Den Regen aussitzen

Tagebucheintrag? Am Ende dieses Tages sense! Komplett erschöpft und meine Füsse schmerzten, schmerzten am Ende bei jedem Schritt.

 

Wir erwachten im Nebel, doch die Sonne hatte bald die Kraft den Nebel aufzureissen und begleitete uns danach ein gutes Stück, ehe sie sich hinter Wolken verzog. Die Tagesetappe war lange, sehr lange und während wir im ersten Teil der rund 25km langen Etappe gut über hügelige Landschaft vorankamen, zogen sich die letzten Kilometer ins Unendliche, wir waren über 12 Stunden unterwegs, mal viel Markus zurück, mal musste er mich fast anschieben. Wir wussten, dass wir nicht unten im nassen Wald am Flussufer übernachten wollten, wir wussten, dass wir auch nicht mitten im Moor übernachten konnten, und wollten unser Tagesziel oben im Fjäll erreichen. Die Querung der Moore erwies sich als anstrengend, denn Planken fehlten fast überall, dafür versuchten wir von Ästen zu Büschen zu Steinen und festeren Erdklumpen zu hüpfen, um nicht knietief in den Morast zu versinken (an einer Stelle verschwand mein Stock über einen Meter im Untergrund, obwohl doch Grass obendrauf wuchs). Dafür wuchsen hier aber auch reife Moltebeeren, die wir naschten und uns über die süsse Köstlichkeit freuten. Endlich erreichten wir wieder die Waldgrenze und wir überblickten das Tal und sahen hinunter auf die hellen Stromschnellen im dunkeln Wald. Wir kamen auf eine faszinierende Ebene, naja, eine Ebene ist es eigentlich nicht, es war einfach flacher und dennoch wellig und übersät mit grossen Blöcken, kleinen Steinen und Gestrüpp, aber auch mit vielen kleinen Bächen und kleinen Felsenpools, die wie Perlen aneinander gereiht waren. Ein unglaublich schöner Anblick im Abendlicht, welches wegen der aufziehenden Schlechtwetterfront immer weniger wurde. Leider nahm ich die schöne Landschaft irgendwie nur halb war, war fix und foxi und meine Füsse schmerzten nun bei jedem Schritt. Doch dann, unweit einer verlassenen Renzüchterhütte (Kote) fanden wir ein wunderbar flaches, trockenes Plätzchen und beschlossen dort das Zelt aufzustellen. Just, als wir die letzten Sachen in der Absis verstaut hatten, begann es zu regnen und hörte für die kommenden 16 Stunden auch nicht mehr auf.

Im wohlig warmen Schlafsack lauschten wir dem Regen, und schliefen am kommenden Morgen lange aus. Erst als ich hinaus musste, schmerzten meine Füsse wieder, sehr empfindlich sogar, aber ansonsten fühlen wir uns wohl und genossen die Ruhezeit im Zelt, lasen ein paar Seiten im Büchlein und machten uns Gedanken über Packliste und Proviant, aber auch wie es ist an seine Grenzen zu stossen und darüber hinaus weiter zu gehen. Man hängt Gedanken nach ohne sie wirklich zu denken, manchmal fallen einem die einfachsten Dinge nicht ein, man konzentriert sich nur noch auf die nächsten Schritte. Dieser Pfad macht einem klar was wirklich wichtig ist: eine gute Gesundheit und elementare Dinge wie eine Waschgelegenheit, ein warmer Schlafsack, ein trockenes Plätzchen und was Warmes im Bauch. Und als Luxus obendrauf die wohltuende Umarmung einer geliebten Person.

 

Eigentlich ist die Wanderung mit drei Worten beschrieben: Gehen, Essen, Schlafen; stundenlang gehen, über Essen nachdenken und dann in Erschöpfungsschlaf fallen. Wir hatten auf dieser dritten Etappe weniger Essen dabei und merkten bald, dass wir mehr Kalorien, aber auch mehr Protein nötig hätten. Wir merkten, wie sich die Gedanken unterwegs um den nächsten Snack drehten, oder was wir gerne essen würden, wenn wir wieder zu Hause wären. Wir merkten auch, wie sehr wir die Beeren (Moltebeeren und Blaubeeren) am Wegrand genossen, aber dennoch kam nie ein Hungergefühl auf. Proviant ist sicher essentiell auf der Packliste, aber es gibt definitiv Dinge, die man hätte weniger einpacken können. So auch den extra Pullover, eines anstelle zwei Sackmesser hätte auch gereicht, ebenso eine einzige Taschenlampe und auch keine Ersatzbatterien. Das faltbare Wasserbecken oder den grösseren Kochtopf hätten wir uns auch schenken können, da wir in der Nähe immer eine Wasserstelle hatten, im Topf selbst abwaschen konnten und auch im kleinen Topf genügend heisses Wasser hätten machen können. Ja, ich habe wohl eine grössere 1. Hilfe Ausrüstung als andere dabei (konnte den Arnikagel aber auch gut gebrauchen) und habe als Frau auch einige Dinge mehr dabei als ein Mann, welcher diese nicht mindestens einmal im Monat benötigt... Andererseits haben sich Kleinigkeiten als enorm nützlich erwiesen, damit meine ich nicht nur die Regenkleidung oder den Poncho, welcher nicht nur mich, sondern auch meinen Rucksack schützte, sondern Dinge, wie ein Klippverschluss um den improvisierten Müllbeutel zuzumachen oder die Thermoskanne ohne die ich nicht mehr sein wollte. Auf alle Fälle sind wir so um einen Erfahrungsschatz reicher und wissen in Zukunft was wir in etwa einpacken sollten und was wir eher zu Hause lassen können. Ultralight Hiker werde ich dennoch nie, aber der Rucksack sollte in Zukunft nicht mehr über 18kg wiegen, auch nicht mit Proviant für mehrere Tage und Kameraausrüstung.