Erste Tage und Neujahr in Chile

Nach dem Besuch beim Gletscher lud Markus mich noch zum Eis am Stiel (hausgemachtes Blockeis) ein, so kam ich auch dazu, die berühmte Beere Calafate (nach welcher der Ort benannt ist) zu probieren. Es wird ja alles Mögliche daraus hergestellt, von Konfitüre bis zu Likör und man sagt, dass wenn man Calafate gegessen hätte, würde man irgendwann wieder zurück nach Patagonien kommen. Die Calafate Beere ist eigentlich eine grosse Blaubeere, wächst aber an einem Busch mit grossen, spitzen Stacheln.

 

Der Grenzübergang nach Chile verlief problemlos, ich musste lediglich unseren fast leeren Honig Topf abgeben. Wenn man nach Chile einreist, muss man den Zollzettel des Autos bei den Argentiniern abgeben, und die Ausreisestempel im Pass einholen, dann bei den Chilenen wieder den Einreisestempel im Pass abholen, beim Chilenischen Zoll den Zollzettel fürs Auto ausfertigen lassen und dann die Deklaration zum Schutz von Natur und Umwelt ausfüllen und damit zum Kontroletti beim entsprechenden Schalter spazieren. Der kommt dann mit zum Auto und lässt sich alle Lebensmittel zeigen, die man im Auto mitführt. Man darf nichts an Frischprodukten dabei haben, also kein Obst oder Früchte, rohes Fleisch, Nüsse, Kräuter, Holz, Honig etc. Alles was aber irgendwie schon bearbeitet wurde ist ok, also ist Marmelade ok, UHT Milch, pasteurisierter Käse etc. Ich habe dem guten Herrn gleich eine ganze Liste in die Hände gedrückt und gesagt: "Das ist das, was wir an Bord haben, sagen Sie mir, was davon ich nicht über die Grenze nehmen darf." So hielt sich die Kontrolle in Grenzen, wir hatten eine freundliche Unterhaltung und am Ende musste ich eben nur den Honig rausrücken. Alles zum Schutze der Natur und Landwirtschaft versteht sich. Die Chilenen scheinen sehr korrekt zu sein, dieser Eindruck verstärkte sich dann auch gleich beim Camping am Nationalpark Torres del Paine, alles fein säuberlich notiert, mit Durchschlag und in dreifacher Ausführung, natürlich jedes Papierchen mit einem Stempel versehen. Dafür ist man hier aber auch sehr freundlich, ja fast schon befliesslich und der Camping war prima organisiert und gewartet. 

 

Wir haben einen drei Tages Pass für den Park gelöst, also eigentlich zahlt man einmal den Eintritt und holt dann die entsprechenden Stempel täglich neu ab, um wieder eintreten zu dürfen. Am ersten Tag nieselte es, dann kam wieder die Sonne, nur um gleich darauf wieder zu regnen. Dabei ein stürmischer, fast orkanartiger kalter Wind. So blieb dann auch der Lago Grey (in welchem sich das berühmte Bergmassiv angeblich spiegeln könnte) grau in grau, davor im ebenfalls grau wirkenden Gewässer tummelten sich Eisberge, welche von der Gletscherzunge weit hinten am nebligen Ende des Sees abgebrochen und hier durch den Wind gegen den Strand gespült wurden. Am Amüsantesten war es, den Touristen zuzusehen, welche sich mühselig Schritt um Schritt den Strand entlang quälten, gegen den orkanartigen Wind kämpfend, welcher einem die Beine unterm Bauch wegzublasen drohte, sobald man einen Schritt wagte. Manchmal hatte ich den Eindruck, das mir der Sauerstoff vor Nase und Mund weggeweht wird, atmen und gehen fällt unter solchen Bedingungen schwer und doch ist es ein sehr eindrückliches Erlebnis. Langsam verstehen wir, warum das 6 Tagestrecking um das Massiv herum als eines der anspruchsvollsten der Welt gilt, nicht wegen der Höhenmeter, sondern wegen des Windes und sehr rauen Klimas.

 

Der zweite Tag war nicht besser, wir verbrachten fast den ganzen Tag unterhalb der Cuernos del Paine (den Hörnchen des Berges, welche gänzlich in den Wolken versteckt blieben) in einem kleinen Restaurant sitzen, tranken Kaffee und warteten darauf, dass sich die Wolken etwas verziehen würden, damit wir zum Mirador de los Cuernos spazieren können. Derweil wunderten wir uns, dass die Fensterscheiben des über einem See gebauten Restaurants die Böhen aushielten. Ur-gewaltige Kraft des Windes! Plötzlich schienen sich die Wolken über uns zu verziehen und wir hatten das Glück fast zwei regenlose Stunden zu erwischen, in denen wir vorbei an einem Wasserfall hoch zum Aussichtspunkt und zurück spazieren konnten. Aber der Wind war unglaublich und das eigentliche Spektakel, denn die Hörnchen wollten sich noch immer nicht zeigen. Wir sahen Eltern, die ihre Kleinkinder an den Rucksäcken festhielten, damit sie nicht weggeweht wurden, mich selbst drücke es gut 30 Sekunden so stark an den Boden, dass ich auf allen Vieren verblieb und der See sah manchmal aus wie als wenn da ein Wasserfall wäre, die Gist, welche über den See gefegt wurde war so stark, dass sie den Eindruck eines herabstürzenden Wasserfalles erzeugte.

 

Dann der dritte Tag, fast kitschig! Als wir aufstanden und der "Trötenvogel" (wir nennen den so, da wir nicht wissen, wie dieser Ibisartige Vogel heisst, welcher hier sehr oft zu sehen und noch öfter zu hören ist - er macht einen Laut wie eine alte Autohupe aus den 20-er Jahren) seinen charakteristischen Laut von sich gab, schauten wir Richtung Massiv und trauten unseren Augen kaum: langsam begannen sich Umrisse in den Wolken abzuzeichnen. Als wir wieder bei den künstlich türkisfarben wirkenden Seen angelangt waren, spiegelte sich zwar das Massiv nicht darin (bei diesen Windgeschwindigkeiten), aber der Anblick war faszinierend, ja schon fast kitschig! Obwohl es schwierig war bei dem Wind die Kamera ruhig zu halten, waren wir vom Anblick einfach gebannt und verstanden, was den Reiz dieser Landschaft ausmachte. Als Sahnehäubchen flog dann noch ein Kondor im Tiefflug über unsere Köpfe hinweg, 4 Meter Flügelspannweite, riesiger Schatten und geballte Flugkunst.

 

Langsam bewegten wir uns über die holprige Strasse vom südlichen zum nördlichen Ende des Parkes, immer wieder geballte Kraft des Windes, der unser Bobil manchmal schon fast in Schräglage brachte und immer wieder neue, faszinierende Ausblicke auf das Torres del Paine Massiv freigab. Miradores wo man kaum stehen konnte und doch im Anblick dieser Naturschönheit verharrte. Just nach dem Parkende, begann der Zoo, wie wir diesen Abschnitt nannten, welcher entlang eines austrockneten Sees lag. Liebestolle Guanakos sprinteten über den Strand, überrannten fast die Nandu Familie, welche an den kargen Sträuchern pickte. Ich traute mich immer näher an die Szenerie heran, die Tiere schienen keine Fluchtdistanz zu kennen, warum ist mir schleierhaft. Bullenkämpfe und Liebespiel der Guanakos, einmal musste ich sogar aus meinem Ansitz aufstehen und mich gross machen, sonst hätten mich zwei liebestolle Hengste überrannt, welche einem Weibchen nach rannten.  Die Nandus liessen sich von mir ebensowenig stören und kamen immer näher. Ich war im Element und wiederum fasziniert als ein dunkler Schatten über mich hinweg schwebte, drei Kondore, welche in diesen Winden fast ohne Flügelschlag über die Ebene rauschten und hinter dem weit entfernten Bergmassiv verschwanden. Markus beobachtete die Szenerie vom Auto aus und liess mich über eine Stunde im "Zoo" verweilen. Ein Highlight der anderen Art. Wir haben am Abend darüber geredet, wie viel Glück wir bereits mit Tiersichtungen hatten, Inzwischen ist mir auch ein Foto von einem Gürteltier gelungen. 

 

Silvester kamen wir in Punta Arenas an, flanierten in der ruhigen, sauberen und ordentlich wirkenden Stadt mit schönen Häusern und ansprechendem Zentrum. In einer Chocolateria (notabene mal wieder eine vor 3 Generationen ausgewanderte Schweizer Familie) genossen wir eine heisse Schokolade und begaben uns nach einem Besuch in einem Supermarkt zeitig zurück in unsere kleine Einliegerwohnung, welche wir (für weniger Geld als ein Hotelzimmer in einem Hostel) zufällig bei einem Chilnischen Pensionisten Pärchen für 2 Tage mieten konnten. Im Supermarkt hat mir ein netter Herr die Türe aufgehalten und er quittierte meinen Dank mit den Worten: "So sind wir Magellans" Man hebe dabei das Wort Magellans (so nennen sich die Chilenen am Südende des Landes) hervor. Magellan ist erst seit einem Jahr durch eine Fähre mit dem restlichen Chile verbunden, ansonsten muss man über Argentinien fahren, analog zu den Argentiniern auf Feuerland, welche über Chile ins eigenen Land einreisen müssen. 

 

Ein netter Herr hat mich im Supermarkt überzeugt, doch eine Flasche Cola de Mono zu kaufen, das sei super lecker und perfekt für die Festtage, ausserdem stand die Flasche wirklich gleich neben der Auslage für Silvester und dem gesprudelten Cidre... gesagt getan. Wie ich später herausfand, gehört dieser Cola de Mono (Affenschwanz) tatsächlich zu den Chilenischen Festtagen und besteht aus Milch, Pisco (dem Chilenischen bzw. Peruanischen Traubenlikör - die streiten noch, wer ihn erfunden hat), Eigelb, Gewürznelke, Zimtstange, Vanille, Kaffee und Rohrzucker. Schmeckt in der Tat nicht schlecht und im Kaffee oder Tee noch besser. Also stießen wir mit Cola de Mono aufs Neujahr an, nachdem wir uns in aller Ruhe ein einfaches, aber leckeres Abendessen gekocht haben. 

 

Den Neujahrstag verbringen wir nun mit Bilder sortieren (wenn die Leitung stabil bleibt, kann ich sogar noch welche hochladen), Blog schreiben, Lesen und Ausspannen. Hier drinnen ist es so kuschelig warm und der Blick aus dem riesigen Fenster beim Sofa gibt auf die eine Seite den Blick auf die Küste und auf der anderen auf einen schönen Garten frei. Einfach mal ausspannen und völlig entspannt ins neue Jahr starten. 

 

Happy New Year auch allen!!!