Berühmte Berge, Weihnachten & Gletscher

Ich geb es zu, ich sass im Auto, auf dem Aussichtsparkplatz oberhalb von El Chalten und wunderte mich über die Aussicht, ein Berg war zu sehen, mit gewöhnlichen Umrissen, wohl mit frischem Zuckerguss, aber sollte das alles sein? Wo ist denn dieser berühmte Monte Fitz Roy und der Cerro Torre? Wir konnten nichts sehen, es war noch nicht einmal zu erahnen, dass sich hinter diesen Wolken Berge befinden sollten. Doch Geduld soll belohnt werden und wir konnten den Moment erleben, als sich die Wolken tatsächlich lichteten, erst gaben sie Umrisse frei und dann dieses zentrale Bergmassiv mit seinen charakteristischen Gipfeln und spitzen Felsnadeln. El Chalten, erst 1985 gegründet, ist das Dorf am Fusse des Massives und existiert nur als Ausgangspunkt für Wanderungen, sozusagen das Hiking Mekka Argentiniens. Viele Tages- und Mehrtagestouren (muss man frühzeitig reservieren) führen an und in das Massiv hinein, Dahinter das ewige Eis, die grösste Eismasse auf einem Kontinent ausserhalb der Antarktis. 

 

Nachdem wir das Schauspiel der sich öffnenden (und leider danach wieder schliessenden) Wolkenmasse um und auf dem Massiv beiwohnen durften, suchten wir einen Übernachtungsplatz. Wir wurden fündig und positiv überrascht vom Camping Bonanza (webpage) ca. 12km hinter dem Dorf, am mäandernden Ausfluss des Lago del Desierto. Alles sehr einfach, aber überraschend gut organisiert. Strom und heisses Wasser gibt es nur am Abend (Sonnenenergie), aber alles ist sehr sauber und nebst dem Camping gäbe es auch fest installierte Igluzelte mit Betten zu mieten. Trotzallem ist kaum jemand auf dem Platz, eine französische Familie, zwei Dänen (Mutter und Sohn) welche sich von einer Mehrtageswanderung erholen sowie eine spanisch sprechende Familie auf Urlaub, deren Vater man oft beobachten kann, wie er mit einem ziemlich beeindruckenden Teleobjektiv den Vögeln auf dem Platz nachstellt. Wir haben ein windgeschütztes Plätzchen unter Bäumen zugeteilt bekommen, freuen uns aber zum Kochen aus der Kälte herauszukommen und den Gemeinschaftsraum mit Gasherd nutzen zu dürfen. Wir verbringen hier drei Nächte, tagsüber machen wir Wanderungen (immer mit Wind/Regenjacke, aber bei mehrheitlich trockenem Wetter), ab und an sogar bei Sonnenschein und vom Wind geschützt, kann ich sogar zeitweise im T-Shirt gehen, bis wir wieder um eine Ecke biegen und der Wind eiskalt von den Bergen herunterblässt. An einem Tag wandern wir zur Laguna Torre am Fusse des Glaciar Grande, am anderen zum Mirador del Fitz Roy und der dahinter liegenden Laguna Capri. Die Wege sind gut ausgeschildert und leicht zu gehen (bis auf die Wind exponierten Stellen), die Berge bzw. das berühmte Panorama zu sehen bleibt aber Glücksache. Auf dem Weg vom Mirador zur Laguna Torre konnten wir ein paar mal die steil abfallenden Hänge der Granitnadeln des Cerro Torre sehen, an denen sich noch nicht einmal der Schnee zu halten vermag. Bei der Laguna angekommen, bliess uns ein eiskalter, stürmischer Wind ins Gesicht und dick eingemummelt harrten wir hinter einem Stein aus, tranken Suppe und hofften, dass sich die Wolken nochmals verziehen würden. Nix da, die Aussicht war begrenzt auf den Gletscher, welcher sich direkt in den windgepeitschten, grau wirkenden See drängte. 

 

Nach der Wanderung am 24. Dezember haben wir uns im Dorf in einer schönen Konditorei Kuchen und Kaffee gegönnt und dank WLAN auch ein paar Weihnachtsgrüsse versenden können. Am Abend gab es auf dem Camping Lamm vom Spiess, Stunden über der Holzkohle gegrillt. Wir verbrachten einen angenehmen Abend mit den Dänen, die französische Familie musste die Kinder leider zu Bett bringen bevor das Essen richtig anfing und die spanisch sprechende Familie war wohl die einzige, die "pünktlich argentinisch" erschien, die Europäer waren alle um Stunden zu früh aufgetaucht. Es hiess, das Abendessen beginne um 21 Uhr. Wir waren pünktlich da und tranken erst mal Bier. Um 21.30 bekamen wir Brot und selbstgemachten Aufstrich serviert, um 22.30 tauchte dann die spanisch sprechende Familie auf und kurz danach wurde der erste Gang (Roulade mit verschiedener Füllung) serviert. In der Ecke stand ein kleines künstliches Bäumchen mit Schleifchen dekoriert und im Ofen brannten ein paar Holzstücke und gaben ein schönes und warmes Licht ab. Wir tauschten uns am Tisch über Weihnachtsrituale in der Schweiz und in Dänemark aus. Gegen 23.00 wurden wir in die Küche gebeten, um uns das Lamm anzuschauen und gegen 23.30 Uhr hatten wir Stücke davon mit einem Gemüseeintopf zusammen auf dem Teller. Beim mittlerweile dritten grossen Bier amüsierten wir uns alle gut und pünktlich um 24 Uhr sprangen Gastgeber und die spanisch sprechende Familie auf und es wurde "Feliz Navidad" geprostet, angestossen und Küsschen verteilt. Gegen 1 Uhr in der Früh hatten wir dann auch noch einen guten Dessert und Kaffee genossen und sind danach im Lichte unserer Taschenlampen zum Zähneputzen spaziert. Mal ein anderes Weihnachten, nix Spezielles, aber ein netter Abend in sympatischer Gesellschaft.

 

Am Weihnachtstag fuhren wir dann nach El Calafate und übernachteten am Rande des südlichen Teils des Nationalparks. Die Sonne zeigte sich am nächsten Morgen und wir machten uns zeitig auf, um als eine der ersten am Eingang zu sein, wenn der Nationalpark öffnet. Der Eintritt ist nicht billig, aber der Blick auf den mächtigen Gletscher Perito Moreno und das Schauspiel des Kalbern der Eisberge direkt in den See ist einzigartig. Am Anfang waren wir fast alleine, die Sonne schenkte uns ein paar Strahlen und das Eis glitzerte im Sonnenlicht und gab verschiedene Blautöne zum besten. Dann verzog sich die Sonne wieder und wir uns ins Bobil um zu Frühstücken. Etwa eine Stunde später gingen wir wieder zu den Plankenwegen, welche sich vis à vis der 70 Meter hohen und rund 5km breiten Eiswand befinden. Die Wege sind schön angelegt und auf Balkonen und Aussichtsplattform kann man mit genügend Sicherheitsabstand das Wunder der kalbernden Eiswand beobachten. Es knackt und knirscht in der Eiswand, welche sich auf die Halbinsel Magellans hinzu schiebt. Unter ohrenbetäubendem Dröhnen brechen da und dort riesige Stücke ab, verursachen eine mächtige Welle und schwimmen danach wie kleine Eisberge durch den milchig-trüben See. Der See wird derzeit von einem Ausläufer des Gletschers gestaut und so liegt der Wasserspiegel auf der linken Seite der Halbinsel einige Meter höher als auf der rechten. Nur alle paar Jahre bricht dieses Eisstück und der Seespiegel nivelliert sich wieder aus.

 

Der Gletscher ist ein Ausläufer des patagonischen Inlandeises auf der Grenze zwischen Argentinien und Chile. Abgesehen von den Polar Regionen, ist dies die grösste, zusammenhängende Eismasse der Erde. Ihre Entstehung hängt mit den Winden zusammen, die auf der chilenischen Seite vom Pazifik kommend die Wolken über die Anden drücken. Diese "regnen" als Schneefall auf den Höhenlagen ab und das Gewicht des ständig nachfallenden Schnees presst den bereits liegenden zusammen, bis er sich als eine Eismasse, angetrieben durch sein Eigengewicht, in die verschiedenen Täler schiebt. Eine Besonderheit dieser patagonischen Gletscher ist, dass man sie fast auf Meereshöhe bewundern kann und der Perito Moreno Gletscher ist einer der wenigen wachsenden Gletscher weltweit (die meisten anderen gehen ja zurück). Mit einer Geschwindigkeit von höchstens 1-2 Zentimeter pro Stunde fliesst dieser auf einer Wasserschicht ins Tal und am Ende bildet sich dann eine hohe Gletscherzunge, wo das Eis abtaut und sich Risse bilden. Ab und an stürzt dann so ein mächtiger Eisquader in den See, was kalbern genannt wird. 

 

Ein wirklicher Höhepunkt. Wir verbringen mehrere Stunden dort und beobachten das Naturspektakel, umso schöner, als dann sogar die Sonne wieder hervorkommt und das ganze Naturwunder beleuchtet. Sozusagen Iguazu eingefroren... daher gibt es wohl inzwischen auch schon Direktflüge von Iguazu nach El Calafate. Definitiv zwei Höhepunkte und einer davon haben wir am 2. Weihnachtstag besuchen dürfen.