Kein Puma, dafür 1000 Sterne

Wir folgen der R150 und danach der R149. Eigentlich ist Samichlaus, aber nix mit Nüssen und Manderinli, dafür eine heisse Sonne und ein wolkenloser Himmel. Wir sind im Gebiet der höchsten Berge des Amerikanischen Kontinents und fasziniert schauen wir auf die schneebedeckten Kuppen in der Ferne. Die Strasse windet sich ein schönes Tal entlang immer höher und unten im Tal ein grüner Streifen und ein Fluss der wirklich Wasser führt. Ein unglaublicher Wind weht uns entgegen und als wir ganz oben angekommen sind, erwartet uns ein milchig wirkender, mit Inseln versetzter, schöner Stausee mit Schneebergen am Horizont. Der Wind nimmt jedoch orkanartige Stärke an und rüttelt am stehenden Fahrzeug. Wir fahren weiter durch grüne Oasen und Dörfer die dank Bewässerungskanälen (Wasser ist das ganze Jahr über dank dem Schmelzwasser vorhanden) surreal schön wirken. Pferdekoppeln, grüne Bäume und Alleen. Am Ende des Tages finden wir im Schutze der Mauern (Schutz vor Sicht und Wind) eines verlassenen Minendörfchens unser Nachtquartier. Leider gibt es hier eine lästige Anzahl stechender kleiner Fliegen (sowas wie die Knötter in Schweden), welche wie wild auf jegliche Art von Feuchtigkeit reagieren (z.B. Mund & Augen). Wir essen im Auto, sozusagen verschanzt.

 

Am nächsten Tag erreichen wir zeitig den Parque Nacional El Leoncito. Wie der Name verspricht, ist das das Land des kleinen Löwens, des Pumas. Wir bekommen eine Broschüre in die Hand gedrückt wie wir uns im Falle einer Sichtung zu Verhalten hätten. Überhaupt wirkt alles hier extrem organisiert und professionell. Der Ranger ist super freundlich und gibt uns weitere Informationen über Rundgänge die man machen kann und die Observatorien, welche sich im Gebiet befinden und besichtigt werden können. Zudem ist es kostenlos auf dem Camping im Park bei der Ranger Station zu übernachten und es steht ein sauberer Sanitärblock mit warmen Duschen zur Verfügung. Jede Parzelle hat auch ein Picknick Tischchen, welches wir allerdings nicht wirklich geniessen können, denn erneut stellen wir fest, das dies hier nicht nur die Heimat des Pumas ist, sondern leider auch die der kleinen fiesen Fliegen. Markus zieht sogar das Schutznetz fürs Gesicht an und ich verschanze mich mehr oder minder erfolgreich in meiner mückensicheren Safarikleidung. Wir fahren los und besichtigen das (fliegenfreie) Observatorium Casleo. Eine kostenlose Führung durch einen der Cheftechniker. Man klingelt am Tor, meldet sich für eine Besichtigung an und wird durchgelassen. Die Führung war zwar auf Spanisch und ich dabei als Übersetzerin gefordert, dennoch nahm sich der Techniker viel Zeit uns die Details dieser Anlage näher zu bringen. Der Complejo Astronomico El Leoncito CASLEO wird international genutzt. Rund 40 Techniker sind hier beschäftigt, um das Teleskop zu warten und die gewünschten Einstellungen vorzunehmen und die gewünschten Messgeräte einzuschalten, welche die Wissenschaft vorbestellt. Rund ein halbes Jahr im Voraus ist jede Stunde der Nacht gebucht, die einheimischen und internationalen Wissenschaftler sitzen jedoch nicht vor Ort, sondern benutzen das Observatorium quasi online von zu Hause aus. Das CASLEO beherbergt das grösste Teleskop Argentiniens und die Bedingungen des Nationalparks sind optimal zur Beobachtung der Himmelskörper, da es kaum Fremdlicht und Luftspieglungen gibt, da man sich in einem sehr trockenen Klima befindet, welches kaum Kondensationswasser in der Luft aufweist.

 

Nach dem Besuch des Casleo spazierten wir für rund eine Stunde noch einem der beiden Lehrpfade entlang, sahen dort aber keinen Puma, sondern jede Menge kleiner Nager, sogenannte Cuis, wie Lemminge rannten sie überall umher, irgendwie süss mit grossen Augen. Überhaupt ist es erstaunlich welche Vielfalt es an Leben hier gibt, trotz oder grad eben wegen der thermischen Unterschiede zwischen Tag und Nacht, der in der Höhe noch intensiveren Sonneneinstrahlung, den seltenen, dann aber sturmartigen Regenfällen und den ansonsten trockenen und starken Winden. Der Park kann das ganze Jahr über besucht werden, im Winter fällt manchmal sogar Schnee.

 

Den Sonnenuntergang genossen wir auf einer Anhöhe unterhalb des CESCO Observatorium. Insgesamt gibt es drei Observatorien im Park, von denen zwei öffentliche Führungen anbieten. Das CESCO bietet gegen einen kleinen Unkostenbeitrag Nachtführungen an, welche wir wärmstens (obwohl man am besten gleich zwei Jacken mitbringt) empfehlen können. Zum Glück verschwanden mit der Sonne auch die lästigen Fliegen und Moskitos gab es nicht. Am Ende des Abends im Freiluft Planetarium war ich recht geschafft durch das Simultanübersetzen im Flüsterton, aber beide waren wir hellauf begeistert von diesem 2h, lehrreichen Abend, zu dem wir sogar noch einen heissen Kaffee serviert bekommen haben. Wir sassen alle im Kreis und in der Mitte war das Teleskop aufgestellt. Mit einem Laserpointer wurden die Sternbilder und spezielle Himmelskonstellationen des Himmels der südlichen Hemisphäre erklärt. Nicht nur sahen wir hier zum ersten Mal die Magellanwolken von blossem Auge, sondern bekamen auch noch eine Geschichtsstunde wie es zur Namensgebung kam, denn nicht Magellan sondern der Wissenschaftler, welcher die Magellanexpedition begleitete, hat die Wolken als erster Europäer entdeckt. Apropos entdeckt, so erzählte uns der Astronom auch, dass der Gürtel des Orion nur hier im spanischsprachigen Südamerika die "drei Marien" genannt wird und wir den Namen des "Kreuz des Südens" einem guten Katholiken zu verdanken haben, die Einheimischen hier sahen in der gleichen Sternenkonstellation den Fussabdruck des Nandu... Wo liegt Süden? Ganz einfach, auf einer imaginären Linie vom Gürtel des Orion zum Kreuz des Südens. Hier stehen übrigens alle Sternbilder des Horoskopes auf dem Kopf und ausserdem stimmen sie natürlich nicht mit den Monaten überein. Ein bisschen griechische Mythologie vereinfachte es die Sternbilder am Himmel zu definieren und zu finden: zwischen Orion und den sieben Schwestern (Sternhaufen der Plejaden) liegt der Stier, welcher die Schwestern vor Orion schützt. Dieser Sternhaufen der Plejaden ist übrigens rund 400 Lichtjahre von unserer Erde entfernt. Immense Zahlen. Im Teleskop konnten wir dann teilweise unterschiedliche Lichtstrahlungen der Sterne erkennen (rot = alter Stern, blau = junger Stern), aber auch einzelne Sterne in Sternhaufen, oder Nebelränder. Ebenso auch, dass gewisse Sterne von blossem Auge auf gleicher Höhe wirken, aber in Wahrheit einige 100 Lichtjahre hintereinander liegen... Wir bewunderten den Andromeda Nebel, die uns nächst gelegene Nachbargalaxie (wir sind ja in der Milchstrasse zu Hause) und Alpha Centauri, der nächtgelegenste Stern, sozusagen unser Nachbar-Sonnensystem in der selben Galaxie, "nur" rund 4 Lichtjahre von uns entfernt. Unglaublich spannend, aber auch schön zugleich, je später die Stunde, umso mehr Sterne erhellten den wolken- und mondlosen Himmel (der Mond ging erst nach Mitternacht auf). Ein Genuss der ganz besonderen Art.