Der Westen

Eine Nacht am Strand vis à vis des Paradors Chico in Kiyu wurde zu einer windigen Angelegenheit. Das erste Küstenörtchen westlich von Montevideo ist nicht viel mehr als eine Ansiedlung kleiner Bungalows und Wohnhäuschen oben auf den Klippen. Unten am kilometerlangen feinsandigen Strand ist in der Nebensaison wenig los, wegen des ausgesprochen warmen Wetters jedoch war der Parador Chico geöffnet, wir bekamen ein kühles Bier und die Möglichkeit im Camping nebenan zu nächtigen. Zugegeben, die sanitären Anlagen liessen zu wünschen übrig, aber dafür hatten wir einen Stellplatz unter Bäumen direkt am Strand ganz für uns alleine. Beim Parador badeten dank der kaum existierenden Brandung auch einige Familien mit Kleinkindern. Auch wir liessen es uns nicht nehmen im Meer zu schwimmen. Herrlich, allerdings wurde aus dem geplanten Abendessen am Strand nix, denn innert kürzester Zeit frischte der Wind auf, wir nahmen unser Klappdach runter und kochten im Innern ein paar Wienerli und Suppe. Durch das Fenster wurde uns ein tolles Spektakel geboten, Sturm über dem Meer mit tollen Wetterstimmungen, einem sehr speziellen Sonnenuntergang und anschliessend Blitzen und Wetterleuchten über dem Meer. Da der Wind nicht nachliess blieb uns nichts anderes als unten zu schlafen, etwas beengt, aber ok für die Nacht, vom Wind sozusagen in den Schlaf geschupst (anstelle gewiegt), denn die Windböen rüttelten immer mal wieder heftig am Wagen.

 

Am nächsten Morgen war strahlender Sonnenschein, wenig Wind und wir konnten draussen Frühstücken und einen ausgedehnten Strandspaziergang machen. Anschliessend führte uns die Fahrt durch das Gebiet der Colonia Suiza Richtung Colonia de Sacramento. Die Landschaft der Colonia Suiza erinnert in vielerlei Hinsicht an die Schweiz; Farmland, Milchkühe, Ackerbau in klar definierten Feldern, Heuballen auf den Feldern und eine grüne, sanft hügelige Landschaft. Die Hauptstadt der Region heisst heute Nueva Helvecia und noch immer wird die Erinnerung an das ehemalige Heimatland hochgehalten. Es gibt viele Käsestände, bunt dekoriert mit Fahnen aller Schweizer Kantone und wirklich gutem Käse (Emmentaler, Greyerzer, Appenzeller etc.). Angeblich feiert man hier den 1. August noch immer intensiv und erinnert dabei an die ersten 600 Schweizer, welche sich hier ca. 1860 angesiedelt haben, Bauern die wegen der miesen Wirtschaftslage im eigenen Land ihr Glück in der neuen Welt gesucht haben und ihre Traditionen und das Wissen um die Landwirtschaft mitgebracht haben. Dies hat massgeblich zum Erfolg der Region beigetragen und Einfluss auf die landwirtschaftliche Exportwirtschaft Uruguays.

 

Colonia de Sacramento ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt als beschauliches, historisches und romantisches Städtchen. Dies nicht nur wegen der guten Erreichbarkeit aus Buenos Aires heraus (Hauptanteil der Touristen / 1h Schifffahrt) sondern vor allem auch wegen seiner historischen Bedeutung, es ist die älteste Stadt in Uruguay und wurde von den Portugiesen gegründet. Diesen Einfluss spürt man auch heute noch, zum Beispiel erinnern die blau/weissen Kacheln mit den Strassennamen an die Altstadt Lissabons. Colonia de Sacramento verzaubert aber nicht nur durch den pittoresken kolonialen Teil der Altstadt (mehrheitlich Fussgängerzone, grosse Plätze, Leuchtturm und repräsentative Kolonialgebäude nebst schmalen Gassen mit Kopfsteinpflaster) sondern ist seit 1995 auch UNESCO Weltkulturerbe. Wir haben uns hier den Luxus eines Hotelzimmers geleistet (CHF 50 pro Nacht und Zimmer mit kleinem Frühstücksbuffet). Ein schmuckes, kleines Boutique Hotel mit netten Zimmern, freundlichem Personal und einem Privatparkplatz für unser Bobil, gleich vor dem Haupteingang und von 4 Kameras überwacht ;-) . Webpage

 

Danach ging es durch das Weinanbaugebiet um Caramelo. Das Weinanbaugebiet wird oft mit dem Bordelais verglichen (frische Winde am breiten Fluss). Es wird Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc sowie Syrah angebaut, aber am Häufigsten die spezielle Weinsorte Uruguays: der Tannat (wirklich gut, rund 270 Bodegas produzieren ca. 100.000hl Wein pro Jahr). Durch Palmenalleen und anderen Alleen, welche in der Gegend Schatten spenden, ging es weiter gen Norden dem Rio Uruguay entlang. Wieder vermehrt Gauchos auf und mit Pferden, Pferdewagen, Nadel- und Laubwald, dazwischen Kakteen und Palmen. Manchmal sieht man auch ganze Familien auf Motorrädern, zu dritt: er fährt und hält irgendwo seinen Mate Tee, sie balanciert die Einkäufe oder manchmal sogar noch einen Koffer auf der Seite während das Kind dazwischen eingeklemmt sitzt. Was man aber ebenso oft sieht, sind moderne asiatische Autos und sportliche Fahrradfahrer die aussehen, als würden sie für die Tour de France üben. Kurz vor dem Grenzübertritt nach Argentinien genehmigen wir uns noch eine Nacht auf dem Camping der Termas de Guaviyu (riesiger Camping, hier machen viele Familien Urlaub / sanitäre Einrichtungen ok). In der Gegend um Salto (beidseitig des Grenzflusses Rio Uruguay) sprudelt 42 Grad heisses Thermalwasser aus dem Boden, und so wurde (obwohl eigentlich ursprünglich nach Öl gebohrt wurde) die Gegend für seine Thermalbäder bekannt.

 

Wir haben in Uruguay viele nette Menschen kennengelernt, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft bei der Bevölkerung, man fühlt sich sicher und willkommen. Das Mobile ist an der Tagesordnung, alle haben eines und Telefonzellen oder Internetkaffees haben wir keine mehr gesehen. Postkarten scheint man auch keine mehr zu versenden, aber dafür gibt es ja das Postkarten App der Schweizer Post :-) und das einzige, was es noch gibt, wie ich es in Erinnerung hatte, sind die Gewerkschaften, welche demonstrieren und Autos mit Lautsprechern, welche irgend welche Werbung plärren. Gespannt verfolgen wir auch die Geschichte "des Postautos" einer sympathischen Schweizer Familie mit 2 Hunden auf Reise: Webpage. Von einem argentinischen Rentnerpärchen haben wir viele Informationen zu Argentinien erhalten und am Ende haben sie uns sogar noch zwei Strassenkarten geschenkt. Wirklich nett, aber auch spannend zu sehen, wie stolz sie auf ihr Land sind, denn nach ihren Angaben sind nicht nur die Strassen in Argentinien massiv besser, sondern auch alle Sehenswürdigkeiten top, der Ruta 40 folgend würde man alle Schönheiten des Landes kennen lernen, aber ein Abstecher nach Chile sei eigentlich gar nicht notwendig, es sei dort nicht so schön, und nur notwendig, wenn man nach Feuerland möchte. Wirklich ein liebes Paar, aber solche Aussagen liessen uns innerlich schmunzeln. Umso gespannter sind wir nun auf Argentinien. Fotos von Uruguay folgen bald: Fotos