Ausgangsklamotten" an (saubere Jeans und das einzige Hemd bzw. Bluse in schwarz die wir dabei haben) und begeben uns zum Hafen. Heute ist nämlich grosses Wiedersehen in der südlichsten Stadt der Welt angesagt. Wie ein Schweizer Uhrwerk taucht das orange Kamin der MS Bremen am Horizont auf und wäre da nicht ein anderer Kahn, der den Hafenplatz zu lange blockiert, hätte Roman pünktlich um 18 Uhr angelandet. Wie man sowas nur schafft - sozusagen pünktlich direkt aus der Antarktis zurück?! Um 20 Uhr trafen wir ihn und  eine Freundin aus Barcelona, welche auf jener Reise mit an Bord war, am Passagierausgang des Hafens. Was folgte war grosse Wiedersehensfreude (waren wir doch erst im Oktober noch zusammen segeln) und ein gemütliches Abendessen (es gab Centolla: arktische Königskrabbe & Spezialität Feuerlands) in toller Runde. Am darauffolgenden Tag sahen wir uns wieder zum Mittagessen (diesmal gab es sehr gutes Rindfleisch im Casimiro Bigua). Diesmal waren wir zu dritt, da Monika am Vormittag abgereist war. Die neuen Gäste werden auf der MS Bremen bereits am späteren Nachmittag erwartet und nach einem ersten Abendessen an Board stechen sie dann gegen 22 Uhr in See, auf zur nächsten Antarktis Reise. Eine Reise auf welcher nicht nur die Antarktische Halbinsel, sondern unter anderem auch Südgeorgien angesteuert wird. Das erinnert mich daran, dass heute ein Jubiläum ist. Vor ziemlich genau 7 Jahren stieg ich hier aus, nach einer durch spezielle Umstände zustande gekommenen, einzigartigen Reise vom Kap der Guten Hoffnung zum Kap Horn. Vor sieben Jahren war ich auf der Bremen, und nun bekam auch Markus die Gelegenheit nicht nur einen Kaffee an Board zu trinken, sondern geführt vom Kapitän an einem tollen Rundgang quer durchs Schiff und hinter die Kulissen teilzunehmen. Danke Roman für diese tolle Gelegenheit, allzeit gute Fahrt und auf baldiges Wiedersehen!!!

 

Abschiedsfoto mit Touristenmütze und MS Bremen im Hintergrund. Ab Morgen, 8. Januar, heisst es "Nordwärts", mit Reiseziel Kolumbien.