Patagonien, Land der heftigen Winde

Ewige Weiten, riesige Distanzen und Wind, unaufhörlicher Wind der über die Ebene blässt. Man sieht ihn nicht, da der Bewuchs minimal ist und doch spürt man ihn, er rüttelt am Wagen, pfeifft am Wagen vorbei und man muss stetig Gegensteuer halten. Er tritt aber auch in Böhen auf, was einem manchmal fast Slalom fahren lässt, wenn er kurz nachlässt und man die Steuerung korrigieren muss, nur um gleich danach wieder wie von einer unsichtbaren Hand geschupst zu werden. Die gelegentlich entgegenkommenden Motorradfahrer sehen richtig erledigt aus.

 

Optische Täuschung: unter dem Horizont am Ende der Ebene scheinen die Schneeberge aufzutauchen, dabei sind sie auch hier im Süden noch fast so hoch wie bei uns in den Alpen. Wir fahren zum Eingang des Perito Moreno Nationalparks. Dieser Park an der Chilenischen Grenze ist der ursprünglichste und am wenigsten besuchte Nationalpark Argentiniens, liegt er doch weit ab jeder öffentlichen Verkehrsanbindung und etwa 300km südwestlich der Ortschaft Perito Moreno. Er bietet Einsamkeit, Gletscher, Bergseen und wilde Tiere wie Pumas, Füchse, Wildkatzen, Nandus, Flamingos und unzählige Vögel. Man kann wandern oder die Vögel von gut eingerichteten Vogelbeobachtungsständen (notabene sogar windgeschützt und mit kleinen Klappfenstern) beobachten. Die Fauna und Flora ist von einer rauen Schönheit, aber es lassen sich auch kleine Schönheiten finden: das Topa-Topa ist eine Orchideenart, kleines Blümchen, das an unsere Frauenschuhe erinnert. Im Park vereinen sich die Landschaften der Patagonischen Steppe mit der des feuchtkalten Subantarktischen Waldes, in welchem vom aussterben bedrohte Tiere wie der südamerikanische Hirsch "Huemul" einen Rückzugsort gefunden haben. Geografisch interessant ist die Tatsache, dass die Flüsse von sieben der acht Seen im Park in den Pazifik münden und nur einer, der Lago Burmeister, in den Atlantischen Ozean. 

 

An eben diesem Lago Burmeister beziehen wir Quartier, nachdem wir uns beim Ranger Office angemeldet haben. Eintritt und Camping sind gratis und die Dame im Büro hat sich sehr über unseren Besuch gefreut und ausführlich alles erklärt sowie Informationen zu Aussichtspunkten und Wanderungen mitgegeben. Das Wetter hatte jedoch so seine eigene Bestimmungskraft über das was und wohin unserer Exkursionen. Wir finden ein windgeschütztes Plätzchen hinter einem vom Wind krumm gewachsenen Wäldchen. Die Bäume wachsen hier wie eingefrorene Windsäcke, man weiss genau us welcher Richtung der Wind kommt. Unweit davon ein sauberes Plumpsklo (die einzige Infrastruktur am Platz) und einen schönen Blick durch die Bäume auf den stürmischen vom Wind gepeitschten See. Wir sind alleine und Markus holt Wasser aus dem mit Gletscherwasser gespiesenen See (seine Füsse wurden dabei knallrot vor Kälte). Dieses Wasser haben wir mit einer Pfanne gekochtem Wasser gemischt, um so zu "duschen" und Haare zu waschen. Danach schnell die warmen Socken, Fliesspullover und Wollmütze anziehen, sowie eine gute Tasse heisse Suppe geniessen. Herrliches Gefühl und draussen vor dem Fenster tobt das Unwetter. Im 10 Minuten Takt ändert das Wetter, Regen, Sonne, Regenbogen, blauer Himmel mit top Panorama und dann wieder Graupel und Schneeflocken. Aber der Wind bleibt stetiger Begleiter. Wir bleiben zwei Nächte, sehen Guanakos mit ihren windzerzausten Jungen, Flamingos, unseren ersten Kondor und jede Menge Vögel. Einmal bleibt mir das Herz stehen, als ich einen grossen Vogel (etwa die Grösse eines Graureihers) beobachte, wie er gegen den Wind kämpft und von einer Böhe ergriffen wird. Es verwirbelt ihn total und er kommt dem Boden gefährlich nahe, bevor er in letzter Sekunde wieder die Kontrolle über den Flugverlauf bekommt. Uns weht es auf dem Aussichtspunkt fast weg und wir entscheiden uns Bobilchen an einen sichereren Ort zu bringen, so reisst und rüttelt der Wind am Fahrzeug. Den Nachmittag verbringen wir beim Lesen und offline (hier ist man super selten online und meist auch ohne Mobile Signal) Blog schreiben. Daher sind auch meine Blogs immer verspätet, geschweige die Fotos, welche wir nur bei sehr stabiler Leitung hochladen können. Da sitzen wir also im abgelegensten Nationalpark Argentiniens, eine Tasse Tee mit Schuss in der Hand und den Blick auf das Unwetter und die Kräfte der Natur draussen vor dem Fenster gerichtet. Wir haben es gemütlich im Bobilchen, wenn es auch eng ist, so ist so ein Nachmittag ganz kuschelig.